Dieser scheinbar trübe Monat, wenn man am liebsten den ganzen Tag gemütlich auf dem Sofa, bei einer heißen Tasse Tee, liegen würde und dabei dem Regen lauscht, hat ein absolutes Highlight für uns bereitgehalten: Wir durften die Preisverleihung zum NDR Sachbuchpreis als Bloggerinnen begleiten, mit einer Buchempfehlung und Verlosung. Wir wären sogar zur Verleihung vor Ort in Göttingen eingeladen gewesen, was wir nur leider an einem Wochentag vom Zeitaufwand her nicht umsetzen konnten. Aber wir haben online fleißig mitgefiebert. Wir gratulieren den Gewinnerinnen des Preises: Susanne Götze und Annika Joeres mit „Klima außer Kontrolle“!
Vielen Dank an der Stelle an den NDR für diese tolle Möglichkeit!
Der NDR-Sachbuchpreis
Als Bloggerinnen durften wir den Longlist-Titel „Unter den Augen des Staates“ von Massimo Bognanni begleiten und verlosen. Das Buch ist leider letztendlich nicht in die engere Auswahl der Shortlist gekommen, auch wenn wir es ihm sehr gegönnt hätten!
„Unter den Augen des Staates“ von Massimo Bognanni (Luise)
erschienen bei dtv im Februar 2022
„Auf Basis investigativer Recherche und exklusiven Materials leuchtet Massimo Bognanni die skrupellosen Machenschaften der Betrüger rund um die Cum-Ex-Affäre und das Staatsversagen tiefgehend und vollumfänglich aus – ein packend erzählter Wirtschaftskrimi, der unhaltbare Missstände in unseren Behörden und der Politik aufdeckt.“ Und tatsächlich, das Sachbuch liest sich wie ein Krimi. Nicht nur, weil der Skandal sich ungeheuerlich anhört, sondern auch durch die Erzählform des Autors, indem das Buch in zwei Stränge aufgeteilt ist – der eine Strang beschreibt die Aufdeckung der Cum-Ex-Affäre durch die Staatsanwältin Anne Brorhilker. Der zweite Strang zeigt zum anderen auf, dass der Bund sehr wohl hätte ahnen und voraussichtlich verhindern können, dass die Cum-Ex-Affäre dieses Ausmaß annimmt.
Banker, Topanwälte, Wissenschaftler – ein perfides Netzwerk von Experten hat sich formiert, um deutsche Steuerzahler zu bestehlen. Die Beute: rund 12 Milliarden Euro!
„Gefährlicher Glaube“ von Pia Lamberty und Katharina Nocun (Aline & Luise)
Erschienen im Oktober 2022 bei Bastei Lübbe, und als Hörbuch bei Lübbe Audio
Den Shortlist-Titel „Gefährlicher Glaube“ von Pia Lamberty und Kathrin Nocun haben wir beide als Hörbuch gehört. Wir haben ihn aus zwei Perspektiven betrachtet und beurteilt:
Der Esoterikmarkt boomt! Immer mehr Leute hegen den Wunsch nach mehr Achtsamkeit in der schnelllebigen Gesellschaft. Damit einhergehend bahnt sich auch Esoterik ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft.
Wenn Esoterik mehr wird, als Horoskope und Tarot-Karten-lesen, so können die Grenzen – da gibt Luise Nocun und Lamberty recht – schnell verschwimmen und esoterische Kreise auch Verschwörungstheorien eine Plattform bieten, vor allem wenn Esoterik mit einer Wissenschafts-Skepsis einhergeht. Wichtig für Luises ist es, sich bewusst mit Esoterik und den Phänomenen wie Alternativmedizin, Homöopathie oder dem Barnum-Effekt auseinanderzusetzen. Die Begriffe werden im Buch erklärt. Aber auch für ihren Geschmack werden als Anwendungsbeispiele zu sehr die Extremfälle wie Wunderheiler:innen, Verschwörungstheorien und rechte Esoterik genannt.
Nach Aline wird am esoterischen Glauben kritisiert, keine zweite Meinung zuzulassen, wobei es ihrer Meinung nach genau das ist, was die Autorinnen tun: Keine zweite Meinung zulassen. Für Aline besteht eher die Gefahr in der Entdeckung des Wortes Spiritualität durch Werbeagenturen und Influencer:innen, weniger in der Spiritualität als solches.
