Ein frische Brise: Buchempfehlungen aus dem mare Buchverlag

Im mare Verlag spielt das Meer eine zentrale Rolle. Da ist die Hansestadt Hamburg sicher ein idealer Verlagsstandort. Denn das ist das Besondere an Hamburg: man lebt in einer großen Metropole und gleichzeitig scheint das Meer kaum weiter als ein Katzensprung entfernt zu sein – ob Ostsee oder Nordsee – innerhalb von ein bis zwei Stunden ist man dort. Gerade in der Corona-Zeit war dies ein willkommener Zufluchtsort. Das Meer ist genauso ein Sehnsuchtsort für viele. So auch für mich: sobald ich die unendlichen Weiten sehe, die salzige Meerluft rieche oder das Wellenrauschen höre, kann ich entspannen, durchatmen. Und entsprechend ziehen mich auch die Bücher des Verlags an, es sind literarische Juwelen, die gleichzeitig dem Meer eine Stimme geben. Folgendes Zitat aus dem Buch „Bären füttern verboten“, welches ich gleich vorstellen werde, trifft es noch einmal sehr anschaulich: „So sollte das Leben immer sein, dem Meer zugewandt“.

„Bären füttern verboten“ von Rachel Elliott

erschienen 09/2020 im mare Buchverlag

Da es mir tatsächlich gar nicht so leicht fällt, dieses Buch in Worte zu fassen, möchte ich ausnahmeweise mit dem Klappentext beginnen: Sydney Smith ist Freerunnerin, doch an einen Ort wollen ihre Füße sie einfach nicht mehr tragen: nach St. Ives an der Küste Südenglands. Als sie an ihrem 47. Geburtstag endlich den Aufbruch dorthin wagt, wird sie nicht nur mit dem schmerzhaftesten Moment aus ihrer Vergangenheit konfrontiert, sondern auch mit einer Reihe skurriler Menschen: Zahntechnikerin Maria backt Muffins mit heilenden Kräften, Buchhändler Dexter ist mit der Liebe durch und trägt manchmal gerne Kleider, und Belle wohnt mit Ende zwanzig noch immer bei ihren Eltern. […] Sie alle eint die Frage, wer eigentlich bestimmt, wann unser Leben einen Sinn hat, und ihre Schicksale verweben sich zu einer tröstlichen Geschichte: über Hilfe, die man nur von anderen bekommt, und darüber, wie man weitermachen kann, wenn die eigene Welt sich nicht mehr dreht.“

Genau das macht diesen Roman vor allem aus, er ist aus vielen verschiedenen Perspektiven geschrieben, sogar ein Hund oder tote Menschen kommen zu Wort. Sydney spricht regelmäßig mit ihrer Mutter, für dessen Tod sie sich verantwortlich sieht. Es ist ein Buch über Trauer, Verlust und nach der Sinnsuche, die letztendlich alle Protagonist*innen vereint. Seien es Sydney selbst, ihre Verwandte, ihre feste Freundin oder andere Bewohner*innen von St. Ives. Ich liebe Erzählungen über skurrile Dörfer, wo jede:r Bewohner:in etwas Eigensinniges, aber auch etwas Verzauberndes an sich hat. Diese vielen Perspektiven haben es mir es jedoch auch nicht immer leicht gemacht, der Geschichte gänzlich folgen zu können, zudem es auch noch Zeitsprünge gibt, die man meist nicht gleich bemerkt. Ich musste zwischendurch auch eine längere Pause machen, jedoch bin ich froh, die Geschichte noch einmal „in die Hand“ genommen zu haben, beziehungsweise ans Ohr. Ich persönlich kann das Hörbuch dazu auch empfehlen, da es von Annette Frier mitreißend eingesprochen ist. Man kann sich die einzelnen Figuren durch die zum einen mit einer bildhaften Sprache anschauliche Zeichnung der Autorin, aber zum anderen vor allem auch durch die Erzählweise der Hörbuchsprecherin wunderbar vorstellen.

Hier geht es zum Hörbuch von Fine Voices.

„Herz auf Eis“ von Isabelle Autissier

erschienen 03/2017 im mare Buchverlag

Dieser Roman ist nach den Worten der französischen Tageszeitung Corse Martin zufolge „eine Extremerfahrung“. Die moderne Robinsonade zeigt, wie der unmittelbare Kampf um’s Überleben die Liebe und Zuneigung zwischen Menschen verändern kann. Ein gutbürgerliches Paar aus Paris beschließt ein Sabbatjahr einzulegen. Louise und Ludovic haben vor, auf Abenteuerreise zu gehen. Die beiden stranden mit ihrem Boot nach einem unvorhergesehenen Unwetter auf einer Insel in der Nähe von Kap Hoorn, auf der sie eine verlassene Walstation entdecken und für die Nacht einen Unterschlupf suchen. Am nächsten Tag machen sie eine erschreckende Entdeckung: Ihr Boot ist spurlos verschwunden. Sie sitzen auf der verlassenen Insel fest, ohne Proviant und Kleidung oder gar einem Funkgerät. Es beginnt eine Zeit, in der ihre Beziehung auf eine wesentliche Probe gestellt wird und ihr Leben in Paris immer ferner scheint. Der Roman überzeugt mit einer hohen Spannungskurve und überrascht mit nicht vorhersehbaren Wendungen in der Geschichte. Man versucht nachzuspüren, wie es wäre, selbst in dieser Notstandssituation zu sein. Welche Verhaltensweisen dominieren, würde man dem egoistischen Drang zu überleben folgen, ohne Rücksicht auf Verluste, oder sind die Gefühle und Emotionen in der Beziehung zu anderen letztendlich stärker? Man kann diese Lektüre tatsächlich als Extremerfahrung bezeichnen: Einer meiner bisher beeindruckendsten Leseerfahrungen und mein damaliger Jahresfavorit!

Mehr zum Buch in der folgenden Rezension.

Sowohl „Herz auf Eis“ als auch „Bären füttern verboten“ zeigen, dass die Auswahl der Bücher vom mare Verlag nicht nur allein dahingehend getroffen wird, ob die Geschichten am Meer spielen, sondern auch, ob sie etwas Besonderes an sich haben. Ob sie eine ganz eigene Geschichten erzählen, mit Figuren, in deren Lage man sich leicht hineinversetzen kann. Es sind Geschichten zum Träumen und vor allem schaffen sie eines, ganz viel Meerweh!

Über den Mare Verlag

„Gute Ideen kennen keine Grenzen“. Mitte der 1990er-Jahre gründete der Schweizer Meeresbiologe Nikolaus Gelpke einen Verlag mit dem Ziel, eine Zeitschrift zu entwickeln, die es so noch nie gegeben hatte. Gelpke hatte das Meer erforscht, bereist, durchsegelt. Er wusste, wie viele Geschichten es zu erzählen hat, wie viele Themen die Küsten der Welt berühren. Das Programm wurde namensgebend, im April 1997 erschien die erste Ausgabe von mare – Die Zeitschrift der Meere. Geschichten, die das Meer erzählt, füllen seit über zwei Jahrzehnten die Hefte, doch manche brauchen mehr Seiten, als ein Magazin sie bieten kann. 2001 wurde der marebuchverlag ins Leben gerufen: Belletristik und Sachbuch, Abenteuerreisen, Wissenschaftskrimis, Kulturgeschichten und Romane, die den Blick weiten. Das Meer ist dem mareverlag seit über 20 Jahren Inspiration.

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