Frauenpower und andere Erwartungen: Frauen ab 30 Jahren, ein Couchgeflüster

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Frauen halten zusammen. Frauen solidarisieren sich, nicht nur unter Freundinnen sondern auch unter fremden Frauen. So sollte es zumindest sein. Jede Frau ist einzigartig und steht an unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben und hat andere Träume, Wünsche und Bedürfnisse als ihre beste Freundin. Gleichzeitig unterliegen Frauen scheinbar noch immer bestimmten Erwartungen. Früher sind Frauen häufig, sobald sie geheiratet haben, zu Hause geblieben. Deshalb musste Frau sich entscheiden: Kinder oder Karriere? Heute ist die Gesellschaft toleranter geworden und trotzdem gibt es irgendwann diesen Zeitpunkt, mit 30, an denen Frauen an einem Wendepunkt zu stehen scheinen, an dem sie sich entscheiden müssen: Will ich Kinder, will ich eine Karrierefrau werden oder beides unter einen Hut bekommen? Oder weder noch? Welchen Erwartungen muss und möchte ich erfüllen? Muss ich mir darum eigentlich Gedanken machen? Denn noch immer gibt es Schubladendenken: „Was, du willst wirklich kein Kind? Dabei geben sie doch soviel zurück“. „Was, du gibst deine Führungsposition für die Familie auf? Wie unemanzipiert!“.

Femal Empowerment ist das geflügelte Wort dieser Tage und bedeutet „die Stärkung von Selbstbestimmung, Eigenmacht und Unabhängigkeit“ (Women.at) unter uns Frauen. Dieser Schönheit und Einzigartigkeit der Frauen und ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen, insbesondere ab 30 Jahren, wollen wir mit diesem Beitrag widmen. Wir stellen Büchern vor, die unterschiedliche Lebensentwürfe von Frauen thematisieren, Herausforderungen aufzeigen, mit Geschlechterrollen aufräumen und dabei die volle Vielfalt der Weiblichkeit feiern sowie versuchen mit Erwartungen zu brechen.

Eine kleine Auswahl an großen Romanen, die in diesem Beitrag besprochen werden

„Spitzenreiterinnen“ von Jovana Reisinger

Verbrecher Verlag von Aline

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Jovana Reisinger „Es ist wichtig, dass man sich nicht von anderen Frauen bedroht fühlt, sondern auch innerhalb der Generationen zusammenhält“. Und darum geht es in ihrem Buch „Spitzenreiterinnen“: Um neun Frauen aus unterschiedlichsten Generationen, alle ungefähr um die 30 aufwärts. Alle Protagonistinnen tragen Namen die von Frauenmagazinen inspiriert sind, zum Beispiel Laura, Jolie, Verena, Tina,… und für unterschiedliche Lebensentwürfe stehen. Da ist Laura die ihrer Hochzeit entgegen fiebert. Jolie die ihren Job verliert, aber ein neues Leben gewinnt. Verena, die eine Luxusvilla erbt und dort ihr Glück findet und Tina, die beschließt ihren gewalttätigen Mann zu verlassen. Nur um vier der großartigen Protagonistinnen vorzustellen die Jovana Reisinger in ihrem Roman eine Stimme gibt und aufzeigt, welchen Stereotypen, Rollenzwängen und auch Gewalt Frauen in unserer Gesellschaft unterworfen sind. An fünf Tagen begleiten der Leser die Protagonistinnen in ihrem Leben, weint und lacht mit ihnen und staunt manchmal fassungslos vor der Ungerechtigkeit, die sie erfahren. Humorvolle Sätze jagen Übertreibungen, sind dabei böse und wütend ohne verletzen zu wollen, sondern zeigen stattdessen strukturelle Probleme auf. Klar ist mir dabei, dass Jovana Reisinger die Erlebnisse ihrer Protagonistinnen sich wohl nicht ausdenken, sondern nur in ihrem eigenen Umkreis umhören musste, um Inspiration für die Geschichten zu erhalten. Unbedingte Leseempfehlung.

