Tulpen-Geflüster: Ein Leserückblick auf den März 2023

Um uns herum kämpfen sich schon die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und die ersten Blumenknospen durch die Erddecke. Frühlingsgefühle machen sich breit und wir können im Frühling stückweise wieder mehr die Natur genießen und uns auch literarisch neu inspirieren lassen.

Elizabeth Strout: „Mit Blick aufs Meer“ (Aline)

2012 erstmals erschienen bei Randomhouse als Taschenbuch

Crosby, eine kleine Stadt an der Küste von Main in den USA: Es ist nicht viel los in dieser Stadt am Meer. Doch Olive Kitteridge hält all das, was nicht passiert, in diesem Buch von Elizabeth Strout zusammen. Ihre Protagonistin führt die Leser:innen durch die unzähligen Kurzgeschichten, die es in „Mit Blick aufs Meer“ zu lesen gibt. Die Geschichten handeln von den Bewohnern und den Geschehnissen der Stadt, zu der Olive, eine ehemalige Mathelehrerin immer etwas zu sagen hat. Sei es die Barpianistin, die einer verlorenen Liebe nachtrauert oder der ehemalige Schüler, der gerade beschlossen hat, sich umzubringen. Oder der Junge von nebenan, der sich mit seiner Freundin im Café mit Blick aufs Meer ein Donut teilt und übers Kiffen philosophiert. Die Beobachtungen werden von Olive eingefangen, sie ist immer da, hat zu den Ereignissen etwas zu sagen und eine starke Meinung, die nicht jedem in der Stadt gefallen mag. Ihr Ehemann Henry hat sich an ihre Art gewöhnt, dennoch besucht er jeden Sonntag seine Freundin, mit der er eine Affäre hat. Die Beziehung zu ihrem Sohn scheint alles andere als einfach, fast könnte man meinen, dass Olive mit ihrer Art die Menschen um sich herum vergrault. Über Olive und ihre Familie erfährt man am meisten, dennoch ist sie nicht immer die Protagonistin, aber zumindest bei einem Großteil der Episoden, die sich wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Die Episoden sind keine in sich geschlossenen Geschichten und gerade deshalb entsteht am Ende ein Bild über Crosby und die Bewohner. Und das ist es, was das Buch wohl auszeichnet, die feinen Beobachtungen über die Menschheit, die die Autorin eingefangen hat und in diesem Buch zusammengetragen hat. Der Anfang ist Stark, das Ende wird schwächer, 50 Seiten weniger hätten es für mich auch getan. Wer Lust auf eine zeitlose Geschichte hat, ist bei diesem Wohlfühlroman aber genau richtig.

Aus den Kino- und Theatersälen

Im März kommen gerne mal gemischte Gefühle auf, zwischen dem Drang schon mal die Nase vor die Tür zu wagen, aber auch noch gemütlich drinnen Zeit verbringen zu wollen. Auch Aline und ich waren so auch noch einmal gemütlich in den Kino- und Theatersälen der Stadt unterwegs, mit Popcorn oder einem Glas Wein und mit wunderbaren Literaturinszenierungen.


Theaterstück-Revue: „Dat Füershipp“ (Luise)

