Wer ist diese Prokrastination? Und warum hält sie mich von der Arbeit ab?

Picknick mit Freunden als Konzentrationsschub?
Ja!
Die Kunst des Aufschiebens
Tage, an denen man nur die Aufgaben vor sich sieht, die dringend anstehen oder die Dinge vor Augen hat, die noch nicht erledigt sind, erscheinen prädestiniert, um am liebsten alles zu vergessen und es wortwörtlich hinter sich zu lassen, wegzuschieben und vor sich herzutragen. “ Ach was Freunde sollte man auf keinen Fall vernachlässigen“. „Die Sonne scheint eh gerade so schön und das Picknick auf der Wiese ruft förmlich „Hier!“. „Nach ein bisschen Entspannung bin ich bestimmt konzentrationsfähiger.“ „Heute habe ich irgendwie Lust abzuwaschen und mal mein Zimmer umzuräumen. Was ist da los?“ Ein Phänomen, gekleidet in eines der modernsten Unwörter würde ich vermuten – Prokrastination.

 
Der eine mehr und der andere weniger tendiert dazu, unbequeme Dinge aufzuschieben. Milchkaffee schmeckt besser, Lachen mit Freunden macht mehr Spaß und Abwaschen geht plötzlich viel leichter. Es sind angenehme Aktivitäten oder solche, bei denen man schneller einen kleinen Erfolg sieht, die wir gern mal vorziehen als die Studienarbeit, Steuererklärung oder Rechnungen. Prokrastinieren klingt dann gleich noch ganz positiv durch das versteckte Wort ‚pro‘ und als Fremdwort so hochtrabend, was damit noch viel aufregender ist als Aufschieben. Dabei leitet es sich aus dem Lateinischen ab und heißt schlicht ‚verschieben‘, ‚vertagen‘ mit der Vorsilbe ‚pro‘ für vorwärts und dem Wortteil ‚cras‘ stehend für ‚morgen‘.  Prokrastinieren ist fast wie eine moderne Lebenseinstellung und die Kunst des Verschiebens auf morgen. Also nutzen wir gern die Sonne als Ausrede vor uns selbst und prokrastinieren bei einem Milchkaffee auf der Wiese anstatt den Haushalt zu erledigen. Oder wir erledigen den Haushalt, um uns vor der Studienarbeit, Abgabe von Arbeitsplänen und -aufgaben oder den offenen Rechnungen auf dem Schreibtisch zu drücken. Das ist an sich auch erst einmal nicht schlimm sondern bei jedem mal die Normalität. Nur in Arbeit zu versinken, allein im Kämmerchen zu sitzen und nicht abzuschalten, fördert nicht gerade die Konzentration und kann dann auf die Dauer eher unproduktiver sein.
 
Dennoch sollte man darauf achten, dass die Menge an Ausreden nicht überhand nimmt und Ziele, die man sich steckt, letztendlich nicht mehr erreicht werden können, weil immer mehr Arbeit anliegt. Wenn der Stapel an Rechnungen immer höher wird und die Punkte auf der gedanklichen Liste im Kopf unendlich scheinen, sollte man reagieren und aktiv werden.

 

Gerade bei Studierenden wurde nach Studien deutlich, dass viele dazu neigen, wichtige Lernphasen für Prüfungen oder Hausarbeiten aufzuschieben. Das kann an der hohen Selbständigkeit, freien Zeitverfügung sowie flexiblen Arbeitseinteilung liegen oder daran, dass man bei Aufgaben mit einer hohen Komplexität und bei Abgabeterminen in weiter Ferne dazu tendiert, sie zurückzustellen. Plötzlich rückt die Abgabe aber immer näher und die Hausarbeit oder der Lernstoff stellen sich als aufwendiger heraus als eingeplant, sodass man die Deadline nicht mehr einhalten kann. Dieses chronische Prokrastinationsverhalten führt auch in einigen Fällen zum Studienabbruch.
Aber ganz allgemein führen eine falsche Prioritätensetzung oder Planung bei vielen Menschen zum prokrastiven Verhalten. Es kann in einigen Fällen auch tiefer greifende Ursachen haben, wie private Probleme, Versagensängste oder aber der Wunsch nach Perfektion und Genauigkeit.


