Rückblick auf den Sommer – Unser Monatsblatt Juli und August 2025

Die Koffer sind ausgepackt, die Urlaubsfotos sortiert und der Kopf freigepustet: Wir hatten eine kleine Sommerpause, in der wir uns von der digitalen Welt erholt sowie jeweils die Sonne und Meer getankt haben. Jetzt heißt also wieder aufgeblättert!

Von spannender Unterhaltung als Eskapismus, tiefgründigen Geschichten bis hinzu erhellenden Sachbüchern: Freut euch auf unseren Doppelpack-Beitrag, in dem wir euch verraten, welche Bücher uns über den Juli und August hinweg begleitet haben.

Unser Lese-Sommer-Rückblick

Auf die Ohren – Podcast

Vor unserer Sommerpause haben wir eine Sonderfolge veröffentlicht und feiern ein erstes Jahr voller Blind Dates. Dabei sprechen wir nicht nur über die Entstehungsgeschichte des Podcasts, sondern beantworten auch Fragen aus der Community: Wie wählen wir ein Buch bzw. den ersten Satz aus? Was war unser Lesehighlight und welcher unser liebster erster Satz? Was hat sich seit der ersten Folge verändert? Wir haben natürlich auch den ersten Satz für die Folge nach der Sommerpause ausgewählt, die ganz frisch erschienen ist. Also hört am besten direkt rein: Zum Podcast

Backlisttipps: Das Geisterhaus und Frankenstein

Im Zuge unseres diesjährigen Schwerpunkts Backlistlesen hat Aline zu zwei antiquarischen Büchern vom Stapel ungelesener Bücher gegriffen, die regelmäßig auf Listen mit Büchern, die man (angeblich) gelesen haben muss, auftauchen: Isabel Allendes Das Geisterhaus und Mary Shelleys Frankenstein. Über beide Werke wurde bereits viel geschrieben und gesagt, ihre Bedeutung im literarischen Kanon betont und ihre Einordnung in die Zeitgeschichte diskutiert. Doch was haben diese Bücher persönlich mit Aline gemacht? Link zum Beitrag: Klassiker im Sommer

Hop oder Flop: Hype Bücher im Visir

Im Sommer in einen Eskapismus-Flow eintauchen, den Kopf ausschalten und sich unterhalten lassen – Ansprüche, die man gerne mal an eine Sommer- bzw. Urlaubslektüre stellt. Wir stellen mit Fourth Wing und Wedding People* zwei Bücher vor, die zumindest genau das versprechen und stellen dabei die Hypes um die Bücher auf den Prüfstand: Zum Blogartikel. So viel sei verraten, eine kann den Hype nachvollziehen, die andere nicht ganz so sehr...

Sommerhighlight von Aline: Furye von Kat Eryn Rubik

Erschienen bei DuMont im Juli 2025*

Eine Furie ist in der griechischen Mythologie ein Rachegeist, der Verbrechen verfolgt und die Schuldigen mit Wahnsinn oder Verfolgung bestraft. Sie werden oft als düstere, geflügelte Frauen mit Schlangenhaar dargestellt.

Die Furien im Roman von Kat Eryn Rubik haben weder Flügel noch Schlangenhaare, sondern sind vielmehr drei Freundinnen, die sich aus der Schule kennen und sich für Gerechtigkeit einsetzen wollen. Alec, deren richtigen Namen wir möglicherweise nicht erfahren, ist die Erzählerin der Geschichte eines Sommers, in dem sie ihre erste Liebe erlebte, ihre Freundinnen verlor und die trügerische Schönheit ihrer Heimatstadt hinter sich lassen musste. Heute ist Alec Musikmanagerin und erfolgreiche Geschäftsfrau. Ihr Vater lebt nicht mehr, ihre Mutter ist verreist und Alec, ja, Alec kann die Vergangenheit nicht loslassen, bis sie sich entschließt, sich ihr zu stellen und zurückzufahren an den Ort, wo alles und vor allem die drei Furien begann.

