#Politikgeblaetter: Themenstrecke Teil 1, eine Zusammenfassung

Mit großen Schritten bewegen wir uns auf die Bundestagswahl zu. Es wird sich durch den Kanzler:innenwechsel etwas ändern, aber gibt es auch einen Wandel? Auf unserem Instagramaccount haben wir unsere Themenstrecke POLITIKGEBLÄTTER gestartet, die zwei Wochen lang, alle zwei Tage, ein neues Sachbuch vorstellt. Inhaltlich beschäftigen sich die Bücher mit aktuell politischen Themen und können euch inspirieren, um eigene Fokusthemen zu finden und damit herauszufinden, wen ihr wählen möchtet. Gerne könnt ihr für weitere Buchtipps auch den Hashtag #politikgeblaetter verwenden oder da unsere Beiträge gebündelt finden.

Auf dem Blog fassen wir euch heute den ersten Teil, kompakt in einem Blogartikel, zusammen:

Opener: „Wenn nicht ich, wer dann?“ von Anna Russell & Camila Pinheiro

erschienen im Sieveking Verlag, 11/2019 (Luise)

Kinderbücher über starke Persönlichkeiten gibt es zwar bereits ein paar, aber dieses Jugendbuch sticht hervor, da es die Reden und damit politische Zeugnisse von Frauen vereinigt, die sich in der Vergangenheit engagierten wie Elisabeth I., Virginia Woolf, Margaret Thatcher oder Ruth Bader Ginsburg. Oder Frauen, die heute politisch und gesellschaftlich etwas bewegen wollen wie Hillary Clinton, Michele Obama, Malala sowie unsere noch aktuelle Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Rede vor dem US Kongress 2009: „Das, was Europäer und Amerikaner zusammenführt und zusammenhält, ist die gemeinsame Wertebasis. Es ist ein gemeinsames Bild vom Menschen und seiner unveräußerlichen Würde. Es ist ein gemeinsames Verständnis von Freiheit in Verantwortung. […] Diese Wertebasis war es, die den Kalten Krieg beendet hat. Diese Wertebasis ist es, mit der wir nun die Bewährungsproben unserer Zeit bestehen können und bestehen müssen.“ Durch anschauliche Illustrationen und indem Kernaussagen aus den kraftvollen Reden als Ausschnitte herauskristallisiert werden, ist das Buch nicht nur für Jugendliche gut verständlich, sondern für Jeden etwas, um sich mit Politik und mit bedeutenden Frauen und ihren Ideen und Forderungen vertraut zu machen.

Finanzpolitik: „Madame Moneypenny“ von Natascha Wegelin

vorgestelltes Hörbuch vom Argon Hörbuchverlag, Print von Rowohlt, erstmals 08/2018 erschienen (Aline)

Pensions- und Rentenunterschiede, Altersarmut und Gender Pay Gap. Lets talk about money und finanzielle Unabhängigkeit! Denn mal ehrlich gesagt, so richtig habe ich mich mit meinen Finanzen bisher kaum beschäftigt. Ein Auslöser es dann doch zu tun, war das Hörbuch „Madame Moneypenny: Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“. Das Buch von Natascha Wegelin, die mit ihrem Blog Madame Moneypenny Frauen zu ihren Finanzen berät, war für mich ein prima Einstieg, wie ich meine mögliche finanzielle Unabhängigkeit überhaupt angehen kann. Das Buch richtet sich an Frauen, die sich unabhängig von Staat und Ehepartner um ihre Finanzen kümmern wollen bzw. müssen. Leider etwas platt für meinen Geschmack ist das Thema in den Grillabend der Familie eingebettet, daher muss der/die Leser:in sich unbedingt von dem Bild der „schwäbischen Hausfrau“ lösen, die die Finanzen ihrem Ehemann überlässt, welches das Buch vermittelt. Denn es hält einige nützliche Tipps für den Einstieg eines Jeden bereit, sich mit den eigenen Finanzen zu beschäftigen und baut Hemmnisse, Glaubenssätze und Unsicherheiten ab. Von dem Hörbuch ausgehend habe ich Lust bekommen, mich weiter mit ETFs und Co. zu beschäftigen und folge nun einigen Kanälen wie zum Beispiel @hermoney oder @finanztip, da ich weitere passende Bücher nicht so wirklich gefunden habe. Aber sind wir mal ehrlich, auf die gesetzliche Rente kann und will ich mich nicht verlassen.

