Graphic Novels erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Aber wie kommt das eigentlich? Dieser Frage wollen wir einmal in diesem Couchgeflüster nachgehen: Graphic Novels sind Comics in Buchformat und erstmals in den 1980er aufgekommen. Die Idee war, so Comics zum einen „anspruchsvoller“ zu gestalten, um sich auch an Erwachsene zu richten. Zum anderen wollte man Comics so mehr Raum geben, da sie zur damaligen Zeit mehr als wöchentlich erscheinende „Wegwerf-Hefte“ angesehen wurden. (Quelle)
Herübergeschwappt als Trend aus den USA, sind diese besonderen Ausgaben unserer Meinung nach eine schöne Ergänzung zum Lesen, da sie mitunter komplexe und lange Romane bildhaft darstellen. So erhält auch der eine oder andere Literaturmuffel eher Zugang, z.B. auch zu Klassikern, die immer häufiger als Graphic Novels neuaufgelegt werden und sonst vielleicht eher nicht auf dem Nachtschränkchen landen würden. Wir haben mal drei Graphic Novels und eine Schmuckausgabe herausgesucht, die sich auch noch sehr schön dekorativ auf dem Couchtisch machen.
„Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht und Oljanna Haus
erschienen als Graphic Novel bei Hanser Verlag, 10/21 (von Aline)
Während eines Coronalockdowns hatte Oljanna Haus das erste Mal Langeweile und fing an, das Buch „Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht zu bebildern. Über die sozialen Medien auf die junge Künstlerin, die eigentlich eine Lehre zur Zimmerin absolviert, aufmerksam geworden, werden Kontaktdaten zwischen Autor und Künstlerin ausgetauscht und die Arbeit beginnt. Im Oktober 2021 erschien dann das gemeinsame Werk, dessen Bilder rein in Schwarz-weiß und roter Farbe gehalten ist. Mir ist es tatsächlich ein zu kurzes Lesevergnügen, aber wohl ein Buch, welches man noch ein zweites und drittes Mal in die Hand nimmt. Auf dem ersten Blick waren mir die Illustrationen etwas zu „brutal“ und ich musste mich an die Reihenfolge der Sprechblasen gewöhnen, schlussendlich passt der Stil der Zeichnungen aber sehr gut zum Buch und so hatte ich ein schönes und abwechslungsreiches Lesevergnügen. Eine vollständige Rezension und Inhaltsangabe zum Roman „Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht hat Luise übrigens schon einmal veröffentlicht: Link zur Rezension
„1984“ von George Orwell
erschienen als Graphic Novel bei Ullstein, 09/21 (von Luise)
Mein absolutes Lieblingsbuch? Schwierig. Aber ein Buch, das ich jedem ans Herz legen würde? Eindeutig „1984“ von George Orwell! Als ich diesen Roman vor vielen Jahren das erste Mal gelesen habe, war ich beeindruckt, vor allem von der Weitsicht, mit der George Orwell in den 1940ern eine dystopische Welt beschrieb, die einerseits ungeheuerlich wirkt, andererseits bereits erschreckend nah die spätere Realität von sozialistischen Staaten abbildete (siehe Archiv-Beitrag: „Dystopien als Spiegel“).
1984 hat mich nachhaltig geprägt, mich über politische und gesellschaftliche Ansichten nachdenken und altbewährte Strukturen überdenken lassen. Und der Roman bleibt zeitlos. Denn auch in den letzten Jahren wurde der moderne Klassiker wieder vielfach in den Medien besprochen und von Leser:innen auf der ganzen Welt gekauft. Ereignisse, die Anlass geben, auf die stetige Aktualität dieses Klassikers hinzuweisen: Edward Snowdens NSA-Enthüllungen, Donald Trumps Umgang mit Fakten oder Putins Russland. Deshalb wollte ich ihn irgendwann gerne noch einmal lesen. Wiederum ist es auch ein Buch, das nichts verschönt, sondern den Finger immer und immer wieder die Wunde legt. Es erschüttert einen. So fiel mir es entsprechend lange Zeit schwer, 1984 ein zweites Mal in die Hand zu nehmen. Die neue Graphic Novel fand ich nun jedoch einen willkommenen Anlass, es endlich zu wagen. Durch eindrucksvolle, aber auch schonungslose Illustrationen wird die verstörende Atmosphäre der totalitären Gesellschaft und des Überwachungsstaats in 1984 wirksam eingefangen. Es bietet für mich einen neuen Blick auf die dystopische Welt mit Wirklichkeitsbezug, zeigt mir aber auch wieder, wie wichtig dieses Buch bleibt.