Atmosphärisch dicht erzählt Rubik in Furye eine Lebensgeschichte, die mich nicht nur inhaltlich gefesselt hat, sondern auch stilistisch. So sind die Rückblenden, in denen die junge Alec erzählt, durch eine andere Schriftart hervorgehoben. Zum anderen zeichnet sich der Roman durch eine sehr besondere, kraftvolle Sprache aus, die sich in den Zeitebenen unterscheidet und zwischen Wut und Melancholie pendelt, garniert mit einer Prise Poesie. So gelingt es Rubik nicht nur, die Stimmung der Protagonistin einzufangen, sondern uns mitten hinein in das Geschehen zu ziehen, in meiner Vorstellung an der Südküste Frankreichs. Nicht nur aber auch ein wunderbarer Sommerroman.

Sommerhighlight von Luise: Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft von Fiona Sironic

Erschienen bei Ecco im März 2025*

Es ist wichtig, dass wir die Datenträger einzeln mitnehmen, damit niemand Verdacht schöpft. Aber wenn du mich fragst, was ich mir vorstelle, dann würde ich alles auf einmal in die Luft jagen. (S.107)
Coming of Age meets dystopische Zukunftsvision: Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft von Fiona Sironic ist ein Debüt mit rätselhafter Atmosphäre, über eine explosive Zukunft, die mich packt: Die Autorin wirft uns in eine nahe Zukunft: Das Zwei-Grad-Ziel ist verfehlt, Waldbrände und Pandemien sind Normalität. Das Internet, wie wir es kennen, fast eine vergessene Erinnerung. Die Welt, die Sironic zeichnet, ist dicht, anfangs unübersichtlich, fremd, sodass es für mich etwas dauerte, mich darin zurechtzufinden. Aber ich komme an, verspüre den Sog der erschreckend real wirkenden Zukunftsvision: Da ist die 15-jährige Era, die am Waldrand akribisch das Aussterben der Vögel dokumentiert. Maja wiederum lernen wir durch Eras Augen kennenlernen. Sie und ihre Schwester jagen Festplatten in die Luft. Ziel ist es, ihre öffentliche Kindheit als Momfluencer:innen-Töchter auszulöschen. Gleichzeitig erkennen sie, dass die digitale Welt nichts vergisst. Die aufkeimende Liebe zwischen Era und Maja, während die Welt um sie herum zu zerfallen droht, hat mich berührt. Era hält an Notizbüchern fest und versucht zu ordnen, Majas zerstörerische Wut als Antrieb ist die Gegenkraft – beide eint die Sehnsucht nach Intimität und analogen Formen. Bis Eras Zuhause abbrennt. Bis Maja spurlos verschwindet… Es knallt nicht nur, wenn samstags Sachen in die Luft gehen, sondern auch sprachlich hat das Buch Wumms. Die Wut entlädt sich mit einer unbändigen Kraft, das Ende kommt mit Wucht. Sironic hält uns den Spiegel vor, lädt mit dem Stilmittel der Zuspitzung ein, unser gesellschaftliches Zusammenleben der Gegenwart zu hinterfragen. Dieses Debüt will wachrütteln, was ihm gelingt.

So klug komponiert – mit einer unvergleichlichen Stimme ist Fiona Sironic eine Autorin, die man unbedingt im Auge behalten sollte! Und die mit ihrem Debütroman für den deutschen Buchpreis 2025 auf der Longlist steht, wir drücken die Daumen!

Weitere Bücher – Kurz zusammengefasst

Friederike Oertel: Urlaub vom Patriarchat*
Der Schreibstil ist feinsinnig, warm und zugleich lebendig. Man fühlt sich, als würde man mit über die quirligen Märkte Juchitáns, der sogenannten Stadt der Frauen, schlendern, die selbstbewussten Frauen des Matriarchats und die faszinierende Kultur kennenlernen.
Das Buch ermutigt uns, die eigenen Rollenerwartungen zu hinterfragen. Friederike Oertel zeigt, wie komplex das Frausein ist.