Das Genie beherrscht das Chaos
oder sollte ich doch ein
wenig mehr planen?

Wie also das chronische Aufschieben angehen? Erst einmal sollte man sich kleine Ziele setzen und in kleinen Schritten denken. Das Aufschieben anzugehen und diesen Gedanken nicht wieder weg zu schieben, ist der erste gute Anfang. Helfen kann eine feste Tagesstruktur, indem man sich an geregelte Zeiten hält. Dann klingelt der Wecker ab sofort jeden Morgen zu einer bestimmten Zeit (natürlich nicht zu spät), egal wann der erste offizielle Termin oder ein Seminar anstehen. Es sollten kleinere zwei bis drei Ziele für den Tag gesetzt und auch ein fixes Arbeit – Freizeitverhältnis festgesteckt werden. Wann mache ich Feierabend und genieße meine Freizeit?
Man sollte also bewusst Kaffeepausen, Ausflüge und Dinge einplanen, die einem Spaß machen – sei es der sportliche Ausgleich, ein Städtetrip, ein gutes Buch oder ein Abend mit guten Freunden. Denn eigene Belohnungen und Erholungsphasen sind wichtig für das persönliche Wohlbefinden. Manchmal können hinter Prokrastination auch depressive Verstimmungen und grundlegende Selbstzweifel stecken. Hier sollte man sich eingestehen und zulassen können, dass sich professionelle Hilfe zu holen nichts verwerfliches ist.

Aber auch bei der unbedenklichen alltäglich Prokrastination, die wir ab und zu gern mal in unser Leben lassen, sollten wir nie vergessen, dass es selten den richtigen Moment gibt mit einer aufgeschobenen Aufgabe, einem Vorsatz oder einem Plan zu beginnen, sondern wir sollten einfach loslegen und positiv denken. Eine schriftliche To do Liste, die der im Kopf eine Stütze bietet oder ein Zeitplan, der bereits doppelt so viel eingeplante Dauer für eine anstehende Aufgabe bis hin zum Abgabetermin berücksichtigt, sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir können eben nicht immer arbeiten, aber auch nicht immer Freizeit haben, sondern sollten für eine bewusste Work-Life Balance sorgen. Facebook muss man auch nicht unbedingt gleich komplett vermeiden, aber vielleicht sollte man es mehr als ein Kommunikationsmittel als eine Freizeitbeschäftigung nutzen. Am Ende eines Tages die erledigte Arbeit zu sehen ist genauso Balsam für die Seele wie das Lachen mit Freunden oder das leckere Picknick auf der Wiese.

Verwendete Quellen und weiterführende Links
Angaben zu Studien über Prokrastination
Die Welt – Artikel, Prokrastination bei Studenten
Zeit – Artikel, 10 Tipps gegen Prokrastination anzugehen
Die Welt – Artikel, Hilfe bei Chronischer Prokrastination

6 Gedanken zu “Wer ist diese Prokrastination? Und warum hält sie mich von der Arbeit ab?”

  1. Luise, du sprichst mir aus der Seele! Wie oft waren in der Hausarbeitenzeit meine Fenster sauber – dafür stand aber kein einziges Wort auf dem Papier.
    Und endlich habe ich auch noch ein Wort, das vor anderen als pure Rechtfertigung durchgehen kann 😉
    Lg, Josi

  2. Ich freue mich, dir damit geholfen zu haben ( 😉 ) und außerdem in dir scheinbar eine treue begeisterte Leserin gefunden zu haben. Lass uns doch mal wieder zusammen auf einen Kaffee prokrastinieren ;-)?

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