Drei macht noch keine Trilogie: Rezension und Autorinnenportrait von Simone Meier

Selten lese ich mehrere Bücher einer Autorin, doch Simone Meier hat es mir angetan. Sie hat in dem unabhängigen Verlag Kein & Aber aus der Schweiz drei Bücher veröffentlicht, die nicht nur durch ihre Namen, sondern auch durch ihre kreativ gestalteten Cover auffallen (ein Merkmal des Verlags im Übrigen). „Fleisch„, „Kuss“ und „Reiz“ sind in dem Verlag im Abstand von jeweils zwei Jahren erschienen. „Kuss“ habe ich auf Instagram schon einmal rezensiert und war das erste Buch, welches ich von ihr gelesen habe. Dem sollte „Fleisch“ folgen und auch an „Reiz„, dem neusten Werk, komme ich nicht vorbei. Es sind die besprochenen Themen der Bücher, die so nahe beieinander liegen, dass ich nicht unlängst komme die Behauptung aufzustellen, dass es sich bei den drei Büchern um eine Trilogie handelt. Vielleicht auch eine lose, ohne aufeinander aufzubauende Reihe. Eines steht doch in jedem Fall fest: Mit allen drei Büchern wandelt die Autorin auf einer harten Grenze zwischen Klischees, Stereotypen und fegt sie mit einer teils sehr vulgären, stark sexuellen Sprache vom Tisch. Dabei nutzt sie die Themen Älterwerden, Liebe, Arbeit und Lebenssinn in allen drei ihrer Bücher, die zum Teil in der Stadt und zum Teil auf dem Land spielen.

„Fleisch“ (EJ: 2017)

Der Inhalt ähnelt seinem Nachfolger „Kuss“ ungemein und unklar ist, wer von wem inspiriert wurde beziehungsweise welche Geschichte zuerst da war. Aber ehrlicherweise spielt das keine Rolle. Anna und Max, die beiden Protagonist:innen, sind in ihren 40ern und ein Paar, dass nicht mehr so ganz weiß, warum es eigentlich zusammen ist. Kennengelernt haben sich die beiden auf einem Klassentreffen, denn wirklich kennen sie sich bereits seit der Schulzeit. Max ist in der Zwischenzeit selbst Lehrer an einer Schule im Dorf, Anna ist in der Kulturförderung in der benachbarten Stadt tätig und hat eine große Leidenschaft für Essen, insbesondere Fleisch. Nachdem Anna beschließt, dass sie nicht mehr mit Max zusammen sein kann, verliebt sie sich in die deutlich jüngere Lilly. Max hingegen beginnt eine Affäre mit Sue, der Mitbewohnerin von Lilly, die er für den gemeinsamen Sex bezahlt. Beide rennen in jeweils ihrer eigenen Art und Weise auf eine Midlife-Crisis zu und versuchen aus ihren Grenzen auszubrechen. Die Sprache des Romans ist hart und vulgär. So vulgär das „Feuchtgebiete“ rot vor Schamhaftigkeit werden würde. Mir erscheint das Buch eine Spur zu überzogen und thematisch zu nahe an „Kuss„.

„Fleisch“ von Simone Meier

„Kuss“ (EJ: 2019)

In „Kuss“ geht es um Gerda und Yann, beide in ihren Dreißigern. Er findet, es ist an der Zeit, Kinder in die Welt zu setzten. Sie findet, es ist an der Zeit für eine Affäre und hat sich dafür den attraktiven Arbeitskollegen von Yann ausgesucht. Erst ist die Affäre nur eine Imagination von Gerda, doch wird es spätestens dann ernst, als Yann auf Geschäftsreise geht. Auf dieser lernt er ein rätselhaftes Mädchen kennen und ihm den Kopf verdreht. Die Nachbarin der beiden, Valerie, ist in ihren 50zigern und leistet sich ihr ganzes Leben lang bereits Affären, bis sie jemanden trifft, der mehr als eine Affäre sein könnte. Alle drei Protagonistinnen stehen in dem Roman von Simone Meier vor der Frage: Was erwarte ich vom (Liebes-)Leben in meinen Dreißigern und wie geht es später weiter? Zur Beantwortung der Frage nimmt die Autorin gesellschaftliche Klischees und Geschlechterrollen in einer nicht ganz so vulgären Sprache wunderbar auseinander und setzt sie neu zusammen. Ein Puzzle, das mir beim Lesen viel Freude bereitet hat und für kurzweilige Unterhaltung gesorgt hat.