Nach der Erzählung von Siegfried Lenz „Das Feuerschiff“

Letzte Woche habe ich mir die Premiere von „Dat Füerschipp“ im Hamburger Ohnsorg-Theater angeschaut, eine plattdeutsche Interpretation der Erzählung von Siegfried Lenz‘ „Das Feuerschiff“. Neben klassischen Unterhaltungsstücken bemüht sich das Volkstheater zunehmend auch um moderne und anspruchsvolle Formate, die ein breiteres Publikum ansprechen, aber insofern auch verständlich bleiben sollen. So sind einige Szenen der Inszenierung auf Hochdeutsch. Jedoch ist sie insgesamt dialoglastig und einige Schlüsselszenen werden ausschließlich auf Platt gesprochen, wobei szenische Elemente wie die innere Zerrissenheit des Kapitäns für mich etwas verloren gehen. Deshalb hätte ich mir mehr Sequenzen im Wechsel von Platt und Hochdeutsch gewünscht. Genauso fand ich es bedauerlich, dass es sich um einen reinen Männer-Cast handelt. Hier hätte sich das Theater etwas von der Erzählung lösen und eine moderne Interpretation wagen können. Dafür faszinierten mich das aufwendige Bühnenbild und die Requisiten, welche die raue Atmosphäre auf dem Schiff auf offener See beeindruckend rüberbringen. Auch die Schauspieler überzeugten mich – wie der Kapitän, der durch ein leichtes Nuscheln zwar nicht immer verständlich, aber authentisch bleibt. Vor allem auch der Chef der Gaunerbande, die das Schiff stürmen, schafft es, überzeugend die Ambivalenz sowie die Vielschichtigkeit seiner Figur darzustellen. Er spricht wiederum Hochdeutsch, weshalb womöglich die philosophische Tiefe des Protagonisten am ehesten ersichtlich wird. Hervorzuheben sind insgesamt die erkennbaren Mühen, die in der Inszenierung stecken, um dem Anspruch der Erzählung gerecht zu werden. Empfehlen würde ich Platt-Anfänger:innen, vorher die Erzählung zu lesen, den Film mit der Hamburger Schauspiellegende Jan Fedder zu schauen oder aber Mut zur Lücke zu wagen. Denn auf Platt ist einfach mal was anderes!

Filmreview: Nach dem Roman „Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht (Luise)

Roman erstmals erschienen im Ullstein Buchverlag 2017

Nachdem uns der Roman „Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht beiden gefallen hat, war klar: Wir müssen unbedingt in den gleichnamigen Kinofilm!

2003 Neukölln Gropiusstadt – Lukas, Julius, Gino und Sanchez sind vom tristen Berliner Sommer gelangweilt. Die Perspektivlosigkeit hängt schwer über den Hochhäusern. Die Jungs fliehen sich in Drogen, Schulschwänzen und geraten in Schlägereien. Es ist schwer, sich dem Gesetz des Stärkeren zu entziehen. Dann kommt Sanchez auf eine riskante Idee, er hat erfahren, dass seine Schule eine Lieferung neuer Computer erwartet, mit denen sie schnelles Geld verdienen könnten. Sie zweifeln, bis Lukas an den Schulschlüssel seines Lehrers kommt…

Tommi Schmitt und Felix Lobrecht beschreiben es treffend in ihrem Podcast Gemischtes Hack, dass die Macht der Bilder in dem Film bezeichnend ist. Auch wenn bereits der Roman an Lobrechts Biographie angelehnt ist, so wirkt die Geschichte durch die echten Schauplätze im Film noch realer!
Im Kino schien mir dennoch manche Szene zu klischeehaft. Aber durch meine Buchrezension (2017) erinnere ich mich, dass es mir beim Lesen ähnlich ging, dort habe ich Lobrecht zitiert: Ich wünschte, ich hätte mir mehr ausdenken müssen“.

Man muss bei den zwei Stunden Filmlänge einige Gewaltszenen aushalten können. Für Aline hatte der Film zwar so seine Längen, aber dennoch bleibt man durch die Intensität der Bilder dran. Besonders beeindruckt waren wir auch von der schauspielerischen Leistung der Jugendlichen, sie wurden auf der Straße gecastet und standen erstmals vor der Kamera. Obwohl es laut Lobrecht vor allem um Unterhaltung geht, so fühlen sich diejenigen mit ähnlicher Vergangenheit sicher verstanden und als Teil der privilegierten Mittelschicht versteht man: die Augen vor der Armut, Gewalt und Ausweglosigkeit innerhalb eines sozialen Brennpunkts lassen sich nicht verschließen.

Das Buch gibt es auch als Graphic Novel, von Aline gelesen, mehr dazu unter Graphic Novel.

