Zeit für herbstliche Lesungs-Events: Monatsblatt September 2025

Der September, ein Monat des Übergangs mit unbeständigeren, regnerischen Tagen, Wind und klarer Herbstluft: Wir verabschiedeten uns so langsam vom Draußensein. Wir blieben trotzdem nicht still, im Gegenteil: Nur waren wir mehr in gemütlicher Atmosphäre drinnen unterwegs, von Kino, über Engagement als Wahlhelferin bis hinzu inspirierenden Lesungen. Der September markiert den Start der Lesungs-Events, wie der lit.Cologne Spezial in Köln oder Harbour Front in Hamburg, die wir jeweils besucht haben.

Luise hat zum einem im Vorab-Screen den neuen Kinofilm 22 Bahnen, auf Grundlage des Buches von Caroline Wahl schauen können und hat euch davon hier berichtet bzw. die Umsetzung mit dem Buch ab-und verglichen. Ihr hat der Film, der seit 6. September in den Kinos läuft, in jedem Fall sehr gut gefallen.

Zum anderen wollte Luise einen Eindruck vom neuen Buch von Caroline Wahl: Die Assistentin gewinnen, und hat live den Zeilen und Worten der Autorin bei der Lesung auf der lit.Cologne Spezial gelauscht, und viel gelacht. Die Rezension folgt, sobald sie das Buch beendet hat.

Etwas ernster und dennoch bei einem leichten Abend war Aline bei Thomas Melles Lesung zu Haus zur Sonne beim Harbour Front und leitet damit die Buchpreis-Saison ein:

Deutscher Buchpreis 2025

20 Titel sind für den Deutschen Buchpreis nominiert, aus diesen hat die Jury sechs Titel ausgewählt und eine Shortlist zusammengestellt. In diesem Jahr haben wir einige Titel davon gelesen und werden u.a. in der nächsten Podcastfolge über den Preis und Alines heißen Favoriten für den Gewinnerroman sprechen. Bis dahin hier schon einmal ein paar erste Empfehlungen:

Das Debüt von Fiona Sironic Samstags gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft hat Luise bereits im letzten Monatsblatt vorgestellt, hier geht es noch mal zur Rezension. Der Roman steht nun ebenfalls auf der Shortlist.

Thomas Melle: Haus zur Sonne (Shortlist)

erschienen im Kiwi Verlag, August 2025, gelesen von Aline*
Der Ich-Erzähler wacht gefühlt aus einem jahrelangen andauernden (Alb-) Traum auf. Nach einer manischen Phase, folgte eine depressive. Jetzt steht er vor den Scherben der letzten Jahre. Freunde haben sich abgewendet, Geld ist verloren und die Wohnung in einem schlechten Zustand. Auf dem Arbeitsamt entdeckt er einen Flyer vom Haus zur Sonne, welches damit wirbt, die letzten Wünsche zu erfüllen, bevor, nach 6 bis 8 Wochen, der Tod wartet. Die Klinik ist vom Staat finanziert, psychisch erkrankte sowie todkranke Personen ziehen ein, ebenso wie unser Ich-Erzähler, der sich vor allem Ruhe vor dem Tod wünscht. Nach morgendlichen Wellnessbehandlungen warten die Simulationen auf ihn, welche ihn, einen von viele letzten Wünschen erfüllen sollen. Thomas Melle bedient in seinem für den Deutschen Buchpreis nominierten Buch gleich drei Thematiken: Der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen in der Gesellschaft, selbstbestimmtes Sterben und die Frage, was Glück eigentlich ist. Keine kleinen Themen, denkt man sich, doch Melle verwebt all dies eindringlich, manchmal lakonisch und humorvoll in die autofiktinale Erzählung. Selbst an einer bipolaren Störung erkrankt, ermöglicht dies im, ein scheinbar authentisches Bild eben dieser Erkrankung und seiner Folgen abzubilden, seien es die manische Phasen als auch die folgenden depressiven. Dies macht den Roman unheimlich realitätsnah, obwohl er Fiktion ist und dystopisch anmutet.

Kathrin Bach : Lebensversicherung (Longlist)