Zu unserer ausführlichen Besprechung der NDR-Sachbuchpreis-Titel geht es hier.
„Aufzeichnungen eines Seriemörders“ von Kim Young-Ha (Aline)
Erschienen 2020 im Cass-Verlag
Der 70-jährige Byongsu Kim hat das Morden vor 25 Jahren aufgegeben und ist in den Ruhestand gegangen. Aufgegeben hat er es seiner Tochter zuliebe, die jetzt, als er 70 ist, ihm das erste Mal einen Mann vorstellt, in den sie sich verliebt hat, ja ihn sogar heiraten will. Doch ein Blick in die Augen des auserwählten und Byongsu merkt sofort, ihm sitzt ein Serienmörder gegenüber, genau wie er einer war. Also beschließt der 70-Jährige, den Ruhestand aufzugeben und seine Tochter vor dem Mörder zu beschützen. Einziges Problem ist seine fortschreitende Demenz, die ihm ein Strich durch die Rechnung macht. Mit Hilfe von kleinen Klebezetteln und Tagebucheinträgen versucht er sich die Gegenwart und Vergangenheit zu bewahren und gegen das nahende Vergessen zu wappnen. Kim Young-ha schafft es, die Erzählstränge so spielend leicht, spannend und humoristisch zu verknüpfen, sodass – obwohl der Roman recht schmal und die Kapitel sehr kurz und auch eher wie Klebezettel und Tagebucheinträge aufgebaut sind – die Spannung und Faszination für das Motiv des Romans nicht verloren geht. Ich ertappe mich dabei, Mitgefühl mit dem Protagonisten dem Serienmörder zu entwickeln, der seine Vergangenheit verliert. So frage ich mich, ob ich Mitgefühl für einen Serienmörder haben darf. Und ich bin überrascht über einen plötzlichen Twist in der Geschichte, den ich so nicht habe kommen sehen. Für schnelle und spannende Unterhaltung ist der Roman „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ in jedem Fall bestens zu empfehlen. Aus dem Koreanischen von Inwon Park.
„Das Muschelessen“ von Birgit Vanderbeke (Luise)
Erschienen 2009 bei S.Fischer-Verlage als Taschenbuch
Anlässlich des Tags des Mauerfalls (09.11.) stelle ich „Das Muschelessen“, eine beliebte Schullektüre, vor. Aber wie das mit Pflichtlektüren so ist, kann man ihren Wert oft nicht gleich nachvollziehen. Daher bin ich ganz froh, dass mir das Buch während meiner Schulzeit nicht begegnet ist, sondern mir jetzt erst von einem emeritierten Lehrer empfohlen wurde. Interessant finde ich, dass das Buch laut seiner Aussage gern gewählt wurde, damit auch mal ein Buch einer Autorin Platz im Schulkanon findet. Und obwohl ich es gern gelesen habe, bin ich der Meinung, dass es deutlich mehr wertvolle Bücher von Frauen gibt.
Das Buch ist im, von mir beliebten, Kammerspiel-Charakter geschrieben. Die Familie wartet auf den Vater, um auf seine Beförderung anzustoßen. Die Mutter hat extra das beliebte Festtagsessen gekocht: Muscheln. Alle freuen sich auf den Abend, so zumindest scheint es anfangs. Als jedoch der Vater nicht zur bekannten Abendessenszeit, Punt 18 Uhr, erscheint, werden die Hüllen Stück für Stück fallengelassen. Muscheln mag in der Familie eigentlich niemand. Immer mehr entpuppt sich das vermeintliche Familienglück als Horror.
Das Besondere für mich sind die vorherrschend sprachlichen Stilmittel der Wiederholung und Sätze ohne Punkt und Komma. Es scheint, als ob die Tochter, die Ich-Erzählerin, aufgebracht darauf losredet und die Geschichte den Leser:innen direkt danach erzählt. Sie beschreibt die Charaktere und Hintergründe ihrer Familie, die aus der DDR geflüchtet ist. Die Vater-Figur als zwanghaft kontrollierend, der die Familienmitglieder verhört, erinnert mich an die Stasi. Doch wie ich später recherchiere, kann man die Familie insgesamt als Allegorie der DDR-Bevölkerung sehen, die lange das politische System samt Kontrolle und Schikanierungen erduldet hat – der Zerfall des Familiengefüges als Niedergang der DDR, im übertragenen Sinn. Die Interpretation klingt für mich aber doch sehr pädagogisch.
