Vorschau Frühjahrsprogramm 2019 Belletristik
An einem Vorausblick finde ich persönlich immer spannend, festzuhalten, welche Neuerscheinungen mich interessieren. So kann ich im Anschluss rekapitulieren, welche mich enttäuschten oder aber über meine Erwartungen hinausgingen und mich bewegten. Es ist somit eine Art Leseliste, die mir einen Überblick bietet. Dazu durchstöbere ich Verlagsvorschauen sowie Magazine, die Buchtipps bereithalten.
Als ich euch bei Instagram in einer Umfrage die Frage stellte, ob auch ihr Interesse an einem „Teaser“ hättet, was euch so an neuen Büchern im Frühjahr erwarten wird bzw. auf welche Neuerscheinungen ich mich besonders freue, gab es ein ¾ zu ¼ Ergebnis: Die Mehrheit von euch würde sich über neue Leseinspirationen freuen, ein Viertel allerdings, und damit nicht unbedeutender Teil von euch, wollte lieber überrascht werden. Deshalb entschied ich mich dazu, nur eine kleine persönliche Auswahl – 6 Romane und 4 Sachbücher – zu präsentieren. So könnt ihr zum einen schon mal ein wenig in die kommenden Neuerscheinungen „reinblättern“, zum anderen bleibt aber die Spannung erhalten. Beginnen werde ich in Teil 1 mit den Romanen.
Nach zurückgeblättert kommt vorgeblättert – 6 Roman-Neuerscheinungen, die mich besonders interessieren
Meist warten Verlage mit ihren Favoriten auf das Herbstprogramm. In der kalten Jahreszeit wird mehr gelesen, es die Zeit der größeren Buchmesse in Frankfurt und Weihnachten steht dann auch bald vor der Tür. Dennoch muss ich feststellen, dass die neuen Frühjahrsprogramme der Buchverlage wieder sehr viel versprechend sind und ich mich auf die eine oder andere Neuerscheinung erwartungsvoll freue:
Romane
1 – „Die Angehörigen“ von Katharine Dion (erscheint am 12.4. 2019, Dumont)
Klappentext:
Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau Maida quält Gene die Frage, ob sie glücklich gewesen ist mit ihrem gemeinsamen Leben. Er hat sie das nie gefragt.
In Gesprächen mit seiner Tochter Dary und seinen langjährigen Freunden Gayle und Ed sucht er in seiner Erinnerung nach glücklichen Momenten, die sie erlebt haben: als Paar, als Eltern, als Freunde. Doch Dary stellt nicht nur seine versöhnliche Darstellung der Vergangenheit infrage, sie lässt ihn auch an seinem Bild von Maida zweifeln. Durch sie tritt Gene eine ganz andere Frau entgegen. Während die seit Langem bestehende Kluft zwischen ihm und seiner Tochter wächst, begreift Gene nach und nach, wie wenig er sein eigenes Kind kennt – und wie geheimnisvoll seine Ehefrau eigentlich war. Neben das Glück, das er stets an Maidas Seite empfunden hat, treten Verletzung und Betrug, die es sowohl in seiner Ehe als auch in seiner Freundschaft zu Gayle und Ed gegeben hat. Und ein entsetzlicher Verdacht ergreift Besitz von ihm und droht alles hinwegzufegen, was er je zu wissen geglaubt hat. Das berührende und erkenntnisreiche Porträt eines alten Mannes.
Warum ich es lesen möchte:
Manchmal meinen und glauben wir, die Leute um uns herum gut zu kennen, vertrauen ihn und können mitunter bitter enttäuscht werden. „Dieses klug durchdachte Familiendrama ist ein Juwel“ so Adam Haslett. Für mich klingt es nach einem vielversprechenden, emotionalen Buch, das zum Nachdenken anregt und freue mich darauf, es schon vorab lesen zu dürfen.
2 – „Kurt“ von Sarah Kuttner (erscheint am 13.03.2019, S.Fischer)
Warum ich es lesen möchte:
Bis dato habe ich alle Romane von Sarah Kuttner gelesen, da ich ihre Art und Weise des Schreibens und den Stil der Bücher sehr mag. Sie schreibt modern, auch mal schonungslos ehrlich und gleichzeitig voll Emotionen und mit einem tiefgründigen Kern. Sarah Kuttners neuer Roman scheint zwar zum einen ihrem Stil zu folgen, als dass es um die Suche nach den familiären Ursprüngen und deren Einflüsse auf einen selbst geht. Zum anderen scheint es jedoch nicht nur um eine Hauptprotagonistin, sondern um eine ganze Familie zu gehen und hält damit auch etwas Neues bereit.
