Schneegeflüster: Ein Leserückblick auf den Februar 2022

Unser Lesemonat Februar

Der Februar hat bei uns noch ganz unter unserem Neujahrsvorsatz gestanden, jeweils den Stapel ungelesener Bücher abzubauen: Also, mal nicht neue Bücher zu kaufen, sondern im eigenen Regal zu stöbern, auch mal ältere Bestseller oder Bücher von der „Backlist“ zu lesen. Die kalten Temperaturen, die stürmischen Zeiten und der damit verbundene Drang nach gemütlichen Stunden hat dazu geführt, dass wir beide wieder mehr Zeit im Lesesessel verbracht haben und so euch zusammen acht gelesene Bücher vorstellen können:

Unsere gelesenen Bücher im Februar 2022

Die Romane…

„Allegro Pastell“ von Leif Randt (Aline)

erschienen bei Kiepenheuer&Witsch, 09/2021

Allegro Pastell – ein Roman über zwei, die nicht so ganz ohneeinander und auch nicht miteinander sein können. Zwei Getriebene ständig auf der Suche, aber nach was, das wissen sie auch nicht so genau. Der Roman von Leif Randt spielt im urbanen und hippen Berlin ebenso wie in der hessischen Provinz. In Berlin lebt die Autorin Tanja vom Erfolg ihres ersten Romans, an den sie nun anknüpfen möchte und ist gleichzeitig in einer Art Midlife-Crisis, denn sie wird bald 30. Ihr Freund, der Mittdreißiger Jerome, ist in den Bungalow seiner Eltern gezogen und lebt das Leben eines erfolgreichen Webdesigners und spirituell Suchenden. Die beiden führen eine Fernbeziehung, die perfekt erscheint. Mal ist Tanja ein paar Tage im Maintal, mal Jerome ein paar Tage in Berlin. Die Zeit dazwischen halten sie eng Kontakt, aber führen ihr eigenes Leben. Und doch finden sie nie so ganz richtig zueinander, sei es das fehlende Commitment, die Distanz oder der Erfolgsdruck, den sich Tanja aussetzt. Ohne es zu bemerken, entfernen sie sich voneinander und schwimmen in unterschiedliche Richtungen. Ab und zu kreuzen sich ihre Wege, doch es wird nie ganz ausreichen, die Beziehung am Laufen zu halten. Leif Randt hat mit Allegro Pastell eine moderne Lovestory geschrieben, deren Sound und Bilder mir gut gefallen haben. Gleichzeitig bildet er das Verhalten einer ganzen Generation, den Millenials, gut ab und hält ihnen damit einen Spiegel vor.

„Launen der Zeit“ von Anne Tyler (Aline)

Erschienen bei Kein&Aber, 07/2018

Dieses Buch hat lange darauf warten müssen, von mir gelesen zu werden. Um genau zu sein seit Dezember 2019. Da ist „Launen der Zeit“ nämlich in mein Bücherregal eingezogen und steht damit am längsten ungelesen drin. Im Sinne des SUB-Abbaus habe ich es mir in diesem Monat vorgenommen und war ganz überrascht zu lesen, dass die Autorin Anne Tyler hier eine unaufgeregt, aber feministische Geschichte zu Papier gebracht hat.

Die Hauptfigur Willa führt das durchschnittliche Leben einer amerikanischen Hausfrau der 60er/70er-Jahre. Ihren ersten Mann lernt sie auf der Uni kennen und die beiden heiraten recht schnell. Zu Gunsten der Familie gibt sie ihr Studium auf und widmet sich der Kindererziehung. Als die Kinder groß und sie mit ihrem zweiten Mann nach Arizona gezogen ist, erhält sie auf einmal einen Anruf, der ihr Leben verändert. Sie beginnt sich zu emanzipieren, die Ketten der Strukturen aufzusprengen und ihr bisheriges Leben zu hinterfragen.