Gesundheitspolitik: „I’m a nurse“ von Franziska Böhler

vorgestelltes Hörbuch vom John Verlag, Print von Heyne, erstmals 08/2020 erschienen (Luise)

Franziska Böhler, Krankenschwester aus Überzeugung, schildert in ihrem Buch „I’m a nurse“ den Stationsalltag im Krankenhaus. Letzterer gibt Franziska zum einen das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, gar systemrelevant zu sein. Zum anderen bringt dieser sie auch zur Verzweiflung. Sie hat sich aus Leidenschaft zum Beruf für Nachtdienste und Wochenendschichten entschieden, für viel Verantwortung, für einen Job, der sie fordert. Sie möchte für ihre Patient:innen in der Not da sein, Leben retten, im wahrsten Sinne des Wortes schwesterlich wie eine „Krankenschwester“ agieren. (Ich hätte mir gewünscht, dass das Buch deshalb „Ich bin eine Krankenschwester“ heißt, weil Franziska sich laut Buch am liebsten so nennt). Nicht entschieden hat sie sich für etliche Überstunden, Dienste in Unterbesetzung, für Bedingungen, die Pflege und Medizin unmenschlich machen. „Wir sind zurzeit nicht im Dienst“, wie die Apotheke auf dem Foto, würde Franziska vermutlich gerne öfter sagen, um Energie zu tanken. Doch gibt es immer häufiger Pflegenotstand: Pflegekräfte arbeiten in einem Gesundheitssystem, das längst selbst dringend Hilfe braucht. Nicht ohne Grund hat Franziska die Intensivstation vorübergehend verlassen gehabt, bevor sie Kolleg’innen in der Corona-Krise unterstützen wollte.

In ergreifenden Fallgeschichten aus ihrem Arbeitsalltag, aber auch von Patient:innen, Geburtshelfer:innen, Auszubildenden und Ärzt:innen macht die Autorin deutlich, wieviel Leid der Kostendruck und der Personalmangel im Gesundheits- und Pflegesystem verursachen. Sie schildert aber auch die Geschichten dahinter. Sie zeigt damit, dass Klatschen allein nicht ausreicht, sondern gesellschaftliche Anerkennung durch gerechte Bezahlung oder angemessene Arbeitsbedingungen im Sozialen Bereich geschaffen werden kann. Dabei vergisst sie insgesamt auch die guten Momente nicht, die es wert sind, sich trotz allem genau für diesen Beruf immer wieder zu entscheiden.

Wirtschaftspolitik: „Faironomics“ von Ilona Koglin & Marek Rohde

erschienen im dtv Verlag, 05/2019 (Aline)

„Können wir unseren Lebenstraum verwirklichen, die Welt fairer und ökologischer zu machen und gleichzeitig noch ein gutes Leben zu führen?“ Dieser Frage gehen die Buchautor:innen Ilona Koglin und Marek Rohde in dem Buch „Faironomics“ nach und beantworten die Frage ganz klar mit JA! In dem Sachbuch zeigen sie Grundlagen und Entwicklungsschritte auf, mit deren Hilfe sich Projekte nachhaltig, sozial ökonomisch und ökologisch planen und umsetzen lassen. In erster Linie ist das Buch ein Leitfaden für Personen, die mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen, einen Verein oder eine Initiative gründen wollen. Aber auch für Angestellte, die innerhalb ihres Unternehmens etwas bewegen und ändern wollen oder für alle die sich grundsätzlich mit unserem Wirtschaftssystem und wie man es besser machen könnte, beschäftigen wollen, ist es lesenswert.