Bücher passend zum Internationale Frauentag

Am 08. März fand der „Internationale Frauentag“ statt, beziehungsweise in feministischen Kreisen lieber als Feministischer Kampftag bezeichnet. Denn er soll zum einen nicht nur Frauen als Gruppe integrieren, sondern insgesamt für eine Geschlechtergerechtigkeit stehen, zum anderen nicht nur suggerieren, dass Blumengeschenke für Frauen als Geste reichen würde. Es geht vielmehr um den stetigen Kampf um Gleichberechtigung. Unsere passende Buchempfehlungen:


Margaret Atwood: „Penelope und die zwölf Mägde“ (Luise)

Erschienen im Oktober 2022 im Goldmann Verlag

Diverse Mythen und Sagen wurden im Auftrag von Verlagen weltweit neu interpretiert. Hier ist es für mich wenig verwunderlich, dass Margaret Atwood einer der Autor:innen ist, die sich an diesem besonderen Projekt beteiligt haben. Bewies sie doch bereits in den Achtzigern ihre feministische Ader in „Der Report der Magd“.

Margaret Atwood wagt in „Penelope“ vor allem ein spannendes Gedankenspiel: Was wäre, wenn Jahrhunderte später noch Vergeltung geübt werden könnte und zwar nach den Maßstäben des Hier und Jetzt? Die Mägde mussten sterben, da sie ihrem Herren Odysseus fremdgegangen seien, unter Zwang. Wäre es gerechtfertigt, Odysseus heute noch zu verurteilen? Immerhin handelte er nach damaligen Gesetzen. Auch die Penelope aus der Geisterwelt stößt an ihre Grenzen, sie verharrt in für sie traditionell gewachsene Stereotypen, sieht sich weiterhin als die Ehrenvolle, die moralisch handelt. Im Gegensatz zur Cousine Helena, die zwar Sehnsüchte bei den Männern weckte, aber abgewertet wurde als Femme Fatale. Penelope nimmt ihren Mann Odysseus in Schutz, der keine Wahl gehabt habe. Doch Mord verjährt nicht. Sicher unterliegt diesem benannten Gedankenspiel eine hochphilosophisch delikate Frage, über die man Stunden diskutieren könnte. Jedoch ist es meines Erachtens ein erlaubtes Gedankenexperiment!

Die ausführliche Rezension findet ihr hier.

Anne Tyler: „Der Sinn des Ganzen“ (Aline)

Erschienen im März 2020 bei Kein & Aber

„Im Grunde hielten die Frauen die Welt in Gang.“ (S. 120)
Diesen Satz lässt Anne Tyler in dem schmalen Büchlein „Der Sinn des Ganzen“ ihren Protagonisten denken. Dabei ist Micah, ihr Protagonist, alles andere als Feminist, aber es ist wieder diese feine Art, feministische Botschaften zu platzieren, die mir schon in „Die Launen der Zeit“ gefallen hat. Unaufgeregt, nicht anklagend, sondern viel mehr in feinen Nuancen platziert die Autorin ihre Gedanken und Botschaften in ihren Texten. In „Der Sinn des Ganzen“ geht es um Micah, er ist 44 Jahre alt, arbeitet selbstständig als IT-Spezialist und arbeitet nebenberuflich als Hausmeister in dem Mietshaus, in dem er wohnt. Seine Souterrainwohnung mag er genauso wie sein Leben: Vor allem aufgeräumt und strukturiert. Die Abende verbringt er mit Cass, seiner Freundin, mit der er seit drei Jahren zusammen ist, gemütlich auf dem Sofa. Eines Tages bricht seine Routine zusammen, als auf einmal ein Teenager auftaucht und behauptet, sein Sohn zu sein. Gleichzeitig droht Cass die Wohnungskündigung und versucht ihm subtil zu vermitteln, dass sie bei ihm einziehen möchte. Für Micah, der gerne alles unter Kontrolle hat, gerät die Welt ins Wanken und er versucht sie mühsam zusammenzuhalten.

Zum #internationalenfrauentag wollen wir auch die ruhigen Stimmen wie die einer Anne Taylor zur Sprache kommen lassen. Die es auch in „Der Sinn des Ganzen“ geschafft hat, trotz eines männlichen Protagonisten die Frauen in den Vordergrund zu schieben, ihre Gefühle und Gedanken zu vermitteln und in Einklang mit denen eines 44-jährigen Mannes zu bringen. Einen Einklang, den man sich an einem Tag wie dem 08. März dann doch noch etwas mehr wünschen würde.

Das Buch passt auch zum Indiebookday!

