Atemlos: „Durch die Nacht“ mit Stig Saeterbakken – eine Rezension

Vor einiger Zeit sprachen Luise und ich mal wieder über Bücher. Nach einigen Biografien und besonders langen Romanen sehnte ich mich mal wieder nach einer kurzen, knackigen Geschichte, die mich fesselt, nicht mehr loslässt, mich zum Nachdenken anregt und die vor allem schwer ist. So richtig beschreiben kann ich ihr meinen Lesehunger nicht, aber scheinbar versteht sie, auf was ich aus bin. Und so zog Luise den Roman „Durch die Nacht“ von Stig Saeterbakken aus dem Regal, der dort schon einige Zeit drauf wartete, gelesen werden zu wollen. Sie hatte das Buch im Zuge einer Leseaktion des Verlags gewonnen und kam nicht so recht rein. Eine Geschichte über Trauer, Selbstmord und eine daran zerbrechende Familie. Gut, ich wollte schwer, also hab ich schwer bekommen. Link zur Verlagsseite

Stig Saeterbakken - Durch die Nacht

Inhalt

„Trauer triff in so vielen Formen auf. Sie ist wie ein Licht, das ein- und ausgeschaltet wird. Sie ist da, sie ist nicht auszuhalten dann verschwindet sie, weil sie unerträglich ist, weil man sie nicht permanent ertragen kann.“ Mit diesen ersten Sätzen des Romans wird die Geschichte rund um Karl Meyer eröffnet, dessen 18-jähriger Sohn Ole-Jakob sich das Leben genommen hat, der seine Frau, Eva, mit einer 17 Jahre jüngeren Frau, Mona, betrogen hat und dessen Tochter Stine, nach dem Tod des großen Bruders verstummt. Karl, als Ich-Erzähler, erzählt, wie er und seine Frau sich kennenlernen und die Kinder zur Welt kommen. Dann verliebt er sich in die 17 Jahre jüngere Mona, zieht aus dem Haus der Familie aus und wenig später wieder zurück um dann, nach dem Tod von Ole-Jakob, wieder auf eine Reise zu gehen. Diesmal zu einem Haus in die Slowakei, in dem er hofft, Erlösung zu finden.

Rezension

Ich nehme das Buch in die Hand, es fühlt sich schwer an, der Einband wirkt düster, in dunkelblau und schwarz, Scheinwerfer strahlen dem Leser entgegen. In der Mitte der Titel des Romans und der Name seines Autors, auf weißem Hintergrund und schwarzer Umrandung. Ich blättere durch das Buch, die Seiten wirken irgendwie dicker als sonst, fühlen sich gut an. Ich komme zum Ende des Buchs, indem mir der Klappentext in einer kurzen Biografie den Autor vorstellt.

An dieser Stelle habe ich die ersten Seiten bereits gelesen und bin sofort in ihren Bann gezogen. Mit seiner poetischen, düstern und ergreifenden Art zeichnet Stig Saeterbakken die ersten Tage nach dem Tod von Ole-Jakob nach, blickt zurück in die Zeit des Kennenlernens von Eva und Karl Meyer. Eine Form der Trauer, wie als würde eine dunkle Wolke über den Seiten schweben, hängt auch über die vermeintlich guten Momente der Ehe und so findet man die kurzen Momente der Fröhlichkeit nur in Rückblicken von Begegnungen zwischen Karl und Ole-Jakob, als Letzterer noch sehr jung war.

Als ich die kurze Biografie des Autors lese und weiter im Internet zu ihm recherchiere, bekommt der Roman für mich noch einmal eine ganz andere Dynamik und Tiefe. Ich erfahre, dass der Autor sich kurze Zeit nach der Erstveröffentlichung 2012 das Leben genommen hat. Mit diesem Wissen lese ich die in seiner Trauer zerrissene und der vor Ohnmacht und Hilflosigkeit trotzenden Hauptfigur wie seine eigene. Bilde ich es mir ein, oder lese ich hier Abschiedsworte? Das könnte zu viel Interpretation an dieser Stelle sein, aber der Gedanke hängt in meinem Kopf fest.

Stig Saeterbakken - Durch die Nacht

Fazit

Der Roman schließt mit dem Klingeln des Handys von Karl und im selben Moment klingelt es an meiner Haustür, welches mich etwas unsanft zurück in die Wirklichkeit holt. Gebannt habe ich dieses Buch, selbst bei Pausen auf Autobahnraststätten, nicht zur Seite legen können. Es ist ein Buch über Trauer, Depression und den Tod und bei all der Schwere die in diesen Themen liegen, hat es Stig Saeterbakken geschafft, den Worten nicht nur Poesie zu verleihen, sondern sie harmonisch und einfühlsam zu verpacken. Ganz nach dem Motto, das alles gut ist, so wie es ist.

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