„Spitzenreiterinnen“ von Jovana Reisinger, im Verbrecher Verlag erschienen

„Was wir wollen“ von Meg Mason

Ecco Verlag von Luise

»Wenn man eine Frau über dreißig ist, die einen Ehemann, aber keine Kinder hat, dann wollen andere verheiratete Paare auf Partys erfahren, weshalb. Sie stimmen überein, Kinder zu bekommen sei das Beste, was sie jemals getan hätten. […] Anfangs erzählte ich Fremden, ich könne keine Kinder bekommen, weil ich dachte, es würde sie davon abhalten, nach ihrer ursprünglichen Frage fortzufahren. Aber es ist besser zu sagen, dass man keine will. Dann wissen sie direkt Bescheid, dass etwas mit einem nicht stimmt, aber zumindest nicht in medizinischer Hinsicht. Dann kann der Ehemann sagen: ›Oh, na gut, wie schön für dich, du konzentrierst dich also auf deine Karriere‹, auch wenn es bis zu diesem Zeitpunkt nur wenig Hinweise auf eine Karriere gegeben hat, auf die ich mich konzentrieren könnte. Die Ehefrau sagt nichts und sieht sich bereits nach einer anderen Gesprächspartnerin um.«

Martha weiß schon lange, dass sie keine Kinder in die Welt setzen möchte. Ihr langjähriger Freund und Ehemann Patrick akzeptiert diese Entscheidung, einfach weil er Martha liebt und das seit er vierzehn ist. Doch an ihrem 40. Geburtstag eskaliert alles, Patrick verlässt sie und ihr gemeinsames, wohlsituiertes Leben in Oxford. Martha stürzt in eine Krise – eine Krise, die sie schon häufiger erlebt hat. Seit sie Jugendliche ist, verfolgen Martha regelmäßig depressive Schübe. Ganz plötzlich. Ohne Vorankündigung. Dann würde sie sich am liebsten nur verkriechen, unter einem Schreibtisch, im Bett oder nach Gegenständen werfen. Manchmal fragt sie sich, ob das nicht sogar Teil ihres Charakters ist. Alle fragen sich das, auch Patrick: „Vielleicht solltest du wirklich keine Mutter werden“. „Was wir wollen“ ist verstörend, zum Teil auch etwas vor sich hinplätschernd, als dass es ein Rückblende von mehreren hundert Seiten gibt. Marthas Werdegang, ihre depressiven Schübe und wie sie Patrick kennengelernt hat, werden detailliert beschrieben, alles im Präteritum. Aber gerade zum Schluss führen die Fäden zusammen und es wird aufgezeigt, welche Erwartungen an Frauen geknüpft sind. Sie sollen Mutter werden wollen, aber gleichzeitig gute Mütter, die ihr Leben im Griff haben. Entweder über- oder unterkompensieren sie. Martha möchte nicht wie ihre alkoholkranke Mutter versagen und hat Angst wegen ihrer Depressionen keine gute Mutter sein zu können. Ihre Schwester hingegen bekommt gleich mehrere Kinder und versucht den Erwartungen einer Mutter mehr als gerecht zu werden. Und wer ist nun glücklicher?

„Was wir wollen“ von Meg Mason, welches im Ecco Verlag erschienen ist.

