Eine Zeitreise in den DDR-Alltag, ein Museumsbesuch in Berlin und Buchvorstellung

Wie treuen Leser:innen unter euch unlängst bekannt, interessiert mich das Thema DDR und Wende in allen Facetten – seien es die politischen Hintergründe, geschichtliche Entwicklungen des Staats und seine Umbrüche oder persönliche Schicksale betreffend. Was jedoch in Büchern häufig nur am Rande mitschwingt, ist der Alltag der DDR-Bewohner:innen. Sicher auch, da sich die Darstellung von Alltagsriten und -gegenständen schnell in der Grauzone zwischen Vergegenwärtigung des alltäglichen Lebens und der (N)-Ostalgie und Verklärung bewegen kann.

„DDR-Alltag in 200 Objekten“ + DDR-Reiseführer + Kamera

Auch bei mir ist es eine Gratwanderung zwischen Faszination (auch für Alltagsgegenstände) und einer durchaus kritischen Haltung gegenüber den Geschehnissen der SED-Diktatur. So hätte ich früher eher gezögert, eine Ausstellung über den DDR-Alltag zu besuchen, auf die Gefahr hin, dass dieser zu verherrlichend dargestellt ist. Je mehr ich mich jedoch in den letzten Jahren mit dem Thema auseinandersetze, desto mehr bin ich auch der Ansicht, dass die Facette des alltäglichen Lebens dazugehört, um das DDR-System in seinem gänzlichen Umfang zu verstehen. Immerhin war es neben dem dringenden Wunsch nach politischer Freiheit und Reisefreiheit vor allem auch der Wunsch nach Konsumfreiheit, welche Bürger:innen der DDR in den 1980er revoltieren ließ. Was letztendlich mitunter das Kartenhaus des Sozialismus wortwörtlich durch den Fall der Mauer zum Einsturz brachte.

Spätestes als mir das DDR-Museum Berlin das Begleitbuch als Rezensionsexemplar zuschickte, entschied ich: es wird Zeit. Entsprechend stand auf der To-Do-Liste für den letzten Berlin-Trip ein Besuch ins DDR-Museum an!

Ein Besuch im DDR-Museum Berlin

Um es bereits vorwegzunehmen, mir hat die Ausstellung auf Anhieb sehr gut gefallen, durch die ausgewogene Mischung aus Kuriosem und Informativem. Das Museum ist interaktiv angelegt. In den verschiedenen Zimmern einer „typischen“ DDR-Wohnung konnte man diverse Schränke und Schubladen öffnen, die als Informationstafeln dienten. So wurden immer auch Hintergründe kurz und knapp geschildert, durchaus mit kritischem Blick.

Man konnte Fernsehsendungen schauen und Musik hören, die die DDR-Bürger:innen konsumierten, mit einem Trabbi fahren oder aber auch ein Abhörgerät nutzen. Letzteres war ein besonderes Erlebnis, da man dort die Stimmen aus den Nebenzimmern hörte, was einem auf realistische Weise die Tragweite des Abhörsystems aufzeigte. Immerhin wusste die Besucher:innen in den Zimmern nicht, dass sie abgehört wurden.

Zudem gab es interaktive Spiele zur Planwirtschaft, zu den Wahlen oder aber zur Nationalhymne der DDR. So eignet sich das Museum genauso für Familien und Schulklassen, da auch (ältere) Kinder und Jugendliche spielerisch abgeholt werden. Nichtsdestotrotz liegt es an jedem selbst, wie er oder sie die dargestellten Dinge und das Erlebte bewertet. So hoffe ich, dass jede:r, der/die aus der Ausstellung geht, neben dem Spaß und der Unterhaltung, auch die kritischen Sichtweisen in Erinnerung behält.

Und ich empfehle euch, vor allem am Wochenende, abends zu gehen, das Museum hat bis 21 Uhr geöffnet. Denn Aline war auch schon mal im DDR-Museum zu Besuch, wobei es überfüllt gewesen sein soll. Bei der Trabbi-Fahrt bildete sich zum Beispiel eine Schlange.

