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Unser Lesemonat März
Wir spüren die ersten Sonnenstrahlen auf der Haut und es schauen die ersten Frühlingsblüher aus der Erde hervor. Genauso schmücken sie unsere Wohnungen, für mehr Farbe nach all dem Grau des Winters. Vor allem durften wir unseren fünften Geburtstag feiern, und damit unser allererstes Jubiläum verrückt, oder?
*Happy Birthday to us*
Wir haben natürlich Sektoren knallen lassen, haben die Torte angeschnitten und ließen ganz viele Bücher fliegen. Aline hat sich zudem ein paar Fragen überlegt und die Gründerin des Blogs, Luise ausgefragt, wie die letzten 5 Jahre so waren. Ihre Antworten gibt es hier zum Nachlesen.
Aber natürlich haben wir diesen Monat nicht nur Sekt geschlürft, um Gottes Willen, sondern auch Bücher gelesen. Es war also viel los auf dem Blog, daher folgt hier ein kurzer Rückblick auf unseren Lesemonat:
„In all deinen Farben“ von Bolu Babalola (Aline)*
erschienen im Eisele Verlag (03/2022)
„In all deinen Farben“ feierte am 10. März seinen book-release-day und erscheint erstmalig auf Deutsch. Es wurde von Bolu Babalola geschrieben und fällt schon mal durch das wunderschöne Cover auf. Geschrieben von einer Frau für Frauen auf der ganzen Welt kommen hier zehn Kurzgeschichten daher, die von Mythologien und Märchen auf der ganzen Welt inspiriert sind. Sei es Ghana, Guinea, Lesotho, Nigeria, Persien, Griechenland, China oder das alte Ägypten. In jedem Land können Geschichten von alten Königen und Königinnen, Kämpfern und Rächern erzählt werden. Diese greift die Autorin auf und überträgt sie in die Moderne. In ihrem Nachwort schreibt die Autorin „Viele der zugrunde liegenden Märchen und Mythen sind so alt, dass sie sich nicht datieren lassen, zudem entstanden sie in einem patriarchalisch dominierten Kontext und strotzen vor Frauenfeindlichkeit und Gewalt“. Die Frauenfeindlichkeiten und Gewalt wandelt Bolu Babalola um in etwas Schönes: Sie erschafft starke, selbstbewusste Frauen und schreibt damit die jahrhundertealten Märchen und Mythen um. Für die nächsten Generationen von starken Frauen. Denn auch wenn (Haut)farben keine Rolle spielen sollten, empfand ich es als eine schöne Abwechslung, in die Mythen und Geschichten – insbesondere der afrikanischen Kulturen – abzutauchen, die mir bisher eher unbekannt waren. Dafür das Mittel der Liebe zu nehmen, diese in all ihren Facetten abzubilden und aus einem auf den ersten Blick vielleicht Liebesroman, auf den zweiten aber ein feministisches Empowermentbuch zu machen, empfinde ich als großartig. Und wenn wir aus diesem Buch lernen und die Liebe regieren lassen, dann wird die Welt vielleicht ein etwas friedlicherer Ort. Hier geht es zur ausführlichen Rezension von Aline.
„Jung, besorgt, abhängig“ von Ronja Ebeling (Luise)*
erschienen im Eden Verlag (09/2021)
Ein Buffet auf der Familienparty mit verschiedenen Kuchen- und Tortenvariationen. Anstatt allerdings beim Tortenanschnitt dabei zu sein, kommen wir mitternachts und der Festtisch ist fast leer gefegt. Wir sind die junge Generation, das Kuchenbuffet die Rente. Wir kommen zu spät, sind von Altersarmut bedroht, wenn wir uns nicht selbst kümmern und uns weiterhin auf Politiker:innen verlassen, die mehrheitlich unserer Eltern-, oder gar Großelterngeneration, angehören. Diese Analogie von Ronja Ebeling finde ich sehr anschaulich, die sie in „Jung, besorgt, abhängig“ anwendet, um wachzurütteln.
„Mich macht es wütend, dass sich Politiker:innen für eine verpflichtende Altervorsorge aussprechen, aber sich selbst nicht in der Zuständigkeit sehen, die Grundversorgung zu schaffen“.