erschienen bei Voland & Quist, Februar 2025, gelesen von Aline

S.7: Ich bin vierunddreißig Jahre alt und habe Angst.
Ich bin sechsunddreißig Jahre alt und habe nach der Lektüre von Lebensversicherung das Gefühl, zu wenig Versicherungen zu haben. Im ersten Kapitel wäre da die Wohngebäudeversicherung – gut, ich besitze keine Immobilie, wer kann sich das in einer Großstadt wie Hamburg auch leisten, aber falls sich der Lottogewinn einstellt, möchte ich vor finanziellen Ruin geschützt sein. In Kapitel drei stoße ich auf die Krankenversicherung, zum Glück, hier kann ich einen Haken setzten. Kapitel vier, meine Achillesverse, die fehlende Berufsunfähigkeitsversicherung, aber immerhin, die Haftpflichtversicherung ist vorhanden. Sich mit sechsunddreißig mit dem Tod auseinandersetzten, ist schwierig, aber zu wissen, dass es eine Sterbegeldversicherung (Kapitel sechs) gibt, beruhigt und einen Roman wie Lebensversicherung gelesen zu haben, auch. Kathrin Bach hat in ihrem Debüt nämlich nicht nur die Geschichte einer Familie aus der hessischen Provinz aufgeschrieben, sondern erzählt diese aus der Sicht der Ich-Erzählerin in Versicherungen. Seine fragmentarische Form wechselt von Prosa zu Listenform und erhält dabei eine lakonisch humorvollen Ton aufrecht. Blickt man eine Ebene tiefer, dann erzählt die tragikomische Familiengeschichte von einer tiefen Sehnsucht nach Sicherheit aber auch von dem Sichbefreien und Loslösen von Ängsten. Am Ende setzt sich Kathrin Bachs Roman wie ein Puzzle von Kapitel zu Kapitel zusammen und seziert die Ängste und Sehnsüchte der Deutschen in ihrem ganz eigenen Kosmos. Dabei begeistert nicht nur der Inhalt sondern auch die Form, in der Lebensversicherung geschrieben wurde. (Aline)

Am 13. Oktober drücken wir bei der Preisverleihung im Frankfurter Römer, zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse, natürlich allen Autoren und Autorinnen die Daumen.


Podcast

In unserer aktuellen Folge, schwelgen wir nochmal in Urlaubslektüre-Erinnerungen. Denn hier sprechen wir über zwei Bücher, die wir jeweils im Urlaub gelesen haben und nun lüften wollen, welche es sind:

Aline stellt im Speed Date als Buchtipp einen True-Crime-Roman vor, in dessen Handlungsmittelpunkt drei Frauenfiguren und ein Serienmörder liegen. Der Serienmörder wird weder beim beim Namen genannt noch glorifiziert, das gefällt. Jessica Knoll: Bright Young Woman* (Ü: Jasmin Humburg)

Luise bringt im Blind Date das Buch mit folgendem ersten Satz mit: Wir treiben uns Stahlplatten in die Schultergelenke. Es ist ein Coming-Of-Age Roman über Freundschaft zweier Mädchen, weibliche Wut und das Erwachsenwerden. Ein Debütroman mit einer besonderen Sprache und doch wurde Luise leider nicht gänzlich warm damit: Mascha Unterlehberg: Wenn wir lächeln*. Warum? Das erfahrt ihr, wenn ihr mal reinhört!

Außerdem in der Folge: Impulse für spannende Lesungs-Events im Herbst.
(🤫 Folgt ihr uns schon? Dann verpasst ihr keine Folge mehr!)


Weitere Bücher – Kurz zusammengefasst

Zwischen Glanz und Erschöpfung pendelt der Roman Top Girls*, denn Ana Drezga erzählt von der Sehnsucht einer Generation nach Anerkennung und Sinnsuche, aber auch von der ständigen Müdigkeit, die das Künstler- und Großstadtleben mit sich bringt. Liv lebt in Wien und ist Tänzerin am Theater, ein Beruf der sie mit Leidenschaft erfüllt, aber auch fordert. Der Roman ist nach Aline experimentell, dicht und voller Poesie.

Vorwiegend Festkochend* ist, für welche Lara M. Gahlow 2024 den Hamburger Literaturpreis erhielt, voll von vielen guten und klugen Gedanken rund um das Thema Pflege, Einsamkeit und Freundschaft. Sie geht aber für Aline auch etwas schnell zu Ende. Minna ist 92 Jahre alt und zählt die Worte, die sie mit den ständig wechselnden Pflegekräften wechselt, über 100 kommt sie selten. Bis Moni vor ihrer Tür steht, und die richtige Frage stellt: Die mehligen oder festkochenden Kartoffeln?

Off Topic: Ihr wolltet euch schon immer mal ehrenamtlich engagieren, aber wisst nicht wie oder wann? Dann empfiehlt Luise euch, sich als Wahlhelfende in eurer Stadt oder Kreis zu melden. Sie hat es diesmal das erste Mal in Köln bei der Kommunalwahl gewagt: Es waren zwar jeweils sehr lange Tage (mit Pausen) bei der Kommunalwahl und den Stichvoting zur Oberbürgermeister:innenwahl zwei Wochen später. Und die Aufwandsentschädigung ist eher ein symbolisches „Erfrischungsgeld“. Doch Luises Motivation ist eben eine andere und sie würde es wieder tun. Es fühlte sich gut an, einen kleinen Beitrag für die Demokratie und die Stadt zu leisten!

Ob unterwegs für ein Ehrenamt, im Kino, auf Lesungen oder im Sessel mit einem guten Buch in der Hand – wir wünschen euch ein paar schöne Herbststunden!

*Rezensions-/Leseexemplare

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