Das sehr liebevoll illustrierte Buch hält eine Mischung aus Erfahrungsberichten, Interviews und Grafiken bereit und ist dadurch rundum sehr anschaulich gestaltet. Nicht zu kurz kommen Interviews mit Expert:innen passend zu den Kapiteln und vor allem ein Praxisteil. Denn das Buch hält viele Übungen bereit, mit Hilfe Leser:innen direkt aktiv werden können um das eben gelesene in die Praxis umzusetzen. Auch wenn das Buch bereits 2019 veröffentlicht wurde, hat es an Aktualität meiner Meinung nach nicht verloren, im Gegenteil womöglich ist es jetzt sogar noch aktueller denn je. Buchbesprechung im Themenbeitrag „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ (07/2019)

Innen- und Integrationspolitik: „Eure Heimat ist unser Albtraum“ von Fatma Aydemir & Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg.)

erschienen im Ullstein Buchverlag, 02/2019 (Luise)

„Deshalb sind zwei Worte im Buchtitel Lila gefärbt wie der Hintergrund: Denn nicht die Herausgeber:innen und Autor:nnen dieses Buches entscheiden, wo das „Wir“ endet und das „Ihr“ Beginnt. Sondern jede:r Leser:in bestimmt es für sich selbst.“ „Eure Heimat ist unser Albtraum“ ist eine Essay-Sammlung von Journalist:innen und Autor:innen. Diese hinterfragen, wie offen Deutschland als Gesellschaft wirklich ist. Sie haben selbst jeweils Ausgrenzung durch den Staat oder aber durch ihre Mitbürger:innen hautnah erlebt und mussten jeweils in Deutschland rassistische Anfeindungen am eigenen Leib erfahren, aufgrund eines fremdklingenden Namens, einer dunkleren Hautfarbe oder eines Akzents.

Sie sehen sich aber (auch) als Deutsche. Sie nehmen kein Blatt vor dem Mund, schreiben was ihnen unter den Nägeln brennt und endlich schwarz auf weiß manifestiert werden sollte. Es ist keine seichte, sondern vielmehr schonungslose Streitschrift und es sind Worte, die unbedingt gesagt und gelesen werden sollten! Buchbesprechung im Themenbeitrag „Offene Gesellschaft“ (03/2019)

Außenpolitik: „Jeder Mensch“ von Ferdinand von Schirach

erschienen im Luchterhand Verlag, 04/2021 (Aline)

*Europäische Zusammenarbeit & Internationale Politik: Ferdinand von Schirach steht mit seiner dünnen Streitschrift wochenlang auf der Bestsellerliste auf Platz Nr. 1. Denn in „Jeder Mensch“ spricht er an, inwieweit unser gemeinsames Verständnis von Menschen-und Bürgerrechten im Grundgesetz überhaupt noch zeitgemäß ist. Als Grundlage führt er auf wenigen Seiten durch die Geschichte: Von Schirach spannt den Bogen von der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1779 über die Erklärung der Bürger- und Menschenrechte 1798, die die Grundlage dafür legen, dass alle Menschen gleich sind und unveräußerliche Rechte besitzen. Doch „sie zeigten die Gesellschaft nicht, wie sie war, sondern wie sie sein sollte.“ Fast Forward: 2009 wird die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ in einer schwierigen Geburt zum Leben erwacht. Die Ideen der Geschichte wurden zwar berücksichtigt, doch fehlt es an Strahlkraft. So kann die Charta der Grundrechte zum Beispiel an Europäischen Gerichten nicht eingeklagt werden. Gleichzeitig wurden die Utopien der großen Erklärungen weitgehend war, können wir doch wie nie zuvor „unsere Lebensentwürfe so selbstbestimmt verwirklichen (…) in einem solchen Umfang in Würde, Freiheit und Gleichheit (…).“ leben. Doch von Schirach sieht auch neue Herausforderungen auf uns zukommen, denn „die Mütter und Väter der alten Verfassungen in Europa“ kannten Themen wie Globalisierung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Klimawandel nicht. Und so plädiert er und seine Mitstreiter für sechs neue Grundrechte, die die Herausforderungen unserer modernen Zeit aufnehmen und neue, zusätzliche Menschenrechte darstellen sollen. Mit einem QR-Code können Leser:innen über die Vorschläge zur Erweiterung abstimmen. Der Verkaufserlös des Büchleins geht übrigens zu Gunsten eines Vereins, der sich um die Durchsetzung dieser Rechte bemüht. Mir hat in jedem Fall der Exkurs in die Geschichte der Verfassungen sehr gefallen und die vorgestellten neuen Grundrechte zum Nachdenken angeregt. Was meint ihr – ist eine Überholung der Verfassungen notwendig und vielleicht längst überfällig?