Bücher passend zum Indiebookday

Warum gibt es eigentlich einen Indiebookday? Kleinere, oft spezialisierte Verlage erhalten möglicherweise nicht so viel Aufmerksamkeit wie große Publikumsverlage. Der Indiebookday ist speziell ihnen und dem oft sehr besonderen und spezialisierten Programm gewidmet. 2020 beschlossen Luise und ich uns stärker mit unabhängigen Buchverlagen zu beschäftigen, seitdem lese ich vermehrt und gerne Bücher von Indieverlagen für die wir eigens eine eigene Kategorie eingeführt haben (Unabhängige Buchverlage). 


Elif Shafak: Unerhörte Stimmen (Aline)

Erschienen im März 2019 bei Kein & Aber

Elif Shafak hat es wieder geschafft, mich mit all der Kraft und Schönheit, die sie in ihre Texte steckt, zu begeistern. Nachdem ich von „Das Flüstern der Feigenbäume“ hingerissen war, aber “Forty Rules of Love“ verrissen habe, hat mich „Unerhörte Stimmen“ ausgesöhnt. In dem dritten Roman, den ich von Shafak (atemlos) gelesen habe, erzählt die Autorin die Geschichte der Prostituierten Leila, die ermordet in einer Mülltonne in Istanbul gefunden wird. So sehr wie sie versucht zu begreifen, wie es dazu kommen konnte, so sehr versucht sie sich in den letzten Minuten ihrer Gehirnaktivität an ihr Leben zurückzuerinnern. Immer wieder denkt sie zurück an Schlüsselmomente ihres Lebens. Wie sie den Kardamomkaffee mit ihrer einzigen großen Liebe teilte. Zurück an ihrer Kindheit in Van und den Geschmack von gewürzten Ziegeneintopf. An ihren Kindheitsfreund Sabotage, der ihr nach Istanbul hinterher reist. An die dreckigen und stinkenden Straßen Istanbuls, wo sie ihr restliches Leben in einem Bordell arbeitend verbringt. Die Erinnerungen tragen sie besonders zu den anderen vieren, zu Nalan, Jamila, Zaynab122 und Humeyra, die neben Sabotage ihren besten Freunden werden und ähnlich wie sie zu den Minderheiten und Ausgestoßenen der Stadt zählen. Es sind die fünf, die sich am Ende mit einer ungewöhnlichen Idee aufmachen, um Leila, Tequila Leila, wie sie im Bordell genannt wurde, die letzte Ehre zu erweisen. Elif Shafak erzählt die Lebensgeschichte einer Frau und ihrer Freunde, die am Rand der Gesellschaft in einer Stadt – die halb im Westen, halb im Osten zu Hause ist – lebt und Halt sucht. Sie erzählt die Geschichte von tiefer Freundschaft und von Glück, das oft zu schnell verfliegt, aber in den Kleinigkeiten zu finden ist. Aus dem Englischen von Michaela Grabinger.

Marlen Hobrack: Schrödingers Grrrl

Erschienen März 2023 im Verbrecher Verlag

Als Mann bist du verloren, „denn du darfst nur über Männer schreiben, aber wer will Geschichten von alten weißen Männern hören? Niemand. Niemand!“ (S. 137).
Und so kommen Hanno, Manfred und Richter, drei alte weiße Männer auf die geniale Idee, Mara anstatt Richter als Autorin seines neusten Werks auszugeben. Das Werk in dem es um eine junge Frau geht. Wie passend, dass Mara Wolf, zukünftige gefeierte Autorin, eine 25-jährige Dresdnerin, eine Schulabbrecherin, eine Harz-4lerin, shoppingsüchtig und handysüchtig ist. Hanno, der PR-Agent und Mara lernen sich zufällig in einer Bar kennen. Hanno erkennt sofort das Talent und die Gabe, die in der jungen Frau schlummert. Mara, die keinen Platz in der Gesellschaft findet, stimmt zu, den gesamten Literaturbetrieb Deutschlands an der Nase herumzuführen – ohne zu wissen, was da eigentlich auf sie zukommt.

