Judge a book by it’s cover? Vol. 2: Rezension zu „Unter uns das Meer“ von Amity Gaige

Mit meinem heutigen Beitrag knüpfe ich thematisch an den Beitrag von Luise („Judge a book by it’s cover„) letzte Woche an und schlage eine Brücke zu unserem Couchgeflüster in der kommenden Woche.

Aber der Reihe nach: Bei meinem letzten Besuch in einer Buchhandlung wurde ich förmlich magisch angezogen von dem Cover des Romans, welches ich euch heute vorstellen will. „Unter uns das Meer“ von Amity Gaige sah auf dem ersten Blick nach Urlaub, Meeresrauschen und Sand zwischen den Zehen aus. Der Klappentext offenbarte mir dann eine Reise mit einer Segelyacht durch die Karibik und als alter Weltenbummler war es damit natürlich um mich geschehen. Und so tat ich es Luise gleich, die mit „Im gleißenden Licht der Sonne“ einen Coverkauf wagte und nahm das Buch einfach mit. Wie sehr es inhaltlich ein Thema berührt, mit welchem wir uns in der kommenden Woche noch tiefgründiger beschäftigen wollen, konnte ich an dieser Stelle noch nicht ahnen.

„Unter uns das Meer“ von Amity Gaige in der Übersetzung von André Mumot, erschienen im September 2020 im Eichborn Verlag. Link zur Verlagsseite.

„Unter uns das Meer“ von Amity Gaige

Inhalt

Juliet Partlow lebt mit ihrem Mann Michael und den beiden Kindern Sybil (7 Jahre) und George (knapp 3 Jahre alt) in einem hübschen Einfamilienhaus in Connecticut ein Vorstadtleben. Er arbeitet bei einer Versicherung, sie ist studierte Poetin und Lyrikerin. Michael hat bereits als Jugendlicher durch seinen Vater das Segeln kennengelernt und überrascht Juliet eines Tages mit der Idee, ein Segelyacht kaufen und damit durch die Karibik segeln zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Ehe der beiden bereits an einem Wendepunkt angekommen. Juliet fühlt sich ausgebrannt vom Muttersein, wird von Depressionen geplagt und dem eigenen Druck, ihre Dissertation beenden zu wollen. Wohingegen Michael viel und lange arbeitet, scheinbar wenig in der Familie präsent ist und sich nach Abwechslung sehnt. Er scheint begeistert von der Möglichkeit, eine Segelyacht zu kaufen, Juliet ist eher etwas zögerlich, da sie selber nicht segeln kann. Kurz vor Thanks Giving ist es dann aber so weit und die Familie macht sich auf den Weg, von Panama aus die Küste entlang nach Kolumbien und weiter nach Jamaika zu segeln. Dabei spitzt sich das menschliche und nautische Drama zu und offenbart ein vielschichtige Geschichte über ein nicht mehr ganz so glänzendes Familienleben, Depression und das Aufbrechen von Gewohnheiten.

Kritik

Besonders hervorheben möchte ich an diesem Buch, die Art und Weise wie es von Amity Gaige geschrieben wurde. Ständig wechselt man zwischen insgesamt vier Perspektiven. Zum einen gibt es Juliet die in der Gegenwartsform über ihre Zeit nach der Rückkehr der Segelreise berichtet. Dies bildet das Gerüst für ihre eigenen Rückblicke auf die Zeit vor der Reise, wie sie und Michael sich kennengelernt haben sowie auf ihre eigene Kindheit. Michaels Blickwinkel wird in Form von Logbucheinträgen hinzugezogen, die sich in der Perspektive auf die Zeit vor der Reise (die Zeit des Studiums und der Kindheit) und während der Reise beschränken. In der vierten Perspektive wird, eher zum Ende hin, die siebenjährige Sybil an der ein oder anderen Stelle hinzugezogen. Insgesamt behandelt das Buch Themen der sexualisierten Gewalt, Depression, gewährt Einblicke in die amerikanische Politik (wir bewegen uns in der Trump-Ära) und natürlich auch den Widrigkeiten und vor allem aber auch schönen Momenten einer Segelreise durch die Karibik. Alles in allem mag das Buch durch die ständig wechselnden Perspektiven und vielschichtigen Themen überladen wirken, jedoch erzählt die Autorin dies mit einer derartigen Leichtigkeit und Sprachgewalt, die fesseln. Besonders die Beschreibungen der Naturgewalten in der Karibik, die langen Schnorchelgänge und Begegnungen mit Einheimischen bilden einen guten Kontrast zu den Problemen und Erlebnissen des Segel- und Ehealltags. Der Leser kann Juliet dabei beobachten, wie sie selbstsicherer wird und sogar das Manuskript ihrer Dissertation wieder zur Hand nimmt. Michael hingegen wirkt losgelöster und genießt die Zeit mit der Familie und insbesondere den Kindern.

Das Buchcover lädt zu einer Segelreise ein

Fazit

Zwischendrin war mir nicht ganz klar, in welche Richtung sich das Buch entwickeln will. Wie eine Yacht auf dem Meer schwankt es zwischen Thriller und Familiendrama, Reiseroman und Liebesgeschichte. Und trotz der Unschlüssigkeit geht der Autorin nie der rote Faden verloren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie und ihr Lektorat gekämpft haben müssen, aber diese Leistung, den Faden beständig im Blick zu behalten, macht es zu einem lesenswerten Roman für mich. Will ich einen Kritikpunkt suchen, dann wäre es das Ende welches mir etwas zu sanft erschien und ich mir doch etwas bildgewaltiger gewünscht hätte.

Finales Fazit?: Basierend auf Cover und Klappentext hätte ich ein anderes Buch erwartet und bin doch eher positiv überrascht, welche Geschichte zwischen den Buchdeckeln auf mich gewartet hat. Ein Blick in das Buch oder eine andere Rezension hätten mich mehr auf den Inhalt vorbereitet, doch ehrlicherweise mochte ich es, unvoreingenommen einzutauchen.

In der Innenseite findet sich die Reiseroute der Yacht „Juliet“

Ausblick auf die kommende Woche

Vielleicht habt ihr nach der Rezension bereits eine Idee, um welches Thema es in der kommenden Woche gehen könnte? In unserem Couchgeflüster nächste Woche wollen wir euch intensiver Bücher vorstellen, die das Thema Depression behandeln.

Kommentar verfassen