Und gerade weil mich 1984 so sehr beeindruckt hat, habe ich mich wohl lange nicht an Orwells anderen Bestseller gewagt: „Farm der Tiere“. Auch hier ist es ein schöner Zufall, dass dieses Jahr eine tolle Schmuckausgabe erschienen ist.
„1984“ und „Farm der Tiere“ von George Orwell Ein Bilck in die Graphic Novel „1984“
„Farm der Tiere“ von George Orwell
erschienen als Schmuckausgabe und Neuüberetzung im Manesse Verlag, 01/21
(von Luise)
Die Beschreibungen der Tiere, die eine Revolution beginnen und den Großgrundbesitzer Mr. John verscheuchen, um eine gerechte, gleichberechtigte Farm der Tiere zu erschaffen, sind bildhaft. Jedes Tier nimmt seine dem Charakter entsprechende Rolle ein: Die klugen Schweine lernen lesen und kümmern sich um die Verwaltung. Die Schafe lernen zumindest die Parolen auswendig und blöken sie laut. Die Pferde sind fleißige Arbeitstiere. Die Katze schleicht sich während der Arbeitszeit weg, aber keiner kann ihr böse sein, wenn sie schnurrend zurückkommt. Es scheint zuerst so, als lese man ein harmloses Märchen. Die fröhlich bunten Farben des Covers unterstreichen diesen Eindruck. Jedoch mit der Zeit verändert sich die ideale Welt in eine Dystopie. Die Farben wirken nun bedrohlich, wie ein Drogenrausch. Es beginnt ein Machtkampf zwischen den Tieren. Der Sozialstaat, in dem alle gleich sind, wird zu einer Gewaltherrschaft. „Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere sind gleicher als andere“.
Es gibt heutzutage einige Dystopien, über utopische Welten, die scheitern. George Orwell schrieb seine Bücher allerdings bereits in der Nachkriegszeit und schaffte damit tatsächlich einen Blick in die Zukunft. Vieles in Farm der Tiere bildet wie bei 1984 wahrgewordene Realität ab. Beide Bücher sind absolute Must-Reads!
Wer die Nachtigall stört von Harper Lee
erschienen im Rowohlt Verlag, 11/18 (von Luise)
„Wer die Nachtigall stört…“ ist wohl einer der bedeutsamsten Romane in der modernen, angloamerikanischen Literaturgeschichte, in dem er auf die gewachsenen Strukturen von Rassismus in den USA aufmerksam macht. Die Geschichte spielt im Amerika der 30er Jahre. In die idyllische Südstaaten-Kindheit drängt sich die brutale Wirklichkeit aus Vorurteilen und Rassismus. Der Vater von Scout und Jem soll als Anwalt den schwarzen Landarbeiter Tom Robinson verteidigen, der wegen Vergewaltigung an einem weißen Mädchen verurteilt werden soll. Die Kinder unterstützen das demokratische Gerechtigkeitsempfinden ihres Vaters, allerdings nicht ohne Konsequenzen. Der moderne Klassiker glänzt in der illustrierten Neuauflage und das Thema Rassismus wird so auf eine zugängliche Weise näher gebracht. Denn auch die bleibt traurigerweise eine stetig aktuelle Problematik, nicht nur in Amerika.
Ein Blick in die Graphic Novel „Wer die Nachtigall stört…“ Zwei Romanklassiker als Graphic-Novel-Tipps
Fazit
Die Bücher eignen sich sowohl für Leser:innen mit einer Affinität für besondere Illustrationen und vor allem auch für diejenigen, die sich so Klassikern und herausfordernden Themen wie Rassismus oder soziale Ungleichheit auf leichtere Art nähern wollen. Vor allem eignen sie sich wunderbar als Last-Minute-Weihnachtsgeschenke! Zum Beispiel auch für Jugendliche und junge Erwachsene.
Welche Graphic Novels kennt ihr? Welche Klassiker findet ihr so besonders schön und beeindruckend illustriert? Lasst es uns gerne wissen, entweder als Kommentar oder bei Instagram.
Diesem Beitrag liegen unter anderem Rezensionsexemplare zu Grunde. Wir bedanken uns bei den Verlagen für die Zusendung der Rezensionsexemplare.