Der Debütroman von Marlen Hobrack ist ein Hochstaplerin-wider-Willen-Roman über eine Frau, die vermutlich gar nicht umreißen kann, in was sie hineingerät. Stilistisch schreibt Marlen Hobrack über die Protagonistin, wir schauen als Lesende eher immer auf das Geschehen, als mitten drin in ihrer Gedankenwelt zu stecken. Ein paar Kapitel werden jedoch aufgebrochen, Mara spricht dort aus der Ich-Perspektive. Das empfinde ich als gelungen. Der selten aber doch stattfindende Wechsel der Perspektiven erinnert daran, dass man mehrheitlich über Mara spricht, aber nur selten Mara selbst zu Wort kommen lässt. Möglicherweise eine Bezugnahme dazu, dass oft weiße alte Männer über Frauen sprechen und nicht mit ihnen.
Die ausführliche Rezension findet ihr hier.

Charlotte McConaghy: „Zugvögel“ (Aline)

Erschienen 2020 im S. Fischer Verlag, 2021 als Taschenbuch

Stellen wir uns eine Welt in nicht allzu weit entfernter Zukunft vor, in der beinah alle Tiere, ob Großkatze, Elefant, Eisbär oder Möwe, als ausgestorben gelten. Eine Welt, die durch den bereits voranschreitenden Klimawandel so lebensfeindlich für einen Großteil der uns bekannten Tiere geworden ist, dass sie keine Überlebenschancen mehr hatten. In solch einer Welt spielt der Roman „Zugvögel“ von Charlotte McConaughy. Und auch wenn der Roman bereit 2020 erschien, ist diese vielleicht dystopische Vorstellung von der Realität nicht allzu weit entfernt und vor allem so aktuell wie nie. So kommt die Autorin auch nicht umhin, ihren Roman all den Lebewesen da draußen zu widmen, die von uns Menschen bedroht werden: Eine eindringliche Widmung, die betroffen, bestürzt und zugleich hoffnungsvoll macht. Hoffnungsvoll, dass es da draußen Menschen wie Franny gibt, die Protagonistin, die auf eine gefährliche Reise geht, von Neufundland bis zur Antarktis. Getrieben von ihrer eigenen Vergangenheit, vor der sie zu fliehen versucht, die sie aber immer wieder einholt. Auf dieser Reise begegnet sie einer mutigen Schiffsbesatzung und Küstenseeschwalben. Diese kleinen unscheinbaren Vögel nehmen wie Franny eine beschwerliche Reise auf sich, obwohl es nicht klar ist, ob sie diese aufgrund der immer wärmer werdenden Temperaturen und fehlenden Nahrungsquellen – die Meere sind nahezu leer gefischt – überhaupt überleben werden. Aber sie sind getrieben von ihrem Urinstinkt, diese Reise unternehmen zu müssen. Getrieben ist auch Franny, die ihre Reise antritt, um diese wunderschönen Vögel zu erforschen und sich einen letzten Wunsch zu erfüllen. Auf ihrer Reise ist Franny für mich zur Heldin geworden und hat mich als Protagonistin sehr berührt. Wer es noch nicht getan hat: Lest dieses Buch, sucht die Vögel am Himmel, die Fische im Wasser und hofft, das sie auch in 30, 50 oder 100 Jahren noch da sind und sich diese dystopische Welt aus dem Buch nicht realisiert.

Aus der Rubrik „Über den Tellerrand“
Sachbuch (mal anders)

Alines Über-den-Tellerrand-Projekt im März war das Sachbuch im Allgemeinen, da es ein Genre ist, mit welchem sie sich üblicherweise schwer tut. Luise liest gerne auch Sachbücher in ihrer Freizeit. Deshalb suchte sie sich ein Sachbuch aus, das für sie eine andere Perspektive aufzeigt – die vor allem auch unbequem sein könnte.


