Im April haben wir uns endlich wiedergetroffen und das fast genau in der Mitte zwischen Köln und Hamburg: in Münster, in einem Hotel auf einem ehemaligen Gutshof. Wir haben unser selbsternanntes Blog-Retreat mit vielen Gesprächen über Bücher, Genuss durch leckeres Essen und gute Drinks sowie Wellness – dank einer Massage, Sauna und Pool – verbracht. Und natürlich mit vielen Lesestunden! Unser Lieblingssatz an diesem Wochenende war definitiv: „Okay warte, ich lese nur noch dieses Kapitel zu Ende!“
Hier ein paar Eindrücke:






Einen Rundumblick findet ihr außerdem in unserem Reel auf Instagram.
Und welche Bücher uns diesen Monat begleitet haben? Diese folgen nun:
Auf die Ohren – Podcast
In dieser Folge wartet ein Doppelwumms an Blind Dates auf euch. Die Bücher haben wir uns jeweils geschenkt, als Luise bei Aline in Hamburg Anfang des Jahres war. Beide Bücher spielen in Ostdeutschland. Sonst könnten sie allerdings wohl unterschiedlicher nicht sein:
Aline stellt diesmal einen historischen Familienroman mit dem ersten Satz „Ich warf den Rucksack in das alte Holzboot“ vor – aus dem Roman „Als Großmutter im Regen tanzte“ von der Norwegerin Trude Teige: Eine Geschichte, zu der Aline vermutlich selber nicht gegriffen hätte, über die Fluchtbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg und der ins ostdeutsche Demmin führt. Leider konnte diese sie nicht gänzlich überzeugen.
Das Buch, welches Luise vorstellt, ist eine humorvolle Liebeserklärung an Berlin und das Leben. Es startet mit dem ersten Satz: „Die mittleren Jahre, in denen du weder jung noch alt bist, sind verschwommene Jahre“ – aus „Marzahn, Mon Amour“ von Katja Oskamp. Genauso hat Luise die gleichnamige Fernsehserie angefangen und spricht von ihrem ersten Eindruck, als dass sie es als eine stimmige Erweiterung des Buches empfindet, in dem die Geschichten der Fußpflegerin in sich geschlossen sind und in der Serie sich mehr verbinden und lebendiger werden.
Hier geht’s zur Folge auf Spotify. Unseren Podcast findet ihr auf den gängigen Podcast-Plattformen.



Nächste Woche erscheint übrigens bereits die nächste Folge, die wir zusammen auf unserem Blogretreat aufgenommen haben. Seid gespannt!
Schwerpunkt Backlistlesen
Unser Backlistbuch des Monats haben wir bereits ausführlich in einem Blogbeitrag vorgestellt, aber hier noch einmal als Erinnerung für alle die „Mit der Faust in die Welt schlagen“* von Lukas Rietzschel noch nicht gelesen haben, oder den Film, der seit Anfang April im Kino läuft, noch nicht gesehen haben. Hier geht es direkt zu unserer Buch- und Filmkritik: Ostdeutsche Melancholie in Bildern und Worten
Ein Lesehighlight von Luise: „Klapper“ von Kurt Prödel
Erschienen im Ullstein Verlag, Januar 2025
Zitronen-Krümel-Eistee, Counter-Strike, Kollegah-Punchlines: der Debütroman „Klapper“ versetzt einen in die frühen 2000er, in die Jugend der Computer-Nerds, in der manchmal nur ein „K“ oder ein „WTF!“ reicht, um sich zu verständigen und einander zu verstehen. Obwohl ich selbst kein Counter-Strike gespielt habe und Kollegah nicht mein Soundtrack war – diesen Vibe habe ich gespürt. Ich fühlte mich mittendrin: in den Unsicherheiten der Jugend, der Suche nach Anschluss, und den kleinen Momenten der Freundschaft, die alles bedeuten.
Kurt Prödels „Klapper“ hat mich mehr als berührt. Was als ein nerdiges Retro-Coming-of-Age beginnt, entfaltet sich zu einer zarten, tiefgehenden Geschichte über Freundschaft, erste Nähe und das, was bleibt, wenn alles vorbei ist.
Klapper, der zurückhaltende Teenager mit knacksenden Gelenken, und Bär, laut, mutig und frei, begegnen sich in der Schule, im Spiel, im Gefühl und geben einander Halt, wenn die Familiensituation jeweils unerträglich wird. Prödel erzählt so ehrlich und eindrücklich, dass es fast wehtut – im besten Sinne.
Und dann kommt diese Wendung, die sich nicht nur mit einem Knall ankündigt, sondern mit einem Nachhall bleibt. Zwar hat es mich auch etwas ratlos zurückgelassen, da danach relativ schnell der Roman endete. Egal. Denn: „Klapper“ ist ein eindrucksvolles, berührendes Debüt, das mich positiv überrascht hat, für mich nachklingt und bleibt.
Wie der Geschmack von Zitronen-Krümel-Eistee auf der Zunge aus meiner Jugendzeit.
Für mich wurde der Roman verdient mit dem Debütpreis der lit.cologne ausgezeichnet.
Nun bin ich sehr gespannt auf die Lesung in Köln, am 30. Mai.
In Hamburg wird Kurt Prödel übrigens bei der Langen Nacht der Literatur am 6.9. dabei sein.


