Auf die Ohren: Monatsblatt Mai 2024

Voller Stolz haben wir Anfang diesen Monats unsere allererste Folge in unserem Podcast „Aufgeblättert – Dein Book Blind Date“ veröffentlicht! Wir stellen in jeder Folge zwei erste Sätze vor. Nur anhand derer wird ein Buch für die nächste Folge ausgewählt und dann besprochen. In der ersten Folge ging es um den ersten Satz „Die ersten sechs Tage seines Lebens war William Waters kein Einzelkind.“ Habt ihr es erraten?

Genau, es handelte sich um das Coverhighlight „Hallo, du Schöne“ von Ann Napolitano, das Aline näher vorgestellt hat. Ob es ihr gefallen hat? Sie schwankte. Die letzten 50 Seiten hat sie allerdings nur geweint… Darüber hinaus hat Luise noch Ilona Hartmanns „klarkommen“ vorgestellt, ein Coming-of-Age-Roman, der für sie einen ganz besonderen Sound und hohes Identifikationspotenzial für Millennials und die Gen Z hat!

Die zweite Folge mit dem ersten Satz „Morgenübelkeit. Das liest sich so leicht in den Babyblogs, die ich sei Wochen täglich durchforste“, aus dem von Luise mitgebrachten Roman, ist frisch erschienen! Außerdem stellt sich Aline den schnellen Fragen zu ihrer Buchempfehlung in unserer neuen Rubrik, dem Speeddating. Lust bekommen?:
Zur zweiten Folge: „Morgenübelkeit vergeht, das emotionale Erbe einer Familie nicht.“

Übermorgen – am Dienstag, den 11. Juni, steht zudem die Verleihung des Deutschen Sachbuchpreises** an. Wir werden in der Elbphilharmonie im Rahmen des #sachbuchpreisbloggen zu Gast sein und unserem Patenbuch von Sebastian Conrad „Die Königin. Nofretetes globale Karriere“ alle Daumen drücken! Nofretetes globale Karriere war lange Zeit durch universelle Schönheitsideale geprägt, doch ist es vor allem auch ihre medien- und popkulturelle Geschichte, die Sebastian Conrad in seinem Sachbuch beleuchtet: Ein historisches Sachbuch, das zugleich hochaktuell ist und in die Debatte von Emanzipation, Restitution und kolonialen Besitzansprüchen greift. Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

Übrigens könnt ihr die Preisverleihung ab 18 Uhr live verfolgen unter dem Livestream Deutscher Sachbuchpreis.

Gelesene Bücher im Mai

Kurz und Knapp

Mit „Berliner Bürger*Stuben. Palimpseste und Geschichten“ trägt Annette Gröschner eigene publizierte Beiträge über die Hauptstadt Berlin zusammen. Sie ist eine derjenigen, die Ostberlin noch vor dem Mauerfall, vor der Gentrifizierung und die Zeiten des Wandels miterlebt und mitgefühlt hat. Das Buch erzählt fragmentarisch und episodenhaft über die Veränderungen der Stadt.

Elena Fischers Debütroman „Paradise Garden“, der letztes Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert war, ist eine berührende, sanft erzählte Coming-of-Age-Geschichte. Dabei trifft die Autorin in ihrer Erzählung über das Erwachsenwerden mit widrigen Umständen, über die Suche nach der eigenen Herkunft und Migration zu jederzeit einen ganz und gar herzerwärmenden Ton.

Gebannt haben wir das Buch gelesen und dem Hörbuch zu „sorry, aber…“* mit Tara-Louise Wittwers authentischen und unterhaltsamen Art zugehört. Sorry seems to be the hardest word besang Elton John in den 1970ern die Entschuldigung als schwierigstes Wort. Heute wird es als lapidares Sorry nahezu inflationär genutzt. Es ist ein Buch über unsere Entschuldigungskultur und eine Ode an ein Wort, das wichtig für unser gemeinsames Zusammenleben ist, wenn es ehrlich ist.

Und Aline hat Caroline Wahl nicht nur bei der Buchpremiere im Büchercafé Kapitel Drei in Hamburg gelauscht, sondern auch ihren neuen Bestseller „Windstärke 17“* verschlungen. Es ist die Fortsetzung von „22 Bahnen“, die sich aber, ohne das Erstlingswerk zu kennen, gut lesen lässt und eine ähnliche Sogwirkung entwickelt. Denn ja, es hat sich wieder eine Liebesgeschichte eingeschlichen. Sprachlich trifft Caroline Wahl einen bestechenden und rotzigen Ton, der Spaß beim Lesen bereitet.

