2025 – insbesondere am 6. Juni – feiern wir ein besonderes Jubiläum: den 150. Geburtstag von Thomas Mann (sowie den 65. Todestag am 12. August). Zweifellos gilt der Literaturnobelpreisträger (ausgezeichnet 1929 für die Buddenbrooks) als einer der bedeutendsten, deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.
Manche mögen bei Thomas Mann sofort an die Wucht seiner großen Romane denken, zumindest auch betreffend der Seitenzahl – eben an die Buddenbrooks oder den Zauberberg, sicher die bekanntesten Werke des Autors. Doch wie unser heutiger Überblick zeigen soll, gibt es zahlreiche Zugänge, die es erlauben, sich Thomas Manns Werk zu nähern, im ganz eigenen Tempo.

Kommt mit auf unsere Reise durch Manns literarische Welt mit Luises Buchempfehlungen.
Mario und der Zauberer von Thomas Mann – Ein Reread
in der Schmuckausgabe von 2023 des S.Fischer Verlages (erstmals 1930 erschienen)
Bereits in der Schule hat mich diese Novelle fasziniert und ist damit einer der wenigen Bücher, die mich aus der Schulzeit nachhaltig geprägt haben. Entsprechend habe ich mir passend zum Jubiläum eine wunderschöne Sonderausgabe gegönnt, wollte die Lektüre ein weiteres Mal lesen, um herauszufinden, ob sie mich wieder beeindruckt.
Manns Sprachgewalt und die subtile Auseinandersetzung mit Macht und Manipulation sind und bleiben in jedem Fall zeitlos. Erneut hat mich das Buch beeindruckt, aufgrund der verschiedenen politischen und philosophischen Facetten und mit spannenden Themen und Fragen, die aufgemacht werden: So kann es einerseits als Parabel über den Sog von Führungsfiguren bzw. gar die eines Führers in der damaligen aufkeimenden Zeit des Faschismus gelesen werden. Über Figuren, die schillernd und gleichermaßen gefährlich seien. Oder aber als Novelle über die tiefgründige Frage der Philosophie nach dem freien Willen danach, ob wir ihn besitzen, ihn nutzen wollen oder ob es bequemer ist, sich lenken zu lassen? Was spielerisch und harmlos mit der Figur des Zauberers beginnt, entblößt manipulative Machtstrukturen und zeigt auf, wie schnell es zu Machtmissbrauch und Diktatur kommen kann. Eine Geschichte, die wohl aktueller nicht sein könnte, gerade in Zeiten, in denen Populismus wieder an Bedeutung gewinnt.


Sachbücher, Mann im Fokus:
Wer sich noch tiefer mit der Persönlichkeit und den Lebensumständen Thomas Manns auseinandersetzen möchte, findet in den folgenden Sachbüchern eine wunderbare Ergänzung.
Martin Mittelmeier: Heimweh im Paradies. Thomas Mann in Kalifornien
erschienen im DuMont-Buchverlag, März 2025 *Leseexemplar
Heimweh im Paradies liest sich wie eine lebendige Reportage über Thomas Manns amerikanisches Exil. Der Autor Martin Mittelmeier zeichnet ein detailreiches Bild.
Trotz des scheinbaren Paradieses Kaliforniens, ließ Mann die politische Lage in Europa und die Machenschaften des Nazi-Regimes nie aus den Augen und brachte sich auch aus dem Exil heraus mit Vorträgen und Hörfunkreden immer wieder politisch. Das Buch erzählt von prägenden Begegnungen Manns mit anderen Exilkünstlern, die gemeinsam feierten, stritten und sich die Köpfe heiß redeten über die Zukunft eines demokratischen Deutschlands, wie Bertolt Brecht oder dem damals noch unbekannten Theodor W. Adorno, dessen philosophische Texte die Nachkriegszeit entscheidend prägen sollten.
Thomas Mann als König der Emigranten – bewundert, beneidet und zugleich regelmäßig Kritik ausgesetzt.
Mittelmeier gelingt es, sehr erzählerisch die schillernde Person Thomas Mann authentisch näherzubringen, ein gewissenhafter, zielstrebiger Autor, der Ironisierung als modernes Stilmittel nutzte, um die widersprüchlichen Handlungen seiner Protagonisten zu entlarven – eine Technik, die wir bereits in Mario und der Zauberer in der Faszination für den Zauberer und gleichzeitig dessen eigene Machtgier beobachten konnten. Mittelmeier selbst versteht es, mit ironischen Einschüben zu unterhalten, Thomas Mann in seiner Bürgerlichkeit zu durchschauen. Eine dichte, detailreiche Erzählung, die Mann gleichermaßen gebührend würdigt und Leser*innen mit einer umfassenden Darstellung der privaten und öffentlichen Person des Schriftstellers zurücklässt.
Graphic Novel – Thomas Mann 1949. Rückkehr in eine fremde Heimat
erschienen im Knesebeck-Verlag, Februar 2025
Eine spielerische Annäherung Thomas Manns bietet wohl die Graphic Novel Thomas Mann 1949. Rückkehr in eine fremde Heimat. Sie konzentriert sich auf das Jahr 1949, als Thomas Mann nach Jahren des Exils erstmals wieder deutschen Boden betrat. Anlass dieser Reise war die Verleihung des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt am Main, anlässlich des 200. Geburtstags Johann Wolfgang von Goethe. Diese Reise konfrontiert ihn mit seiner schicksalshaften Vergangenheit, lässt aber auch die Hoffnung aufkeimen, dass seine alte Heimat noch nicht verloren ist.
Die stimmungsvollen Illustrationen lösen Emotionen aus, etwa wenn Thomas Manns Sohn Klaus das Familienhaus besichtigt und sich an seine wohlbehütete Kindheit erinnert. Die Graphic Novel zeigt den Bruch der Familie Mann mit der alten Zeit, aber auch ihre Bereitschaft, dem Land eine zweite Chance zu geben. Man verschlingt dieses Buch in einem Zug! Es eignet sich hervorragend, um jüngere Leser*innen mit klassischen Literaten vertraut zu machen oder ein dunkles Kapitel unserer Geschichte und die der Nachkriegszeit auf anschauliche Weise zu vermitteln.
Tipps von Aline zum Weiterlesen:
In Unda Hörners Buch Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann tauchen wir in das Leben von Erika Mann, einer der Töchter von Thomas Mann, ein. Ausgehend von dem Selbstmord ihres geliebten und ihr sehr nahestehenden Bruders Klaus Mann, erzählt Unda Hörner in Rückblenden vom Leben der Geschwister und ihrer engen Beziehung.
Ob der Autor Colm Tolbin dem Zauberer Thomas Mann gerecht wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich kann sagen, dass mich der Roman Der Zauberer über das Leben und Wirken der Familie Mann, im historischen Kontext Deutschlands und der Welt 1890-1950, begeistert hat. Der Fokus lag nicht nur auf dem Literaten Thomas Mann, sondern auch auf seiner Frau Katia und seinem Bruder Heinrich, der wie er Autor war.
Unsere Buchempfehlungen können eine Einladung sein, Thomas Mann als Person sowie sein Werk neu zu entdecken und wie wir zu erkennen, wie überraschend zeitlos bzw. wie relevant seine Thesen und thematischen Ansätze bis heute bleiben: ein Autor, der zum Nachdenken anregt und uns helfen kann, die komplexen Facetten unserer (aktuellen) Gesellschaft besser zu verstehen.
Schaut also gerne bei eurer Buchhandlung des Vertrauens vorbei, ganz sicher haben sie Bücher von und über Thomas Mann parat, ganz bestimmt vor allem diese Woche!