Trennungsroman von Anna Brüggemann

Ullstein Verlag von Luise

Liebesromane gibt es zu Genüge, in jeglichen Facetten: Romane über die Kennenlernphase, über Schmetterlinge im Bauch, vielleicht auch noch über die erste kleine Krise, die man als Pärchen hat, jedoch noch locker meistern kann. Trennungen finden, wenn, eher am Rande statt. Aber ein ganzer Roman über 400 Seiten über eine endende Beziehung, vom Anfang bis zum Schluss, darüber hinaus mit all dem Schmerz, Leid und Eifersucht, die Trennung mit sich bringen? Das fand ich einen neuen, wenn auch ambitionierten Ansatz: Darauf war ich sehr gespannt, wie die Autorin, Anna Brüggemann – eher bekannt als Drehbuchautorin – es umsetzen wird. Das Buch heißt ohne Umschweife: „Ein Trennungsroman“. Die Kapitel des Romans geben an, wie viele Tage es noch bis zur Trennung dauern wird. Von Beginn an ist also klar, worauf es hinauslaufen wird. Viel entscheidender ist daher der Stil des Romans, die Art und Weise wie die Autorin zum Höhepunkt, der Trennung, gelangt und wie sie die Charakter beschreiben und zueinander in Beziehung setzen wird. Wie authentisch und erlebbar sie Emotionen, Ängste und Gedanken beschreibt:

Eva ist Anfang Dreißig, Postdoktorandin am Deutsch-Historischen Museum in Berlin und hat damit einen der begehrtesten und hart umkämpftesten Arbeitsplätze der Kulturbranche ergattert. Nachdem sie nach einen zweijährigen Forschungsaufenthalt aus Paris zurückkehrt, möchte sie mit ihrem langjährigen Freund Thomas den nächsten Schritt wagen. Aus einer Übersprungshandlung heraus erwähnt sie es direkt am ersten Abend, als sie wieder zu Hause ist: sie würde gerne die Pille absetzen. Thomas ist angehender Arzt, befindet sich gerade in einer Sinnkrise, „Quarterlife-Crises“ sozusagen. Klar wusste er, dass sie nach Evas Auslandsaufenthalt über ihre Zukunft, über Kinder nachdenken wollten: Aber so schnell, und unvermittelt? Er ist doch gerade vielmehr mit der Frage beschäftigt, ob das noch so der richtige Beruf, das richtige Leben, ist.

Anfangs störte ich mich noch etwas an dem Schreibstil der Autorin: Sie erklärt fast etwas zu viel, benennt das klar erkennbare. Wie ein Drehbuch, als würde jemand anschließend die Szene nachspielen können müssen. Doch vor allem gelingt ihr es, die Protagonisten authentisch zu zeichnen. Trotz mancher Spleens hat man Verständnis für die Gefühle, Gedanken und Probleme von Thomas und Eva, man fühlt bei jeder Phase ihrer Trennung mit. Schon lange nicht mehr war ich so gefesselt von einer Geschichte, obwohl ihr Ausgang doch so klar schien. Ich machte ein ganzes Wochenende lang eine Trennung durch mit allen ihren Höhen und Tiefen, mit allen ihren Gefühlswellen von Wut, Angst, Trauer bis hinzu Mitleid und Euphorie, auf das was noch kommen wird. Ein Glück ist ein Wochenende nicht lang für eine Trennung. Und das mag daran liegen, dass ich den Roman nach anfänglicher Skepsis verschlungen habe. Zudem hält er neben den vielen emotionalen, auch sehr unterhaltsame Momente bereit: [Eva] „Ich habe mal in einem Interview gelesen, zum Scheitern einer Beziehung gehören immer zwei. [Beste Freundin Desi, Psychologin] Was? Ach, was für ein Blödsinn. Psychologen, die Interviews geben, sollte man nie trauen. Wenn du es nämlich so betrachtest, sind es mindestens drei. Die jeweiligen Partner und die äußeren Umstände. […] Dann musst du außerdem noch die Prägung durch die Eltern mit einberechnen, zum Scheitern einer Beziehung gehören also mindestens sieben.“ Ich würde den Roman sogar als meine bis dato liebste Neuerscheinung in diesem Jahr bezeichnen.

In dem „Trennungsroman“ von Anna Brüggemann begleitet der Leser die Protagonist:innen bei ihrer Trennung, von Anfang bis zum Schluss.

