*Presseexemplar*
Diese Woche fand der „Internationale Frauentag“ statt, beziehungsweise in feministischen Kreisen lieber als Feministischer Kampftag bezeichnet. Denn er soll zum einen nicht nur Frauen als Gruppe integrieren, sondern insgesamt für eine Geschlechtergerechtigkeit stehen, zum anderen nicht nur suggerieren, dass Blumengeschenke für Frauen als Geste reichen würde. Es geht vielmehr um den stetigen Kampf um Gleichberechtigung. Unsere passende Buchempfehlung!:
„Penelope – und die zwölf Mägde“ von Margaret Atwood
Erschienen Oktober 2022 im Goldmann Verlag
Inhalt
Penelope, in der griechischen Mythologie die Frau von Odysseus – die spartanische Prinzessin gilt als Sinnbild der treu liebenden Ehefrau und Mutter, die zwanzig Jahre geduldig die Heimkehr des heldenhaften Ehemanns erwartet, darunter war er zehn Jahre im Krieg, drei auf Irrfahrten und sieben bei einer zauberhaften Frau. So erzählt es die »Odyssee«. Doch wie würde die Geschichte lauten, wenn Penelope sie aus ihrer Perspektive erzählen würde? Schonungslos hält die Penelope von Margaret Atwood Rückschau auf ihr Leben. Sie berichtet von der gnadenlosen Konkurrenz mit der hübschen Cousine Helena, ihrer Gegenspielerin – einer Femme fatale; von der Zwangsverheiratung mit Odysseus, einem Mann, dem der Ruf vorauseilte, ein Aufschneider zu sein und von den Intrigen und Skandalen am Hofe Ithakas. Ergänzt wird Penelopes Erzählung vom Chor ihrer Mägde, die ihren Dienst mit dem Leben bezahlten und nun nach Gerechtigkeit verlangen.
Kritik
„Homer hätte große Augen gemacht!“ – so der WDR über das neue Buch von Atwood. Ich zögerte anfangs allerdings, da ich glaubte, die Geschichte sei zu sperrig und altertümlich geschrieben. Doch Magaret Atwood verleiht der Penelope einen modernen Anstrich, als dass sie aus der Geisterwelt zu uns heute spricht. Sie gibt nicht nur Penelope eine Stimme, der das Korsett der ehrbaren Ehefrau aufoktroyiert wurde, sondern Frauen insgesamt, die einerseits gerade in der früheren Geschichtsschreibung und in Sagen im Schatten ihrer Männer standen, oder andererseits als Femme Fatale objektifiziert und sexualisiert wurden.
Diverse Mythen und Sagen wurden im Auftrag von Verlagen weltweit neu interpretiert. Hier ist es für mich wenig verwunderlich, dass Margaret Atwood einer der Autor*innen ist, die sich an diesem besonderen Projekt beteiligt haben. Bewies sie doch bereits in den Achtzigern ihre feministische Ader in „Der Report der Magd“, einer Dystopie über einen patriarchalen Gottesstaat, in dem Frauen keine Rechte haben und die Sklavinnen, genannt Mägde, als Gebährmaschinen ausgenutzt wurden. So habe ich den Eindruck, dass es auch nicht zufällig ist, dass sich Atwood für die Odyssee entschied, indem die Sklavinnen von Penelope und Odysseus auch als Mägde bezeichnet wurden. Es schien sie für ihren eigenen Bestseller-Roman inspiriert zu haben.
Margaret Atwood wagt in „Penelope“ zudem ein spannendes Gedankenspiel: Was wäre, wenn Jahrhunderte später noch Vergeltung geübt werden könnte und zwar nach den Maßstäben des Hier und Jetzt? Wäre das denkbar? Die Mägde mussten sterben, da sie ihrem Herren Odysseus fremdgegangen seien, unter Zwang. Wäre es gerechtfertigt, Odysseus heute noch zu verurteilen? Immerhin handelte er nach damaligen Gesetzen. Auch die Penelope aus der Geisterwelt stößt an ihre Grenzen, sie verharrt in für sie traditionell gewachsene Stereotypen, sieht sich weiterhin als die Ehrenvolle, die moralisch handelt. Im Gegensatz zur Cousine Helena, die zwar Sehnsüchte bei den Männern weckte, aber abgewertet wurde als Femme Fatale. Penelope nimmt ihren Mann Odysseus in Schutz, der keine Wahl gehabt habe. Doch Mord verjährt nicht.
„Wir hatten keine Stimme
wir hatten keine Wahl
wir hatten keinen Namen
wir litten nur die Qual
und hatten ein Gesicht, eins für uns alle
wir saßen in der Falle“ (Epilog, die Mägde)
Fazit
Sicher unterliegt diesem benannten Gedankenspiel eine hochphilosophisch delikate Frage, über die man Stunden diskutieren könnte. Jedoch ist es meines Erachtens ein erlaubtes Gedankenexperiment! Neben dieser Lektüre kann ich die aktuelle Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle „Femme Fatale“ (bis April 2023) empfehlen, die Kunst unter dem Motiv der Femme Fatale beleuchtet. Hier ist mir auch Helena häufiger begegnet. Die Ausstellung half mir, auch dieses Buch noch einmal tiefergehender beleuchten zu können, was vorgefertigte Meinungen von Gut und Böse in der Geschichtsschreibung in Bezug auf Frauenbilder betrifft.