Klappentext:
Von der Suche nach Familie, der Sehnsucht nach dem richtigen Ort und darüber, dass nichts davon planbar ist: »Ich bin mit zwei Kurts zusammengezogen. Einem ganzen Kurt und einem Halbtagskurt. Jana und Kurt haben sich entschieden, dass sie ihr Sorgerecht teilen, vor allem wenn Kurt schon extra aufs Land zieht. Und so pendelt das Kind nun wochenweise zwischen seinen beiden Oranienburger Zuhauses hin und her: zwei Häuser, zwei Kinderzimmer, unterschiedliche Regeln und alle Menschen, die er liebt.
Und dann bin da noch ich.« Lena hat mit ihrem Freund Kurt ein Haus gekauft. Es scheint, als wäre ihre größte Herausforderung, sich an die neuen Familienverhältnisse zu gewöhnen, daran, dass Brandenburg nun Zuhause sein soll. Doch als der kleine Kurt bei einem Sturz stirbt, bleiben drei Erwachsene zurück, deren Zentrum in Trauer implodiert.
Sarah Kuttner erzählt von einer ganz normalen komplizierten Familie, davon, was sie zusammenhält, wenn das Schlimmste passiert. Sie erzählt von dieser Tragödie direkt und leicht und zugleich mit einer tiefen Ernsthaftigkeit, so einfach und kompliziert wie nur Sarah Kuttner das kann.
3 – GRM von Sibylle Berg (erscheint am 11.04.2019, Kiepenheuer und Witsch)
Warum ich es lesen möchte:
Sie war die Stimme der Talkshow „Schulz und Böhmermann“, ist aber vor allem eine renommierte Autorin, die in der Kürze mit wenigen Worten sehr viel aussagen kann. Dennoch muss ich gestehen, dass ich noch nichts von ihr gelesen habe und das unbedingt nachholen will, und zwar doppelt: Zuhause wartet bereits „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“ und ihre kommende Neuerscheinung:
Klappentext:
»Vermutlich war der Einzelne schon immer unwichtig. Es fiel nur weniger auf.«
Die Brave New World findet in wenigen Jahren statt. Vielleicht hat sie auch schon begonnen. Jeden Tag wird ein anderes westliches Land autokratisch. Algorithmen, die den Menschen ersetzen, liegen als Drohung in der Luft. Großbritannien, wo der Kapitalismus einst erfunden wurde, hat ihn inzwischen perfektioniert. Aber vier Kinder spielen da nicht mit – sondern gegen die Regeln. Und das mit aller Konsequenz. Willkommen in der Welt von GRM.
Sibylle Bergs neuer Roman beginnt in Rochdale, UK, wo der Neoliberalismus besonders gründliche Arbeit geleistet hat. Die Helden: vier Kinder, die nichts anderes kennen als die Realität des gescheiterten Staates. Ihr Essen kommt von privaten Hilfswerken, ihre Eltern haben längst aufgegeben. Die Hoffnung, in die sie sich flüchten, ist Grime, kurz GRM. Grime ist die größte musikalische Revolution seit dem Punk. Grime bringt jeden Tag neue YouTube-Stars hervor, Grime liefert immer neue Role-Models.
Als die vier begreifen, dass es zu Hause keine Hoffnung für sie gibt, brechen sie nach London auf. Hier scheint sich das Versprechen der Zukunft eingelöst zu haben. Jeder, der sich einen Registrierungschip einpflanzen lässt, erhält ein wunderbares Grundeinkommen. Die Bevölkerung lebt in einer perfekten Überwachungsdiktatur. Auf der Straße bleibt nur der asoziale, vogelfreie Abschaum zurück. Die vier Kinder aber – die fast keine Kinder mehr sind –, versuchen außerhalb des Systems zu überleben. Sie starten ihre eigene Art der Revolution.
4 – Licht über dem Wedding von Nicola Karlsson (erscheint am 01.03.2019, Piper)
Warum ich es lesen möchte:
Gern lese ich Bücher über das Leben und die Kontraste in Großstädten (sehr gern über Berlin). „Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht hatte es mir zum Beispiel bereits angetan, wo es um Jugendliche in dem viel zitierten „Brennpunkt“ Neukölln Gropiustadt geht, zwischen Hochhäusern – wo man als Deutscher auffällt und wo Kriminalität, aber auch Drogen an der Tagesordnung stehen sollen. Dieses Buch war betont im Slang geschrieben. Das von Nicola Karlsson erinnert mich zwar inhaltlich an dieses andere, zwischen den Hochhäusern und all seinen Gegensätzen der Großstadt, verspreche mir aber dafür einen ganz anderen Schreib- und Erzählstil!
Klappentext:
Schonungslos und zärtlich erzählt Nicola Karlsson von Hoffnung, Schuld und von der ungreifbaren Nähe zwischen uns Menschen.
