Muttermilch psychosomatisch eingeflößt – Rezension zu Levys „Heiße Milch“

Ein Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung, erschienen im Kiepenheuer & Witsch – Verlag Februar 2018

Zum Buch auf der Verlagsseite

Heiße Milch als Wortspiel und Versinnbildlichung von Muttermilch – Als ich meinen Gewinn der Lovelybox im April öffne, spricht mich der Titel des Buches in Verbindung mit dem Klappentext unmittelbar an: Es verspricht, ein Roman über eine enge, emotionale Mutter-Tochter-Beziehung zu werden, die zeigt, dass körperliche Leiden Auswirkungen psychologischer Ursachen sein können. Der Roman ist in Großbritannien vielfach ausgezeichnet und stand auf der Shortlist des Best Booker Price 2016. Anfang dieses Jahres erschien der Roman auf Deutsch: Ob er auch bei mir die Milch zum Überkochen bringt?

Inhalt

Seit Jahren kann Rose nicht richtig gehen, Sofia begleitet ihre Mutter nach Andalusien in eine Spezialklink, um das Beinleiden genauer zu untersuchen. Sie hofft dort, dass Ärzte endlich eine Lösung für die körperlichen Beschwerden ihrer Mutter finden. Sie belasten auch Sofia und führen dazu, dass sie ihr Leben nach ihrer Mutter ausrichtet. Dr. Gomez plant jedoch für die Behandlung, gegen den Willen von Rose, Stück für Stück ihre vielen Medikamente abzusetzen und auf Gesprächstherapien zu vertrauen. Er gilt in der Umgebung als umstritten und als Scharlatan bezeichnet.

Der Aufenthalt in Spanien wird auch für Sofia eine Zeit der Selbstfindung. Sie fühlt sich zu Ingrid aus Deutschland hingezogen und hinterfragt ihre Zukunft: ob sie ihre Doktorarbeit in Anthropologie fortsetzen oder doch vielmehr nach Griechenland fahren sollte, um endlich ihren Vater kennen zu lernen…

Kritik

Inwiefern hat das körperliche Leiden von Rose psychologische Ursachen und zusätzlich Auswirkungen auf die Psyche der Tochter Sofia? Die Frage bewog mich, das Buch zu lesen. Im Laufe des Buches schreit sie mich auch immer mehr an, da im Falle von Rose tatsächlich ihr Beinleiden eine psychologischen Ursache zu haben scheint, ab und zu gelingt es ihr nämlich zu laufen. Die Psychosomatik ihrer Diagnose möchte sie selber aber nicht wahrhaben und ignoriert sie vehement. Sie ist ein unausstehlicher, anstrengender Charakter, der mich mit der Zeit immer wütender machte. „Jetzt versinke doch nicht in Selbstmitleid, sondern versuch einfach mal zu laufen! Lass deine Tochter in Ruhe!“ – dachte ich mir so oft. Die Tochter verstand ich allerdings genauso wenig, nicht endlich auszubrechen und sich von ihrer Mutter zu lösen beziehungsweise wenigstens ihr ihre Meinung zu sagen

Die Geschichte plätschert vor sich hin. Durch die zusätzliche Wut auf Mutter und Tochter, verlor ich während des Lesens immer mehr Lust und Motivation auf das Buch, aber ich las es zu Ende. Es ist immerhin sprachlich schön und intelligent geschrieben. Die Autorin untermalt die Geschichte mit philosophischen Ansätzen und Wortspielen, die mich immer wieder dazu bewogen, weiterzulesen. So möchte ich in diesem Zuge genauso die Übersetzerin loben, die die Sprachkunst Levys im Deutschen sehr gut vermittelt.

Wenn Sofia über sich nachdenkt, geht sie gern im Meer schwimmen, allerdings befinden sich viele Medusen im Wasser. Auch dieses Buch erscheint wie ein Quallenbiss, der einen nicht gänzlich loslässt, aber auch sehr schmerzt.

Fazit

Der Roman überzeugte mich letztendlich leider nicht. Ich persönlich wurde nicht warm mit den Charakteren. Die vermeintlich heiße Milch als Sinnbild für enge Mutter-Tochter-Beziehung, in der auch Gefühlen aufkochen, blieb für mich leider eher lauwarm und köchelte eher vor sich hin. Wer es jedoch sprachlich ausgefeilt und eine abgefahrene Handlung mag und sich zudem sehr für Psychologie interessiert, kann dem Buch auf jeden Fall eine Chance geben und geht es vielleicht besser als mir.

 

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