Familienpolitik: „Rabenvater Staat“ von Jenna Behrends

erschienen im dtv Verlag 01/2019

Jenna Behrends ist eine Berliner Politikerin, studierte Juristin, hat zusätzlich eine journalistische Ausbildung absolviert und bekam mit 23 Jahren ein Kind. Die Frage, die ich mir beim Lesen des Sachbuchs dabei zuerst stellte, war: „Wie bekommt sie verdammt noch einmal all das unter einen Hut?“ Und mit dieser Frage treffe ich bereits den Kern des Buches: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist noch immer nicht selbstverständlich in Deutschland. Auf jeden Fall scheint es nicht unbedingt (nur) der Verdienst unseres ‚Vaterstaates‘ zu sein, dass die Autorin alles managen kann. Kindergeld ist für die Autorin zur Sicherung des Existenzminimums von Familien selbstverständlich und keine heroische Tat unseres Staates. Ehegattensplitting unterstützt eher Familien, in denen nur ein Elternteil arbeitet. Vor allem ist Familienpolitik undurchsichtig. Denn eigentlich stehen jungen Familien mehr Hilfeleistungen zur Verfügung, als sie meist wissen. Die Autorin gibt so Tipps für junge Familien, zeigt aber auch die wesentlichen Defizite unserer Familienpolitik auf. Zwar ist Familiengründung in Deutschland wieder salonfähiger geworden, so müssen dennoch weiterhin viele Hürden überwunden werden, um tatsächlich Karriere und Familie für beide Elternteile miteinander vereinbaren zu können. Außerdem muss der Staat noch mehr bereit sein, zu unterstützen. Das wurde während der Coronazeit noch einmal mehr deutlich, während derer Fluggesellschaften und Fußballspiel scheinbar wichtiger als Familie waren. Dabei beginnt doch alles mit F.

„Rabenvater Staat“ von Jenna Behrends

Ausblick

Halbzeit bei unserem #politiggeblätter – und noch anderthalb Wochen bis zur Bundestagswahl 2021. Bis dahin werden wir uns auf Instagram weitere Themen vornehmen und passende Bücher vorstellen. Wir hoffen, euch haben die bisher vorgestellten Bücher inspirieren können. Nach Abschluss der Themenstrecke folgt hier auf dem Blog der zweite Teil. In der Zwischenzeit empfehlen wir auch Programme wie den Wahlomaten oder den WahlSwiper, falls ihr euch unsicher seid, welche Partei am besten zu euch passen würde. Gleichermaßen können wir folgende YouTube-Doku-Reihe von Deutschlandfunk Nova empfehlen: „Ich würde nie…“ mit jungen Kandidaten der sechs großen Parteien CDU, SPD, Die Grünen, FDP und AfD zu Themen für junge Wähler:innen wie bezahlbares Wohnen in Großstädten oder Klimaschutz.

Empfehlt gerne weiterhin fleißig weitere Bücher zu den Themen und kommentiert unsere Beiträge auf Instagram oder hier. Wir freuen uns über einen regen Austausch!

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