Ein Lesehighlight von Aline: „Die Frauen von Bidi Bidi“ von Charline Effah*
Aus dem Französischen von Ela zum Winkel, erschienen im Orlanda Verlag, März 2025
Minga wächst ohne ihre Mutter auf, nachdem diese vor ihrem gewalttätigen Mann geflohen war. Die letzte Erinnerung, die Minga seitdem in ihrem Herzen trug, ist, wie sie ihrer Mutter beim Abschied ihr Taschengeld gab. Nun, viele Jahre später, ist ihr Vater tot, und Minga entdeckt Briefe ihrer Mutter, die an sie, die Tochter, adressiert sind. Darunter befindet sich ein Brief, der den mysteriösen Tod der Mutter vermeldet und von einer Hilfsorganisation in Ostafrika versendet wurde.
So begibt sich Minga auf Spurensuche nach Bidi Bidi, in eines der größten Flüchtlingscamps der Welt, und trifft dort auf Frauen, die vor Bürgerkrieg und Gewalt geflohen sind. Indem Minga das Schicksal der Frauen kennenlernt, begreift sie, wie sehr deren Kampf ums Überleben und das Schicksal ihrer Mutter zusammenhängen.
„Du bist bis nach Bidi Bidi gekommen, bist den Spuren meiner Geschichte gefolgt. Ich hoffe, du hast Antworten gefunden und zwischen den Nähten meiner Geschichte auch diesen Teil von dir, von deiner Mutter, entdeckt.“ (S. 192)
Charline Effah hat mit „Die Frauen von Bidi Bidi“ einen atmosphärisch dichten Roman geschrieben, der wütend macht – wütend über das Schicksal vieler Frauen, die vor Krieg, Gewalt, Hunger und anderen Nöten, insbesondere in ärmeren Regionen der Welt, fliehen müssen. Dabei nähern wir uns in drei Abschnitten und aus unterschiedlichen Perspektiven drei Frauen, deren Geschichten im Flüchtlingscamp eng verzahnt sind und die durch die Protagonistin Minga miteinander verbunden werden.
Wer Mareike Fallwickls Roman „Die Wut, die bleibt“ mochte, wird auch diesen von Ela zum Winkel übersetzten Roman mögen, sei es nicht zuletzt wegen der anhaltenden Wut, die wie ein Feuerball in der Magenregion brodelt und diesen auf eine internationale Ebene hebt.



Weitere Bücher im April – Kurz zusammengefasst
„Stromlinien“* von Rebekka Frank spielt vor der wunderschönen Naturkulisse Hamburgs, besonders dem Alten Land und dem Elbufer. Fast schon krimihaft erzählt Frank eine Familiengeschichte, die sich über ein ganzes Jahrhundert erstreckt und dabei viele Kapitel aufmacht. So konnte es Aline aufgrund der vielen Themen leider nicht gänzlich überzeugen.
Im Mittelpunkt von „No Hard Feelings“* von Genevieve Novak (übersetzt von Babette Schröder) steht Penny, die sich oft mit ihren erfolgreichen Freundinnen vergleicht. Luise findet, dass der Roman ideal zum Abschalten ist, nicht allzu kitschig oder allzu übertrieben.
In dem neue Roman „Play“* von Johann Scheerer wagt Dave einen Balanceakt aus Care-Arbeit für seine vier Kinder und einer Karriere als Musikmanager. Dabei bietet der Roman einen gelungenen Perspektivwechsel und wird durch viele, oft unterhaltsame, Dialoge gezeichnet.
Wie das übrigens gerne so kurz nach der Leipziger Buchmesse ist – wenn die Frühjahrs-Highlights in den Verlag erscheinen – sind es bei uns diesmal einige Rezensionsexemplare gewesen, die wir besprochen haben. Doch dies beeinflusst uns nicht in unserer Meinung, sondern wir bleiben in unserer Haltung konstruktiv.
*Rezensionsexemplar