Melanie Raabe: „Kreativität“ (Aline)

Als Taschenbuch erschienen im November 2020 im btb Verlag

Sachbücher sind ja nicht so mein Ding, lieber stecke ich meine Nase in Romane. Biografien mag ich hingegen sehr gerne und so hat Luise das perfekte #überdentellerrand-Buch für mich ausgewählt: „Kreativität“ von Melanie Raabe. Es ist zwar in aller erste Linie ein Sachbuch, ähnelt es aber in der Herangehensweise einer Biografie, indem die Autorin sich der eigenen Kreativität nähert, die sie als Werkzeug betrachtet und schlussendlich in jedem von uns zu finden ist. Dabei ist es womöglich nur eine Frage, wie die Antennen gerichtet und die Wahrnehmung geschärft ist. Kreativität kann jeder ausleben, ist nicht angeboren, sondern hat am Ende des Tages mit viel Übung zu tun und einer Essenz Selbstvertrauen, dass es schon gut ist, was man macht. Es gilt, sich selbst auszudrücken, ohne auf den (inneren) Kritiker zu hören. Die Ausführungen von Raabe empfand ich als Bereicherung, da der innere Kritiker auch in mir zu oft mal zu laut ist. Gleichzeitig die kleinen und schönen Dinge, die einem im Alltag begegnen zu sehen, fällt auch mir im Alltag mit Sicherheit nicht immer einfach, doch ist „Kreativität“ ein Stein, der die Gedanken in der Hinsicht wieder zum Anstoßen gebracht hat. Und so habe ich direkt einen VHS-Kurs gebucht, wo ich mit anderen Teilnehmern singe. Das kann ich mit Sicherheit nicht besonders gut, aber es macht so verdammt viel Spaß. Und ich denke, das ist es, worum es beim kreativ sein geht: Spaß und Freude am Ausprobieren. Luise hat auf dem Blog schon einmal den Beitrag „Zeit für neue Ideen: Zwei Bücher zum Thema Kreativität im Vergleich“ veröffentlicht, in dem sie auch noch etwas ausführlicher auf Melanie Raabes „Kreativität“ eingeht.

„Gegen die Ohnmacht“ von Luisa Neubauer & Dagmar Reemtsma (Luise)

Erschienen im Oktober 2022 im Tropen Verlag

Eine der bekanntesten Klimaschutz-Aktivist:innen des Landes ist sicher Luisa Neubauer. Auch wenn ich ihre Arbeit unterstützenswert finde und Klimaschutz für mich ein wichtiges Thema bildet, so wirken ihre Argumentationen auf mich oft zu emotionsgeladen und nicht genug objektiv. Zudem wird sie gerne als Sprachrohr der Generation „Fridays for Future“ betrachtet. Dementsprechend wirkt es, als sei sie medial omnipräsent, So habe ich manchmal auch den Eindruck, ihr Argumentationen bereits zu kennen, ohne so recht noch hinzuhören. Nun wollte ich mich aber doch einmal ihrer Argumentation nähern und ihr besser zuhören, im wahrsten Sinne des Wortes: mit dem Hörbuch.

Luisa Neubauer und ihre Großmutter Dagmar Reemtsma haben eine besondere Beziehung zueinander. Das Buch liest bzw. hört sich an wie ein Zwiegespräch zwischen Oma und Enkelin, in dem über die drängenden Fragen gesprochen wird, vor allem auch darüber, wie wichtig es ist, im Bereich Klimaschutz stärker zu handeln, aber auch wie die Generationen zusammen anpacken können.

Durch das Buch sind mir die Hintergründe Neubauers und ihre inneren Beweggründe für ihr Engagement deutlicher geworden, auch ihre Argumente in der Klimaschutz-Debatte konnte ich besser nachvollziehen. Dennoch blieb die Argumentation für mich zum Teil zu schwarz weiß, zumal ich mir auch gewünscht hätte, dass machen Gedankengänge stärker vertieft worden wären. Aber die Autorinnen zeigen vor allem auf, dass Klimaschutz für viele bereits interessant, aber immer noch nicht als existentiell genug angesehen ist. Es ist also wichtig, dass Klimaaktivist:innen wie Luisa Neubauer den Finger in die Wunde legen.
Die ausführliche Rezension findet sich hier.

Ein Ausblick in den April

Der April macht gerne einmal, was er will. Dort planen wir bei „Über den Tellerrand“ beide mal einen Krimi oder Thriller zu lesen: Also ein Wechselbad der Gefühle versus ein Wechselbad an Wetterumschwüngen. Habt ihr Buchtipps? Falls ja, freuen wir uns, wenn ihr sie uns entweder hier im Kommentar verratet, oder aber auch gerne bei Instagram unter dem entsprechenden Post oder als Nachricht!

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