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Camilla, die Gründerin des Nord Verlags aus Kopenhagen fiel mir auf Anhieb auf, als ich den Beitrag zu ihr im Emotion Magazin las und ihrem mit Liebe zum Detail bespielten Instagram-Profil begann zu folgen. Ihr Engagement und Ehrgeiz, diesen Verlag als One-Woman-Show auf- und durchzuziehen, imponiert mir. Ihr Ziel: Skandinavische Literatur, fernab vom Krimi-Hype und Astrid Lindgren Kinderbüchern, für den deutschen Markt sichtbar zu machen. Es handelt sich zwar um ein sehr kleines Verlagsprogramm, aber mit Liebe und Sinn für das Besondere. Und so verfolge ich den Werdegang des Nord Verlags seit seiner Gründung, aber bis jetzt hatte ich ehrlicherweise noch kein Buch aus dem Programm gelesen. Durch unseren diesjährigen Schwerpunkt ‚Unabhängige Verlage‘ habe ich mir mein Vorhaben aber wieder ins Gedächtnis gerufen und mich für folgenden Roman entschieden:
„Eigentlich wollte ich keine Kohlrüben kaufen“ von Anders Haahr Rasmussen
In Dänemark wurde der Roman „Eigentlich wollte ich keine Kühlrüben kaufen“ für den dänischen Debütantenpreis nominiert und erschien im dänischen Original 2018 unter dem Label Kochbuchroman. Jedes Kapitel beginnt mit einer Zutatenliste, die anschließend von Amanda verarbeitet wird.
Inhalt
Amanda ist Anfang dreißig, Vegetarierin und Doktorandin der Soziologie an der New York School of Technology. Sie scheint die personifizierte politischen Korrektheit zu sein und wirkt trotzdem oder gerade deshalb irgendwie unsympathisch. Sie ist überkorrekt und ein Moralapostel .
Wir begegnen Amanda immer wieder in ihrer Küche in Brooklyn, in der sie ihren Tagesablauf, aber auch ihre Lebensweise im Allgemeinen reflektiert und sich als im Grunde ziemlich gute Person darstellt. All das geschieht, während sie aus wenigen Zutaten das Bestmögliche rausholt und sich durch ihre Mahlzeiten bemüht, nachhaltig zu sein und auch dahingehend versucht, ein Vorbild zu sein. Aber einfach ist das nicht, immer ein guter Mensch sein zu wollen…
Kritik
Die Idee mit den Zutatenlisten, wovon jeweils eine vor jedem neuen Kapitel steht und von Amanda zubereitet wird, hatte mich anfangs gecatcht. Das klang mal anders, ungewöhnlicher. Aber Nachkochen wäre gar nicht so einfach. Denn die Rezepte spiegeln die Verbissenheit der Protagonistin wider. Auch hier scheint sie vor allem darauf zu achten, dass alles gesund und kalorienarm ist und es der politischen Korrektheit entspricht. Die Gerichte sind häufig alles andere als kreativ, eher langweilig, wie Kohl und Graupen oder grüner Salat mit Zing. Und so habe ich auch Amandas Leben generell wahrgenommen. Sie scheint als Doktorandin an einer renommierten New Yorker Universität zwar ganz oben auf der Karriereleiter angekommen zu sein, aber ihr Leben wirkt eher langweilig, spröde. Ihr einziges Hobby scheint es zu sein, sich darüber Gedanken zu machen, wie man ein perfektes Leben führen kann, welche Freunde dafür taugen, welcher Mann da hineinpasst. Und obwohl es bereits im Klappentext angeteasert wird, dass Amanda unsympathisch wirkt – es also auch ein Stück weit Absicht des Autors zu sein scheint – habe ich es während des Lesens noch einmal mehr gemerkt: Ich konnte der Lebensweise von der Protagonistin einfach nichts abgewinnen, in ihr als Mensch keine Emotionen oder Charakterzüge ablesen, die sie nahbar werden lassen.
Was ich an dem Buch allerdings als etwas Besonderes ansehe, ist die Erzählweise: Das Buch ist in der dritten Person geschrieben und trotzdem lernt man Amanda sehr persönlich kennen, denn aufgrund von viel direkter Rede erfährt man von ihren Gedanken. Sie scheint häufig Selbstgespräche zu führen – man hört allein Amnda, fragt sich, ob sie wirklich immer nur zu sich oder auch mal zu anderen spricht, ohne die anderen Protagonist:innen wirklich kennen zu lernen. Da ich vermute, dass es fast ausschließlich Selbstgespräche sind, wird erfahrbar gemacht, dass ein vermeintlich korrektes Leben nicht immer das erfüllteste sein muss. Denn vermutlich ist die Protagonistin alles andere als glücklich, versucht es aber durch ihr perfektes Verhalten zu vertuschen. Eigentlich fühlt sie sich einsam.
Es handelt sich um eine Momentaufnahme des Leben von Amanda, es passiert einfach nicht viel. Entsprechend passiert mir allerdings auch während der Geschichte letztendlich zu wenig, es gibt keinen wirklichen Spannungsbogen, keinen Höhepunkt, auf den hingearbeitet wird.
Fazit
Das Leben von Amanda kreist sich allein um ihre Gedanken. Und so fühlte ich mich letztendlich auch im Kreis gedreht, ohne Abzweigungen oder Kurven im Handlungsverlauf. Ich wurde nicht wirklich in den Bann der Geschichte gezogen.
Der essayistische Stil und die Form der direkten Rede als Selbstgespräche der Protagonistin haben mir wiederum sehr gefallen. Die Erzählweise hatte etwas modernes, eine klare Linie – etwas, was man auch mit Dänemark verbindet – wenig Schnick Schnack, sondern pure, klare Eleganz. Und insofern würde ich immer wieder nach einem neuen Buch aus dem Programm des kleinen, aber sehr feinen Nord Verlags greifen.
Über den Nord Verlag
„Das erste woran viele Deutsche denken, wenn sie den Begriff ’skandinavische Literatur‘ hören sind wohl düstere Krimis und Pippi Langstrumpf. Die skandinavische Szene hat aber einiges mehr zu bieten“, sagt Camilla Zuleger, die den Nord Verlag 2017 in Kopenhagen gegründet hat. Mit einem Hintergrund in dänischer Literatur und Kulturwissenschaften sowie in Kooperation mit Übersetzer:innen und Grafiker:innen arbeitet sie daran, die Besonderheiten der nordischen Literatur in Deutschland zu verbreiten. Abonnieren kann man auch einen Newsletter, den ‚Nordbrief‘, in dem Camilla auch persönliche Buchempfehlungen ausspricht. Sie ist eine Gründerin, die es schafft, ihre Liebe für Bücher weiterzugeben.
Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!