Die Brontë-Schwestern (Aline)
In den nächsten zwei Beiträgen möchte ich mich den Brontë-Schwestern widmen. Anne, Charlotte und Emily, die mit ihren Romanen Vorreiterinnen zur Zeit des 19. Jahrhunderts waren, sich gegen das patriarchale System und seinen Grenzen zur Wehr setzten. Damals wurde ihre Literatur als rebellisch und pornografisch empfunden. Doch wie blicken wir heute darauf?
„Jane Eyre“ von Charlotte Brontë
Erstmals erschienen 1847
Den Auftakt bildet Charlotte. Sie veröffentlichte „Jane Eyre“ 1847 unter dem Pseudonym Currer Bell. Der Roman erzählt die Lebensgeschichte von Jane Eyre, die als Waisenkind von ihrer adligen und strengen Tante aufgenommen, später im Internat als Lehrerin ausgebildet wird und daraufhin eine Anstellung als Gouvernante findet. Sie und der Hausherr verlieben sich, die beiden wollen heiraten, was jedoch scheitert. Jane flieht daraufhin, lernt auf der Flucht ihre Verwandten kennen und kehrt dann doch wieder zurück. Aus Liebe heiraten sie und ihr damaliger Hausherr dann doch noch. Dieser sehr schnell erzählte Inhalt erstreckt sich auf 700 Seiten und hat mich sehr an Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ erinnert. Beinahe zur gleichen Zeit erschienen finde ich Parallelen und Unterschiede, beide bilden die damalige britischen Gesellschaft ab. Heute würde das Leben der Jane Eyre vermutlich spätestens ab ihrer Anstellung als Gouvernante anders verlaufen. Im Kontext des Jahres 2022 muss ich über die Vorwürfe der Pornografie doch sehr schmunzeln und wundere mich, über die Person Jane und ihre scheinbare Unselbstständigkeit. Aber im historischen Kontext betrachtet, erkenne ich feine Züge und erste Anzeichen einer Bewegung von Frauen, die immer selbstständiger und selbstbewusster auftreten und im Verlaufe der Jahrhunderte immer stärker und unabhängiger werden. Ob wir dieses Selbstbewusstsein auch in dem Roman ihrer Schwestern finden werden?
„Die Sturmhöhe“ von Emily Brontë
Erstmals erschienen 1874
Unter dem Pseudonym Ellis Bell veröffentlicht Emily Brontë 1874 den Roman „Die Sturmhöhe“. In einer abgeschiedenen Moorlandschaft spielt das Drama rund um den Findling Heathcliff und seiner Ziehgeschwister Cathrine und Hindley, die auf Wuthering Hights groß werden. Nachdem Heathcliff in die Familie gekommen ist, beginnt das Mobbing durch Hindley, der den Jungen als Bruder ablehnt. Nach dem Tod der Eltern wird die Ablehnung und Gewalt gegen ihn immer größer, bis Heathcliff von dem Gut flieht. Im Laufe der Jahre zuvor haben sich Heathcliff und Cathrine ineinander verliebt, doch wider besseren Wissens heiratet Cathrine in Heathcliffs Abwesenheit den wohlgesitteten Nachbarn Edgar Linton. Nach der Rückkehr Heathcliffs auf Wuthering Hights entlädt sich dessen gesamte aufgestaute Wut und Rachedurst über die Familien und über die nachfolgenden Generationen. Die Handlung und Charakterbildung der Protagonisten empfinde ich als stärker und überzeugender, als ich es zuvor in Jane Eyre gelesen habe. Der Roman hat insgesamt für mich mehr Tiefgang und ist deutlich düsterer gezeichnet. So findet sich in „Die Sturmhöhe“ kaum offensichtliche Liebe, dafür aber viel Missgunst, Lieblosigkeit und Rachegelüste. Keiner der Protagonisten ist mir sonderlich sympathisch, viel mehr bin ich über die Brutalität einiger und das ignorierende Desinteresse bestürzt. Betrachte ich jedoch mit Abstand die Gesamtheit des Romans, so zieht es mich in den Bann, wie alle Charaktereigenschaften der Protagonisten ineinandergreifen und viel mehr Tiefe offenbaren, als es erst scheint. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, hier ein stärkeres Bild der Realität von damals zu lesen. Und das Bezeichnende: Als nach dem Tod von Emily Brontë bekannt wird, dass eine Frau den Roman geschrieben hat, wird der zuvor von den Kritikern hochgelobte Roman plötzlich verrissen. Dass eine Frau so einen Roman hätte schreiben können, war damals undenkbar. Und auch heute bekommen Klassiker von Autorinnen in der Weltliteratur nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Auch der dritten Schwester Anne Brontë möchte ich mich, aber mit etwas Abstand vom viktorianischen Zeitalter, widmen.