Unsere Monatshighlights

Ausführlicher vorgestellt

„Weil da war etwas im Wasser“ von Luca Kieser

Erschienen August 2023, im Picus Verlag

„Weil da war etwas im Wasser“ von Luca Kieser reiht sich in die Reihe der ungewöhnlichsten Bücher ein, die Aline bisher gelesen hat. Das Besondere ist die Dichtheit, mit der erzählt wird, die vielen Erzählperspektiven sowie die fast schon cineastischen Übergänge zwischen den Kapiteln. Sanja und Dagmar bilden im ersten Drittel des Buchs die Hauptprotagonistinnen, deren Lebensgeschichte, einschließlich der ihrer Vorfahren, im restlichen Buch erzählt wird. Ihre Vorfahren lernen wir ebenso ausführlich kennen wie die Kalmarin. Sie, ein in den Tiefen der Meere lebendes Geschöpf, bildet den roten Faden, wobei jeder ihrer Arme eine eigene Geschichte erzählt. In Fußnoten quatschen sie sich hinein, erleben ganz nebenbei Abenteuer, und – das ist das Wichtigste – verlieren den roten Faden wirklich nie.
Was sich nach einer Fülle an Inhalten anhört, ist in einer wunderbar dichten Sprache spielend leicht erzählt. Ausflüge in die Popkultur, literarische Vergangenheit (Jules Verne) und Gegenwart (Helene Bukowski) inklusive. Es gibt lose Enden, die nicht wieder aufgegriffen werden, ebenso wie Erzählungen, die viele Seiten zuvor begannen und später beendet werden. Luca Kieser ist meiner Meinung nach ein vergnügliches und ungewöhnliches Kunststück gelungen. Zurecht nominiert für den Deutschen Buchpreis, da der Roman trotz seiner Komplexität nie langweilt. Vielmehr nimmt man ihn zur Hand, lässt sich treiben und sollte vor allem nicht den Anspruch haben, schnell durchzufliegen oder alles sofort verstehen zu müssen. 


„Die Ungelebten“ von Caroline Rosales

Erschienen im März 2024, bei Ullstein*

„Die Ungelebten“ von Caroline Rosales hat nach dem Lesen in Alines Magengegend einen großen Wutknoten hinterlassen, so bedrückend erscheint mir diese Bestandsaufnahme des Patriarchats. Denn obwohl die Protagonistin Jennifer an der Spitze des Familienunternehmens steht, drei Kinder zur Welt gebracht hat und all das und ihre Ehe ausbalanciert – man könnte meinen, jetzt hat sie es allen gezeigt – wird sie krachend am Patriarchat scheitern. Sie wird an Bernd, ihrem Vater und Gründer der Schlager-Plattenfirma, scheitern, an der Anzeige des sexuellen Missbrauchs gegen ihn und an ihrer Ehe. Dabei habe ich so viel Hoffnung in die Frau gelegt, die Caroline Rosales erschaffen hat und es der Gesellschaft allen hätte zeigen können. Die aufbegehrt und sich aus dem goldenen Käfig, der um sie herum erschaffen wurde, befreien will. Die sich mit Lorelei, der Frau, die ihren Vater für sexuellen Missbrauch angezeigt hat, verschwestern will. Doch am Ende wird es vielleicht zu viel sein, was sie will, wenn selbst die Frauen in ihrer Gemeinschaft sich den alten Strukturen beugen. In „Die Ungelebten“ geht es um #MeToo in der Schlagerwelt, um Töchter von Tätern, um alte (und junge) weiße Männer und um das Scheitern. Und das ist es wohl auch, was so wütend gemacht hat. Denn in seiner starken Sogwirkung, die der Roman entfaltet, zeigt er auch, wie zerbrechlich all das ist, was wir schon erreicht haben. Gleichzeitig zeigt er, wofür es sich weiter lohnt, zu kämpfen: Alte Strukturen zu durchbrechen.

„Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat“ von Annett Gröschner, Peggy Mädler und Wenke Seemann

Erschienen im März 2024 bei Hanser Literaturverlage*

Unser Beitrag für unsere Rubrik Die Stimme der Frauen im Mai: Drei Freundinnen treffen sich sieben Nächte an einem Küchentisch oder an vermeintlich längst vergessenen Orten, die beim Reden über die Vergangenheit Erinnerungen hervorholen, wie ein Appellplatz beispielsweise. Im Spiel sind außerdem Gummitwist, Alkohol und viele kluge Gedanken, die vor allem auch die Gegenwart und Zukunft betreffen, was Luise nicht nur unterhalten, sondern zum Nachdenken und Weiterdenken angeregt hat. Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

Der Mai stand also im Stern besonderer Projekte. So geht es fröhlich im Monat Juni weiter, in dem wir die Lesungen beim Schanzenzelt** unterstützen dürfen. Schaut gerne mal ins Programm rein! Und dennoch, wie ihr seht, nehmen wir uns immer wieder Zeit fürs Lesen…

*Rezensionsexemplar
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