Wir wissen es eigentlich selbst, dass gerade unsere finanzielle Zukunft ungewiss bleibt oder auch im Bereich Klimaschutz und gleichberechtigte Gesellschaft sind wir eigentlich aufgeklärter, aber trotzdem scheinen wir uns in einer Handlungsohnmacht zu befinden. Das Sachbuch veranschaulicht, dass die eigentlichen Kompetenzen bei der jungen Generation selbst liegen, die Führungsebene in der Wirtschaft und Politik muss mehr von jungen Menschen beflutet werden. Wir müssen bei uns anfangen, vor allem auch im Bereich Vorsorge.
„Eurotrash“ von Christian Kracht (Aline)
erschienen bei KiWi 03/2021, als Hörbuch bei Finch & Zebra
An „Eurotrash“ bin ich gefühlt im letzten Jahr nicht vorbeigekommen. Das mag unter anderem daran liegen, dass der Roman von Christian Kracht 2021 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand. Vielleicht aber auch daran, dass „Eurotrash“ die Fortsetzung von „Faserland“ ist und damit lang ersehnt war. In „Eurotrash“ spinnt der Autor die Geschichte weiter und wieder begibt sich der Hauptcharakter auf eine Reise. Auf eine Reise durch die Schweiz, gemeinsam mit seiner kranken und alkoholabhängigen Mutter. Auf eine Reise durch das Innenleben des Ich-Erzählers und dem Umgang des „Ich’s“ mit der Tragik seiner eigenen Herkunft. Und dabei kann nur gemutmaßt werden, ob es sich bei dem Ich-Erzähler um den Autor selbst handelt. Gelesen von Christian Kracht persönlich habe ich das Hörbuch kürzlich bei Spotify entdeckt und habe es innerhalb kürzester Zeit durchgehört. Jetzt habe ich dringend Bedarf „Faserland“ zu lesen. Hat jemand ein Exemplar abzugeben?
„Gelati! Gelati!“ von Tobias Premper und Martin Lechner (Luise)*
erschienen in der Edition Azur (08/2021)
„Wind zog auf und ich beschloss, in den Wald zu gehen. Auch wenn meine Jacke für den Wald noch in der Reinigung war. Unter den Bäumen, ls mir der Winde die Haare zersauste, musste ich an das Meer denken. Und mit jedem Schritt durch den fauchenden Wald dachte ich noch stärker an das Meer. Und als mich die Äste der Bäume des Waldes bereits in die Arme genommen und vom Boden in die Luft gehoben und schon fast in Stücke gerissen hatten, sah ich mich in einer Nussschale liegen. Auf dem seidenglatten, himmelblauen Meer. In der Nähe des Strands von dem die Rufe eines Eisverkäufers herüberhallten: ‚Gelati! Gelati!‘.“
Miniaturen lassen Raum für eigene Gedanken der Leser:innen. Diese besonders kurzen Geschichten kommen entsprechend schnell auf den Punkt und wirken deshalb intensiver. Aber sie scheinen auch unfertig, sodass man sie weiterdenken kann. Treffend fand ich auch den Vergleich mit Kieselsteinen. Wenn man sie in den See wirft, kann man schauen, wohin sie einen treiben, so auch die Miniaturen.
Für mich ist es zum einen ein spannendes Gedankenexperiment gewesen. Es war für mich zum anderen ein Experiment, auf das ich mich nicht immer einlassen konnte. Die Texte sind zum Teil zu kurz, zu skurril für meinen Geschmack. Für mich sind die Miniaturen vor allem aber eine neue Erfahrung gewesen, verstörend aber auch aufregend. Unser Buchtipp für Kreative und Experimentierfreudige! Hier geht es zur ausführlichen Rezension von Luise.
„Nie Nie Nie“ von Linn Strømsborg (Luise)*
erschienen bei Dumont (04/21)
Dieser Roman gehörte bei vielen zu den Jahreshighlights 2021, ich las viele lobende Rezensionen. Dennoch hat es länger gedauert, bis die richtige Zeit dafür bei mir kam, unter anderem weil ich für unseren Themenbeitrag zu Frauen ab 30 Jahren bereits ein paar Romane zu Kinderlosigkeit und fehlendem Kinderwunsch gelesen hatte. Denn es ist ein aktuell brisantes und zugleich immer noch stigmatisiertes Thema. Spätestens in den 30ern gehen viele davon aus, dass Paare Eltern werden wollen und vor allem Frauen Mütter. Es folgen viele Nachfragen. Die Protagonistin im Roman „Nie Nie Nie“ sieht sich genau damit konfrontiert. Denn wenn sie sich über eines im Klaren ist, dann dass sie kein Kind haben möchte. Ihr Umfeld reagiert darauf mit Unverständnis oder Besorgnis, so auch ihre Mutter, ihre beste Freundin, die schließlich selbst ein Kind bekommt. Auch ihr langjähriger Freund wird an seine Grenzen stoßen, nämlich an seinem eignen Wunsch Kinder zu haben.
