Sachbuchzeit: Unser Monatsblatt April 2024

Diesen Monat haben wir uns mal wieder etwas ausprobiert. Neben den Romanen waren einige nicht-fiktionale Texte dabei – wie etwa ein Brief, Essays und ein Sachbuch über historische Prozesse. Und sogar an Lyrik haben wir uns mal wieder „gewagt“.

Apropos Sachbücher: Außerdem können wir noch eine schöne Neuigkeit ankündigen. Denn tatsächlich dürfen wir dieses Jahr als Sachbuchpreisbloggerinnen den Deutschen Sachbuchpreis begleiten, wie aufregend! Am Welttag des Buches, am 23. April, wurden die acht Nominierten frisch verkündet. Wir werden natürlich zeitnah unser „Patenbuch“ vorstellen und besprechen.

Außerdem sind wir in jedem Fall schon sehr gespannt auf die Preisverleihung im Juni, die in der Elbphilharmonie in Hamburg ausgerichtet wird und wenn das beste Deutsche Sachbuch 2024 gekürt wird. „Prämiert werden herausragende Sachbücher in deutschsprachiger Originalausgabe, die Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung geben.“ *Werbung*

Kurz, aber knackig: Drei Bücher um die 200 Seiten

Ein Roman: „Samota“ von Volha Hapyeva

Erschienen 2024 im Droschl Verlag (192 Seiten)

Samota ist ein Buch, das es mir nicht leicht gemacht hat. Und doch, das muss sich ja auch nicht ausschließen, mochte ich es. Helga-Maria ist das Bindeglied zwischen den beiden anderen Protagonisten, Maja und Sebastian. Die leben nicht zur gleichen Zeit, und ihre einzige Verbindung ist Helga-Maria, die durch die verschiedenen Zeitebenen wandelt. Für Maja ist sie wie eine alte Freundin, der sie zufällig in dem Hotel begegnet, wo sie sich für ihre Arbeit zur Erforschung eines Vulkans einquartiert hat. Ihre Forschungsarbeit gerät ins Stocken, warum erfährt man nicht unbedingt. In jedem Fall gibt es so etwas wie eine Anziehungskraft zwischen den beiden, vielleicht weil Helga-Marie wenig angepasst erscheint und eine besondere Bindung zu Hunden verspürt. Parallel findet in dem Hotel ein Kongress zur „Regulation von Tierpopulation“ statt, durch den Maja und Helga-Maria auf die Spur einer Gruppe geraten, die Wölfe beziehungsweise Hunde jagen und ausrotten wollen. Einem Wolfsjäger begegnet auch Sebastian, mit dem er aneinandergerät, und – zu viel will ich nicht vorwegnehmen – es wird um Leben und Tod gehen. In seinen Kapitel verändert sich die Sprache und das Setting, wodurch der Eindruck entstehen könnte, Sebastian lebt weiter zurück in der Vergangenheit. Dennoch ist es Helga-Maria die auch in seinen Kapitel eine Rolle spielen wird.

Der Roman fällt vor allem durch die Charakterisierung seiner Protagonisten auf. Die Autorin Volha Hapeyevas zeichnet diese so empathisch, unschuldig und auch liebenswert nach, dass es eine Freude war, ihnen zu begegnen. Gerade der sanfte Sebastian, der für seine Zeit vielleicht zu sanft erscheint, hat es mir angetan, zu dem die quirlige Helga-Marie einen schönen Gegenpol bildet. Maja hingegen ist eine ruhige, in sich gekehrte junge Frau, die mir irgendwie nahekam. Ein Roman, übersetzt von Tina Wünschmann und Matthias Göritz, der in jedem Fall ein mystisches Leseerlebnis eröffnet und besonders etwas für die Sinne ist. (Aline)

Essays: „On Women“ von Susan Sontag

Erschienen im Original bei Penguin Books (182 Seiten)
in Deutsch im April 2024 bei Hanser (208 Seiten)

Susan Sontag lebte von 1933-2004 und war eine renommierte Journalistin, Schriftstellerin und Regisseurin. Als ich vor einiger Zeit ein Portrait über sie in einer Zeitschrift las, war ich bereits fasziniert von ihrer Vielseitigkeit. Sontag wurde vor allem bekannt für ihre klugen Essays.
Nun stach mir das knallgrüne Cover in meinem Englandurlaub direkt ins Auge. On Women oder Über Frauen, eine Sammlung von Essays, die diesen Monat auch in deutscher Sprache erschienen ist. Sontag schreibt in diesen Texten über politische, ökonomische, aber auch ästhetische Aspekte des Frauseins, z.B. wie eng Schönheit mit der Bedeutung des Frauseins verknüpft ist, und so auch Alter ein sensibles Thema bleibt – aber auch wie wesentlich Macht ist und welchen Einfluss in Politik und Wirtschaft patriarchale Strukturen haben. So stellt Sontag treffend fest, dass Frauen nur wirklich frei und emanzipiert sein können, wenn sie nicht versuchen, männliche Verhaltensweisen zu imitieren bzw. sich diesen anzupassen, sondern sich mit ihren Stärken etablieren und eigene Bedürfnisse geltend machen.