Virginia Evans: Die Briefeschreiberin*
In Zeiten von Social Media, E-Mails und Sprachnachrichten ist es wohl an der Zeit, ein bisschen auf Langsamkeit zu setzten. So wie die Protagonistin Sybil van Antwerp, die sich mit Anfang siebzig fast jeden Morgen an den Schreibtisch mit Blick in den Garten setzt, zu Füller und Papier greift und Briefe schreibt. Briefe an Familienangehörige und ihre beste Freundin, an Autoren und Autorinnen und an einen Service-Mitarbeiter. Anhand der Briefe lernen wir Lesenden das ganze, erfüllte Leben einer Frau kennen, die immer was zu sagen hat, dies am besten in Briefform konnte: ein Schriftverkehr, dem man gerne folgt.

Anna Prizkau: Frauen im Sanatroium*
Die Autorin Anna Prizkau erzählt in Frauen im Sanatorium episodenhaft von Hoffnung, wo man keine zu finden meint. Sie geht zart mit ihren Figuren um, fordert nie zu viel von jenen, denen wir begegnen. Sie gibt ihnen Raum, sich zu entfalten. Mit viel Empathie können wir uns so in die Charaktere einfühlen. Zur Wahrheit der Geschichte gehört aber auch: Unter der Oberfläche des Romans brodelt Dunkelheit, die unterschwellig durchscheint, denn die Kulisse bleibt ein Sanatorium, mit all seinen Schattenseiten. Und dennoch ist es gerade die Stimmung, welche die Autorin kreiert, die den Roman so besonders macht.

Tahsim Durgun: Mama, bitte lern Deutsch
Das Hörbuch ist eine schonungslose und zugleich persönliche Auseinandersetzung mit Migration und Integration. Tahsim zeigt am Beispiel seiner Mutter und seiner eigenen Kindheit, als Junge mit Migrationshintergrund, welche Herausforderungen entstehen, wenn die Sprache fehlt. Aber seine Geschichte ist nicht nur berührend, erhellend, sondern auch humorvoll und authentisch. Denn der Content-Autor spricht das Buch selbst ein.

Hubertus Koch: Lost Boy*
Hubertus Koch nimmt uns mit auf eine Reise, die ihn kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag, mitten im Burnout und in einer Lebenskrise, von Bosnien über Montenegro nach Albanien führt. In dem Buch reflektiert Koch nicht nur über die Welt, in der er sich beruflich bewegt, seinen Drogenkonsum und Depressionen, sondern auch über die Schönheit der Länder, durch die er reist, über zufällige Begegnungen und ungeplante Abenteuer. Sein Ton ist dabei, wie der Inhalt, verletzlich, ehrlich und direkt, ohne sich an Konformität zu halten, und so, wie man ihn aus seinen Reportagen kennt.

Wie lernen wir bei der digitalen Reizüberflutung besser abzuschalten? Blicken wir auf zwei Bücher, die genau auf diese Themen eingehen: Amanda Montell: Das Zeitalter des magischen Zerdenkens* (Ü: Schmittmann/Kranz) Luise hatte sich einen erholsam sarkastischen Blick auf die digitale Welt erhofft. Leider war ihr das Buch zu verkopft, zu sprachlich konstruiert. Sie kam den Gedanken der Autorin nicht hinterher. Sie hat letztendlich entschieden, es abzubrechen. Manchmal ist das so!
Sue Fengler: Less Stress in your 30s* Die Autorin gibt in ihrem Ratgeber praktische Tipps, wie wir uns vom vermeintlichen Erwartungsdruck, gerade in der Phase zwischen 30-40, freimachen können. Viele wichtige Entscheidungen, etwa wie die Familienplanung, ballen sich in den Dreißigern. Sue bezeichnet es so treffend als Rushhour des Lebens. Eine ermutigende Lektüre, gerade wenn man glaubt, keine Zeit dafür zu haben!

Nun, da es an den Abenden bereits abkühlt und der Regen öfter plätschern wird, tauschen wir so langsam die Sonnenliege gegen den Lesesessel aus und freuen uns auf viele neue, gemütliche Geschichten, die uns durch den Herbst begleiten werden. Seid ihr dabei?

*Lese- bzw. Rezensionsexemplare

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