„Kuss“ von Simone Meier


„Reiz“ (EJ: 2021)

Erschienen im Februar 2021 ist es der neuste Streich von Simone Meier und von mir gerade erst als E-Book gelesen. In „Reiz“ begegnet der Leser Valerie wieder, die wir bereits in „Kuss“ kennenlernen durften. Valerie ist Journalistin, eine, die sich nicht zurückhält, sondern spitz, witzig und böse ist und dadurch viel geachtet (oder auch verachtet) wird. Sie ist in ihren 50ern und hat eine bereits zwei Jahre andauernde Affäre mit dem deutlich jüngeren Theo. Als weiterer Protagonist erscheint Luca, der 19-jährige Sohn von F., dem besten Freund von Valerie und berühmten Schauspieler, dessen Name nie verraten wird. Luca beginnt ein Praktikum in der Redaktion von Valerie und schlägt sich mit den üblichen Problemen eines 19-Jährigen herum, die erste Liebe, der erste Job und macht sich pausenlos sorgen um sich, seine Familie und die gesamte Welt. „Reiz“ schlägt etwas sanftere Töne an als die zwei vorherigen Romane aber ist nicht unlängst weniger bewegend. Mir erscheint, dass die Autorin viel von ihrer eigenen Geschichte in die Romane gesteckt hat, arbeitet sie doch selber als Journalistin. Insgesamt erscheint das Buch persönlicher und nahbarer, fast auch ein wenig trauriger.

„Reiz“ erschienen 2021 von Simone Meier

Fazit

Ob nun eine Trilogie oder nicht. Ob Simone Meier nun bewusst drei Romane geschrieben hat, die lose aufeinander aufbauen oder nicht. Oder ob es eigene Erfahrungen sind, die sie umtreiben, ähnliche Geschichte zu schreiben. Es ist spannend zu lesen, welche mutmaßliche Entwicklung die Autorin beim Schreiben der drei Romane durchlaufen hat. Sie erscheint mir eine feine Beobachterin des Lebens und hat all seiner Höhen und Tiefen wunderbar zwischen den drei Buchdeckeln festgehalten. Dabei gefällt mir besonders gut, dass in allen drei Büchern Frauen die starken Charaktere sind und Männer die etwas verlorenen erscheinen. Und im Übrigen können die Bücher einzeln oder auch zusammen gelesen werden, die Reihenfolge scheint dabei keine Rolle zu spielen.

Infos zum Verlag Kein & Aber

1998 hat Peter Haag den unabhängigen Buchverlag Kein & Aber in Zürich gegründet. Angefangen hat der Verlag mit zwei Hörbüchern, „Pu der Bär“, welches bis heute zu einem der erfolgreichsten Hörbücher des Verlages zählt und „Der Standort Deutschland“. Vor der Gründung hat Peter Haag seine Liebe zu Büchern in der Buchhandlung seines Vaters und später als Mitarbeiter des Haffmans Verlags entdeckt. Heute hat Kein & Aber rund 180 Autor:innen im Programm und legt besonders viel wert auf die Gestaltung der Bücher: Schrift, Lesebändchen und Umschlag sollen dem Buch die Stimme geben, die die Autor:innen ihren Texten schon gegeben haben.
Link zur Website: Kein & Aber
Schöner Artikel: Deutschlandfunk

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