„Kannst du glücklich sein, wenn dich alle für unglücklich halten? (…) Ich glaube nicht mal, dass mir nie etwas fehlen wird, mir wird alles fehlen, wogegen ich mich entscheide. (…) aber für irgendein Leben muss man sich ja entscheiden.“
Die Protagonistin ist sehr reflektiert und hinterfragt, was ein Kind für das eigene Leben und für die Beziehung bedeuten kann, sowohl im Positiven für das eigene Glück, als auch im Sinne, was einem genommen wird, wie Self-Care-Zeit. Es werden Gedanken der Protagonistin eingestreut, tagebuchähnliche Einträge. Der Roman ist literarisch und facettenreich geschrieben, er hat auch mich mitgerissen. Er führt dazu, dass man die eigene Lebenssituation überdenkt, die eigene Sichtweise darüber, dass es nun einmal Menschen gibt, die keine Kinder bekommen (wollen). Auch ich habe mich manchmal nach den konkreten Gründen gefragt, die die Protagonistin so vehement werden lassen, dass sie nicht einmal zu zögern scheint, dass sie einfach „Nie Nie Nie!“ sagt. Vielleicht kommt genau da wieder ein Schubladendenken auf. Wir dürfen frei entscheiden, welchen Lebensentwurf wir nachgehen wollen, was den Beruf Hobby oder Partnerschaft betrifft. Nur beim Thema Kinderkriegen bleiben wir konservativ. Wie kommt das?
„Der Zauberer“ von Colm Tolbin (Aline)
erschienen im Hanserliteraturverlag (09/21)
Die Verkäuferin in der Buchhandlung hatte es nicht schwer, mir dieses Buch zu verkaufen. Biografien ziehen mich magisch an und das hier ist eine, die auch noch den Namen Thomas Mann trägt. Okay, offiziell heißt das Buch „Der Zauberer“, denn so nennen seine Kinder Thomas Mann. Nicht minder gewichtig ist sein echter Name: Er ist einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller Deutschlands des 20. Jahrhunderts, hat nicht nur einen Nobelpreis für „Die Buddenbrocks“ erhalten und andere weltbekannte Romane, Novellen und Erzählungen verfasst.
Ob der Autor Colm Tolbin dem Zauberer Thomas Mann gerecht wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich kann sagen, dass mich der Roman über das Leben und Wirken der Familie Mann im historischen Kontext Deutschlands und der Welt 1890-1950 begeistert hat. Dabei lag der Fokus nicht nur auf dem Literaten Thomas Mann, sondern auch auf seiner Frau Katia und seinem Bruder Heinrich, der wie er Autor war. Ebenfalls erfährt man als Leser:in mehr über die Kinder der Manns, die mehr oder weniger ebenfalls alle in der Literatur zu Hause sind. Nicht zu vernachlässigen ist der geschichtliche Hintergrund mit der Weimarer Republik, zwei Weltkriegen, Flucht und Vertreibung die mir in der derzeitigen politischen Lage sehr nahe gingen. Der Roman erscheint mir gut recherchiert, was nicht zuletzt die lange Literaturliste vermuten lässt. Die feine und analytische Bearbeitung der Geschichte hat ohne Überfrachtung stattgefunden und mich als Leserin nicht überfordert.
Wer biografische Romane mag und mehr über das Leben der Familie Mann wissen und Hintergrundinformationen zu den Büchern Thomas Manns erfahren möchte, ist meiner Meinung nach mit diesem Buch gut beraten. Habt ihr etwas von Thomas Mann gelesen?
Fazit
Wir stellen fest: Unsere Bücherauswahl aus dem Monat März scheint genauso vielfältig wie die Frühlingsblumen auf unseren Küchentischen oder aber auch wie die Kerzen auf unserer Jubiläumstorte. Und so können wir unseren Geburtstagsmonat wohl beschwingt zu Ende gehen lassen. Habt ihr auch den einen oder anderen Buchtitel aus unserem Lesemonat gelesen? Oder welcher spricht euch besonders an, um ihn selbst in die Hand zu nehmen?
*Dieser Beitrag enthält Rezensionsexemplare. Vielen Dank an die Verlage für die Zusendung!