Ein Hochhaus in Berlin. Zwischen S-Bahnhof und tristen Grünanlagen prallen Welten aufeinander. Hannah verdient ihr Geld mit einem Modeblog und lebt erst seit kurzem hier. Dem alleinerziehenden Wolf ist von seiner Zeit im Nachtleben nur der Alkohol geblieben. Und seine Tochter Agnes will weder von ihm noch von dem Püppchen aus dem 10. Stock etwas wissen. Und doch kreuzen sich ihre Wege. Sie verbindet die existenzielle Einsamkeit der Großstadt. Sie sind auf der Flucht und zugleich wie getrieben auf der Suche. Sie ahnen, dass es jemanden gibt, der ist wie sie. Und trotzen dem Leben eine Überraschung ab.
5 – Virginia von Nell Zink (erscheint am 16.04.2019, Rowohlt)
Klappentext:
Peggy Vallaincourt fühlt sich früh zu Frauen hingezogen, Lee Fleming ist der schwule Spross einer konservativen WASP-Familie. Sie besucht das Frauencollege, an dem er als Lyrikdozent lehrt, und zu beider Überraschung fangen sie etwas miteinander an. Das Ergebnis sind Heirat, ein Sohn, Byrdie, und eine Tochter, Mickie. Nach zehn Jahren ist die Ehe gescheitert an Sprachlosigkeit und den verklemmten frühen Sechzigern.
Peggy brennt durch und will beide Kinder mitnehmen, am Ende hat sie aber nur Mickie dabei, für die sie sich die Papiere eines toten schwarzen Mädchens erschwindelt. Fortan gilt die hellblonde Tochter als schwarz – falscher Ausweis genügt. Und als „Schwarze“ leben Mutter und Tochter nun unerkannt in dem kleinen Ort in Virginia, wo sie sich in einem leerstehenden Haus Nachfragen nach ihrem Verbleib entziehen. Und lernen eine ganz neue Welt kennen …
Nell Zink nimmt in dieser temporeichen dunklen Komödie scharfzüngig die fundamentalen Widersprüche in der amerikanischen Gesellschaft aufs Korn: bei Rasse, Klassenzugehörigkeit, Geschlecht und Sexualität. Etwa mit der Frage, wie leicht eine Welt gewillt ist, jemanden für schwarz zu halten – entgegen jedem äußerlichen Anschein.
Es bereitet höchstes Vergnügen, diesem Feuerwerk von einem Buch beim Abbrennen zuzusehen. Es ist aber auch bewegend, nachdenklich und skeptisch und damit unverkennbar ein Werk der janusköpfigen Nell Zink.
Warum ich es lesen möchte:
Was mich an diesem Buch besonders anspricht, ist zum einen die abgefahrene Story, die zum anderen aber auch aufzeigt, wie schnell wir in ein Schubladendenken verfallen und diese gesellschaftliche Kategorisierungen nicht nur das Denken beeinflussen, sondern womöglich auch zur Beeinträchtigung der Chancengleichheit in der Realität führt.
6 – Svenja Gräfen „Freiraum“ (erscheint am 29.03.2019, Ullstein fünf)
»Mit großer Zärtlichkeit spürt Svenja Gräfen den Gefühlen ihrer Protagonistinnen nach. In dieser Geschichte nähert sie sich über das Private dem Politischen. ›Wie wollen wir leben?‹ lautet die Frage, die diesen Text vorantreibt.« Julia Wolf. Eigentlich führen Vela und Maren eine glückliche Beziehung, sie hegen einen gemeinsamen Kinderwunsch. Aber all ihre Träume und Pläne zerbröseln zunehmend an den Anforderungen der Großstadt. Maren will ausbrechen und ein alternatives Leben führen; am Rande der Stadt, in einem Haus mit vielen anderen, ohne Mieterhöhungen und permanente Konkurrenz. Hier ist auch Theo, um den in dieser Gemeinschaft alles kreist. So wie er versuchen Vela und Maren ihren neuen Platz zwischen Hoffnung, Zukunftsangst und der Frage nach dem richtigen Leben zu finden. Svenja Gräfen zeichnet mit großem Einfühlungsvermögen und einer scharfen Beobachtungsgabe ein neuartiges Bild unserer modernen Welt.
Warum ich es lesen möchte:
Von dem Schreib- und Erzählstil in Svenja Gräfens Debüt „Das Rauschen in unseren Köpfen“ war ich bereits sehr angetan und verspreche mir daher auch von ihrem neuen Buch einen gefühlvollen, modernen Roman. Außerdem ist Landflucht aktuell wieder ein Trend geworden, um der Urbanisierung und Moderne zu entfliehen: Es gilt als Symbol, sich zurückbesinnen zu wollen und um die Natur wieder zu spüren. Das eigentlich Traditionelle soll wieder modern werden. Diesen scheinbaren Widerspruch zum Thema zu machen, ist es, was mich an dem Buch fasziniert.
Fortsetzung Teil 2 mit Sachbüchern folgt…