Weitere Empfehlungen zum Thema:

Als nächstes auf der Leseliste von Luise steht noch „Nie, nie, nie“ von Linn Strømsborg, ein Roman, der auch in diversen Timelines auf Bookstagram zu finden ist. Eine Pressestimme dazu: »Warum beschäftigt es Menschen so sehr, wenn ein anderer die Entscheidung trifft, keine Kinder zu bekommen? ›Nie, nie, nie‹ zeigt auf, dass es ganz unterschiedliche Wege gibt, ein erfülltes Leben zu leben, auch wenn man sich nicht reproduziert.« DAGSAVISEN Hier wird noch eine Besprechung folgen, alternativ möchten wir daher auf folgende Rezensionen verweisen: Zum einen hat der Papierstaupodcast es in einer seiner letzten Folgen besprochen, zum anderen gefiel Luise die Besprechung von Frau Tyll auf Instagram durch eine sehr persönliche Note, da Jule mit anbringt, weshalb sie die Gefühle und Handlungen der Protagonistin so gut nachempfinden konnte. Zum Buch auf der Verlagsseite

Außerdem erschien letztes Jahr „War’s das jetzt?“ von Holly Bourne, welches von Sheer Luxe als »Bridget Jones für Millennials.« bezeichnet wird. Aline plant, es noch als Hörbuch zu hören. Die Protagonistin ist Influenzerin und propagiert ein scheinbar perfektes Leben, eine perfekte Beziehung. Sie steht vielen anderen Frauen mit Rat und Tat zur Seite. Doch so perfekt ist das natürlich alles gar nicht: „Ihre innere Stimme sagt, dass man auch mit über dreißig das Recht hat, nicht perfekt, aber glücklich zu sein. Aber ist Tori mutig genug, auf sie zu hören?“ Hier möchten wir gerne auf den Blog fuxbooks verweisen. Anna war dazu Botschafterin des dtv-Imprints Bolt und hat viele Male über das Buch auf ihrem Instagramkanal berichtet, es gibt auch ein Highlight zu den Storys dazu. Zum Buch auf der Verlagsseite

Und zu guter Letzt möchte Luise noch „Wachstumsschmerz“ von Sarah Kuttner empfehlen, welches sie vor vielen Jahren gelesen hat. Hier ist die Protagonistin und Namensvetterin um die 30 und mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert wie die anderen vorgestellten Protagonist:innen. Es geht zwar weniger um einen Kindheitswunsch als mehr um das eigene Erwachsenwerden, dass doch angeblich in dem Alter abgeschlossen sein sollte. Sarah Kuttner beschreibt unterhaltsam und mit Leichtigkeit, welche Erwartungen an das Leben mit „thirty something“ geknüpft sind, wie eine funktionierende Beziehung, ein erfüllter Job oder endlich mal mit sich im Reinen sein zu müssen. Erwartungen, mit denen sicher nicht nur Frauen zu kämpfen haben. Zum Buch auf der Verlagsseite

Fazit

Aktuell thematisieren viele Neuerscheinungen diverser Verlage das Thema, was lange kaum in der Öffentlichkeit präsent war: Welche Erwartungen an Frauen mit 30-40 Jahren geknüpft sind. Diese Bücher legen den Finger in die Wunde, zeigen aber auch, dass es manchmal gar nicht so leicht ist, als Frau den einen für sich richtigen Weg zu finden. Vielmehr sollten alle Lebenskonzepte Anwendung finden können und sicher darf auch jede Frau im Laufe ihres Lebens Entscheidungen revidieren und Lebenskonzepte ändern dürfen. Das ist jedenfalls unsere Meinung und deshalb möchten wir euch alle Bücher sehr ans Herz legen! Habt ihr noch weitere Empfehlungen zum Thema, vielleicht auch Bücher, die euch aus der Seele sprechen, weil ihr an ähnliche gesellschaftliche Erwartungen stößt?

Und zum Schluss noch ein kleiner Teaser: Bald folgt noch ein passender Gastbeitrag dazu!

Vielen Dank an die Verlage für die Zurverfügungstellung der Rezensionsexemplare. Dies hat unsere Beurteilung zu dem Buch nicht beeinflusst.

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