„Die Muse von Dior“ von Marius Gabriell (Luise)
Erstmals 2019 erschienen im Rowohlt-Verlag
Der Terminkalender füllt sich in der Adventszeit mit Treffen wie Weihnachtsfeiern oder Weihnachtsmarktbesuchen mit Freunden und Familie. Da bietet sich zur Entspannung eine kurzweilige, schöne Geschichte an: Hier empfehle ich „Die Muse von Dior“:
Paris, 1944: Copper ist ihrem Mann, einem amerikanischen Kriegsreporter, nach Frankreich gefolgt. Seit dem Ende der deutschen Besatzung vibriert die Stadt vor Abenteuer- und Aufbruchsgeist. Auch Copper sehnt sich nach Veränderung, sie ist es leid, nur als Sekretärin für ihren Mann zu arbeiten und dessen Untreue zu erdulden.
Als sie dem aufstrebenden Modedesigner Christian Dior begegnet, wagt sie ein selbstbestimmtes Leben als Journalistin und lässt sich scheiden. Und Dior hat Pläne für ein eigenes Modehaus und macht Copper zu seiner Muse.
Der historische Roman ist herzerwärmend, ohne kitschig zu sein. Er handelt von einer ernsten Zeit, lebt aber von der Leichtigkeit der Protagonisten. Er spielt in einer vergangenen Epoche, aber handelt von Künstler:innen, die schon damals Diversität gelebt und von einer gleichberechtigten Gesellschaft geträumt haben.
„Reality-Show“ von Amelie Nothomb (Aline)
Erschienen 2009 bei Diogenes
Das war er also, mein erster Amélie-Nothomb-Roman. Eine fulminante „Reality-Show“, die noch lange in mir nachhallen wird. In dem Roman von 2009 erzählt die Autorin eine Reality-Show nach, in der ein Sender ein Konzentrationslager inszeniert. Das Publikum darf mitspielen und jeden Tag zwei Gefangene auswählen, die zum Tode verurteilt werden. Die Gefangenen wurden zuvor zufällig auf der Straße ausgewählt, gekidnappt und in das Konzentrationslager gebracht. Ob Kind, Greis oder junge Erwachsene spielte dabei keine Rolle. Auch ihre Namen und Vergangenheit nicht, ihre Identität wird ausradiert und gegen Namen wie EPJ 327 oder CKZ 114 ausgetauscht. „Der einzige Vorteil der Gefangenen war, dass sie als einzige nie auch nur eine Sekunde lang „Konzentration“ gesehen hatten. „Ich frage mich, welche Stellen das Publikum am meisten interessiert“, sagt MDA 802 während des Abendessens. „Die Hinrichtungsszenen, da bin ich mir sicher“, sagt ein Mann.“. Zur Heldin der Geschichte wird eine junge Frau, CKZ 114, die versucht herauszufinden, wie sie unter diesen Umständen ihre Würde bewahren und das Lager unbeschadet übersteht. Draußen schlägt die Presse Alarm und verurteilt die Sendung auf das Schärfste, doch die Einschaltquoten beweisen eine nie dagewesene Beliebtheit und die Mitmachquote bei der Auswahl der „Todeskandidaten“ ist jedes Mal hoch. Die Situation der eigenen Vier-Wände, auf dem Sofa sitzend mit der Fernbedienung in der Hand, scheint zu vereinfachen, über Leben und Tod der Menschen zu entscheiden. Auf so vielen Ebenen macht mich der Roman fassungslos und fasziniert mich zugleich. Neben den Parallelen zur NS-Geschichte, schießen Assoziationen über Sendungen wie das Dschungelcamp, Big Brother und Co. in meinem Kopf kreuz und quer. Geschichte, die zur Reality-Show wird, wie konnte es nur so weit kommen? Und was macht es mit den Menschen vor und hinter den Bildschirmen? „Ein Buch ist ein Zünder, mit dem man die Leute zum Reagieren bringt“, steht als Zitat der Autorin im Klappentext. Danach kann fast nichts mehr kommen. Oder?