Ein bekanntes Essay von ihr ist auch „Faszinating Fascism“ über die Filmemacherin Leni Riefenstahl und deren stetige Treue zu faschistischen Idealen, auch nach der Nazizeit, was sich in späteren Fotografien zeigt, die in Amerika veröffentlicht werden. (Selbst wenn Riefenstahl es selber abstritt) Ein spannender Ansatz, der jedoch hier scheinbar aus der Reihe zum Thema Feminismus fällt und für mich etwas deplatziert wirkte. Nichtsdestotrotz war ich insgesamt sehr angetan von den klaren Gedanken – die zwar für uns heutzutage nicht unbedingt neu sind, für die Zeit um die 1970er jedoch mutig, modern und emanzipiert. Susan Sontag ist eine Frau, deren Texte noch mehr Aufmerksamkeit bekommen sollten. Wie gut, dass sie nun als Buch versammelt werden. (Luise)

Ein Brief: „Liebe Enkel oder Die Kunst der Zuversicht“ von Gabriele von Arnim

Erschienen 2024 im Kjona Verlag (80 Seiten)

Schreibt ihr gerne mal einen Brief?
Eigentlich liebe ich solche kleinen Aufmerksamkeiten. Im Urlaub mal eine Postkarte oder aber zum Geburtstag oder Weihnachten schreibe ich gerne ein paar Zeilen auf Papier. Und freue mich genauso über persönliche Post im Briefkasten!
Aber seitenlange Briefe habe ich lange nicht mehr geschrieben, ehrlich gesagt. Vermutlich nicht mehr seit der Jugend, bei Brieffreundschaften. Schade eigentlich.

Im Kjona Verlag erscheinen Bücher in Briefform – das erste aus der Reihe habe ich auch gelesen, von Linus Giese „Lieber Jonas oder Der Wunsch nach Selbstbestimmung“, adressiert an einen transsexuellen Jungen. Nun folgt von Gabriele von Arnim Worte gerichtet an ihre Nachkommen: „Liebe Enkel oder Die Kunst der Zuversicht“, welche in einer Zeit der Krisen und des Klimawandels dringender denn je zu sein scheinen. Die Zuversicht hilft, die Hoffnung nicht zu verlieren – aber gleichermaßen benötigen wir Hoffnung, um Zuversicht zu bewahren. Damit ermutigt die Autorin, zu handeln und nicht zu resignieren im Sinne des „Es ist eh alles verloren“. „Vielleicht könnte man es als Eingeständnis der älteren Generation lesen, nicht genug getan zu haben und nun auf Zuversicht der Enkelgeneration zu hoffen. Aber es ist weniger eine Streitschrift, als mehr ein Plädoyer darauf, wie wichtig Zuversicht allgemein im Leben ist. Entsprechend hilft Zuversicht auch gegen die Angst, die wiederum gerne von extremen Seiten geschürt wird.
Es ist ein poetischer und philosophisch andächtiger Text, der einem Mut gibt und genauso Zuversicht, schöpfend aus dem Erfahrungsschatz der Autorin. Ihr Schreibstil ist insgesamt klar und berührt mich. (Luise)

Dazu passen auch die modernen Gedichte, die wir jeweils gelesen haben – Aline von Arlo Parks: „The Magic Border“, die sich auch wunderbar für diejenigen eignen, die weniger Gedichte lesen, da das Bändchen Gedichte und Songs vereint. Luise hat mal Gedichte von Max Leßmann „Liebe in Zeiten der Follower“ ausprobiert. Diese bereits auf Social Media veröffentlichten Gedichte haben einen besonderen Sound. Luise empfiehlt jeden Tag einen Post… äh Gedicht!

Die Stimme der Frauen

Unser Lesemonat stand auch wieder ganz unter dem Stern unseres Schwerpunkts „Ladies first“ mit unserer Rubrik Die Stimme der Frauen, mit zwei Romanen, die in ihren Covern nicht unterschiedlicher sein könnten, aber einen ähnlichen feministischen Ton treffen:

„Mädelsabend“ von Anne Gesthuysen
und „Alles gut“ von Cecilla Rebessa
Mehr dazu unter: Die Stimme der Frauen in Covern


Zudem hat Aline sich mal wieder an ein Sachbuch gewagt, und zwar über die Entwicklungsgeschichte vom Hexentum auf der Welt: „Hexen. Eine Weltgeschichte in 13 Prozessen“ von Marion Gibson.
Mehr dazu unter: „Die Entwicklung der Stimme der Frauen“

Und als Ausblick für den Mai sei schon mal so viel verraten: Hier gibt es bald ordentlich was auf die Ohren…

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