Neben der Dauerausstellung gab es in Berlin noch die Sonderausstellung zu Alltagsgegenständen, die es abgerundet hat. Dazu habe ich vom Museum das Begleitbuch als Rezensionsexemplar zugeschickt bekommen:

Zum Begleitbuch „DDR-Alltag in 200 Objekten“

Das Begleitbuch bietet die Möglichkeit, zu Hause noch einmal in Ruhe Details zu den unterschiedlichen Gegenständen und Riten des Alltagslebens der DDR nachzulesen. Hier wird vor allem auch noch einmal die besondere Bedeutung der Alltagsgegenstände in der DDR erläutert:

„Noch nie wurde eine geschichtliche Periode so deutlich durch Alltagsgegenstände definiert. Dies hat mehrere Ursachen (..) Die sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) und ihre staatlichen Ausführungsorgane planten die Produktion, legten die Preise fest und organisierten den Handel. Konsumgüter aller Art – insbesondere die teuren und langlebigen – waren auch immer Ausweis der Leistungsfähigkeit der sozialistischen Wirtschaft. Umgekehrt galten, zumindest bis in die sechziger Jahre, westliche Konsumprodukte als Identifikation mit dem Klassenfeind. (…) Konsumgüter waren so oder so ideologisch aufgeladen.“

Einerseits entstand durch Alltagsprodukte wie der Jeans oder den Schallplatten mit westlicher Musik eine Sehnsucht für die DDR-Bürger:innen. Andererseits zeigt das Alltagsleben, dass es ein stetiger Fluchtversuch ins Private war, sei es durch bunte Wohnungseinrichtungen, das Feiern von privaten Festen oder durch das gemeinsame Ritual abends (West)-Fernsehen zu schauen. Gleichzeitig konnte man sich dem Politischen nie gänzlich entziehen, zumal auch Konsum- und Luxusgüter planwirtschaftlich geregelt waren oder man durch „Exquisit“-und „Delikat“-Läden vor allem diese begehrlich erschienen ließen – das waren Geschäfte, in denen importierte, gehobene oder seltene Kleidung und Lebensmittel teuer verkauft wurden.

Das Buch bildet vor allem eine wissenschaftliche, tiefgründigere Darstellung und gleichzeitig ist es ähnlich gut konsumierbar wie die Informationen in der Ausstellung. Es lässt mich noch einmal mehr für das Thema DDR-Alltag sensibilisieren, als dass es in dem Buch weniger um Nostalgie geht, sondern vielmehr um das allgemeine Verständnis der DDR, gerade auch durch eine kritische Analyse der Alltagsgegenstände.

Fazit

Letztendlich zeigen sowohl die Ausstellung, als auch das Begleitbuch, dass eine Darstellung der Alltagsgegenstände ohne kritischen Blick auf die politischen Umstände der DDR gar nicht möglich ist. Vielmehr ist der DDR-Alltag ein Spiegel des Systems: Die Mangelwirtschaft führte zu einer stetigen Sehnsucht nach Konsumgütern aus dem Westen. Außerdem waren die Staatsoberhäupter der DDR wohl die schlimmsten Kapitalisten, indem sie Produkte in den Westen billig verkauften, und so wiederum einen Versorgungsmangel der eigenen Bevölkerung in Kauf nahmen. Zudem wurden Beziehungen im Alltag eine entscheidende Währung, um überhaupt an beliebte Konsumgüter zu gelangen.

Die hohe Identifikation mit Konsumgütern, aufgrund des stetigen Mangels und der daraus resultierenden Sehnsucht nach eben diesen, war sinnstiftend für die DDR. Mein anfängliche Skepsis einer möglichen Ostalgie, die Ausstellung und Buch hervorrufen könnten, wurde genommen – spätestens nachdem ich mich plötzlich für mehrere Stunden vertieft im Buch wiederfand und auch erst nach 2 1/2 Stunden wieder aus der Ausstellung ging. Dennoch empfehle ich gleichzeitig neben dem Besuch des Museum auch das Begleitbuch zu lesen, da es noch einmal mehr den DDR-Alltag in einen wissenschaftlicheren Kontext setzt.

Bei dem Buch handelt es sich um ein Rezensionsexemplar. Die Ausstellung habe ich eigenständig zusätzlich besucht und bezahlt.

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