Kulturelle Identitätssuche (Luise)
Eher zufällig ist mir die Kultur des Kurdischen Volks in gleich zwei zuletzt gelesenen Romanen begegnet und dabei wurde mir einmal mehr bewusst, dass sie ein Volk ohne Staat sind:
„Mein Onkel, den der Wind mitnahm“ von Bachtyar Ali
Erschienen im August 2021 im Unions-Verlag
Djamschid Khan ist hinter dicken Gefängnismauern dünn geworden. Leicht wie Papier, sodass ihn eines Tages ein Windstoß erfasst und ihn fortträgt, über die Mauern des Gefängnisses hinweg und hinaus in die weite Welt.
Übersetzt wurde der Roman von Bachtyar Ali „Mein Onkel, den der Wind mitnahm“ aus dem Kurdischen. Für mich scheint Djamschid Khan letztendlich ein Sinnbild für das kurdische Volk, das immer wieder verfolgt und vertrieben wird, immer wieder von Neuem beginnen und seine Identität neu suchen muss. Die Erzählung gleicht einer Fabel für Erwachsene, das auf schmalen 160 Seiten kurzweilig und berührend und zugleich eine bedrückende Geschichte ist.
„Dschinns“ von Fatma Aydemir
Erschienen im Februar 2022 bei Hanser Literaturverlage
Endlich kann sich Hüseyin seinen Traum erfüllen: eine Eigentumswohnung in Istanbul. Jahrelang hat er dafür als Gastarbeiter in Deutschland gearbeitet. Am Tag des Einzugs jedoch stirbt er an einem Herzinfarkt.
Als Leser:innen begleiten wir die vier Kinder auf dem Weg zur Beerdigung. Jedem wird ein Kapitel gewidmet, sodass wir tiefergehend von den jeweiligen Wünschen und Träumen, aber auch über ihr Verhältnis zu den Eltern erfahren. Umrandet wird der Roman mit einem Kapitel aus der Sicht des Vaters und einem aus der Sicht der Mutter. Beide Kapitel sind so geschrieben, als würde jemand mit ihnen sprechen und auch Befehle geben, vielleicht der Geist ‚Dschinns‘? Als würden sie fremdbestimmt sein, geprägt durch Traditionen und Obrigkeitsdenken. Im Gegensatz dazu versuchen sich die Kinder davon zu befreien und gehen ihr eigenes Leben. Gleichzeitig bleiben sie als Familie verbunden, arbeiten sich jeweils an ihren Eltern ab.
„Dschinns“ ist ein packender Familienroman und für mich verdient auf der Shortlist des Deutschen Buchpreis. Für mich greift er im thematischen Kern die ‚Identitätssuche‘ auf, in verschiedenen Facetten, sei es die eigene, die der Familie, aber auch die eines Volkes. So begegnet mir hier wieder die Schicksalsgeschichte des Kurdischen Volks. Fatma Aydemir greift auch auf, dass das Kurdische Volk einen Kampf austrägt zwischen Schweigen über die eigene Identität und das Einstehen für sich selbst. Schweigen, ein Element, das den Roman zusammenhält. Schweigen über die eigenen Gefühle, über die Probleme in der Familie und über die kulturell-religiöse Identität.
Zur ausführlichen Besprechung der beiden Titel, geht es hier.
Fazit
Wir sind selbst ganz beeindruckt von der Fülle an Themen und Buchbesprechungen in diesem Monat. So haben wir zehn Bücher vorgestellt. Und auch die Themen könnten wieder nicht vielfältiger sein, von Klassikern, Sachbüchern bis hin zu Romanen aus fernen Ländern. Vor allem wird es geballt weitergehen. Freut euch auf besondere Highlights und Aktionen im Advent. Buchige Geschenktipps zu Weihnachten werden natürlich auch wieder dabei sein, in diesem Sinne wünschen wir euch schon einmal eine fröhliche Adventszeit. Sowie eine schöne heiße Tasse Tee!