Und damit hat der Roman mich überrascht. Erwartet habe ich ehrlich gesagt erst eine durchschnittliche Erzählung. Aber zu sehen, wie Willa sich freikämpft und das möglicherweise als Aufruf an alle Willas da draußen, hat mir gut gefallen.

„Es gibt keine Wale am Wilmersee“ von Laura Dürrschmidt (Luise)

Erschienen bei Ecco, 09/2021

Das Motto vom jungen Ecco Verlag heißt „Was wir lesen wollen“, was voll und ganz auf mich zutrifft. Es sind lebendige Geschichten, die gleichzeitig tiefgründige, bewegende Themen aufgreifen wie die Suche nach dem eigenen Ich, Familienkonflikte, Trauer und Verlust. „Es gibt keine Wale am Wilmersee“ reiht sich stilistisch ein und bewegt mich umgehend mit einer poetischen, emotionalen Sprache. Obwohl in der Geschichte lange Zeit wenig passiert, fühle ich mich mitgerissen, mitten hineinkatapultiert in einen kleinen Ort, in dem die Zeit wohl stehen geblieben scheint und sich gleichzeitig widerwillig weiterdreht. **Die Familie rund um die Ich-Erzählerin ist von herben Schicksalsschlägen geprägt. Letztere verlor eines Winters ihren Namen, sie war acht Jahre alt. Es war derjenige Winter, der so kalt war, dass der See in ihrem kleinen Dorf, der Wilmersee, zufror. Jedoch war er nicht kalt genug, als dass das Eis standhaft genug bleiben konnte, als sie und ihre Schwestern ihn betreten. Dabei verlor sie Alice. Und auch ihr Name ist im See versunken: ein See, über den ihre Mutter gerne Geschichten erzählte, vor allem die Geschichte darüber, wie er beinahe ein Meer geworden wäre. Jedoch seit dem tragischen Unfall der Schwester gibt es kaum noch fröhliche Geschichten. Die Ich-Erzählerin zieht sich immer mehr zurück. Bis plötzlich Jora in ihrem Dorf auftaucht, ein Rotschopf, der immer. So seltsam abgehackt. Spricht. Aber vor allem bewegt diese junge Frau die Ich-Erzählerin dazu, sich zu öffnen.** Zwischendurch fehlt mir ein klarer Spannungsbogen. Ich war dazu geneigt, zu glauben, dass die Geschichte nur so vor sich hinplätschert, eher nett bleibt, ähnlich wie es Aline mit „Launen der Zeit“ von Anna Tylor im Beitrag zuvor erging. Und wie sie wurde ich genauso überrascht. Spätestens das Ende holt das letzte Puzzlestück hervor, das letztendlich gefehlt hat, um das Gesamtbild der Geschichte zu verstehen – das Bild rund um den Wilmersee, der fast ein Meer geworden wäre und in dem es dennoch nie Wale gab. Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

„A Keeper“ von Graham Norton (Aline)

Erschienen als „Eine irische Familiengeschichte“ im Deutschen bei Rowohlt, 07/2020

Bei uns gibt es wohl gerade einen kleinen Graham-Norton-Hype, denkt ihr euch? Fast, denn da wir zu zweit bloggen, tauschen wir natürlich auch Leseerfahrungen und Bücher aus. Und so fand „A Keeper“ von Graham Norton Einzug in mein Bücherregal. „Eine irische Familiengeschichte“ wie das Buch auf Deutsch heißt wurde von Luise auf einer literarischen Sprachreise durch Irland entdeckt – wie passend da das Buch dort spielt.

Hier geht es zum Reisebericht aus Irland von Luise. Dort ist auch eine Inhaltsbeschreibung zu „A Keeper“ zu finden. Inhaltlich würde es in der Kategorie Kriminalgeschichte verordne und obwohl ich Krimis eher selten lese, war ich von der Geschichte sofort begeistert und eingesogen. Aber Vorsicht, das Buch macht akut Lust auf: Eine Reise nach Irland, weitere Bücher von Graham Norton und Bücher auf Englisch lesen – mit was fang ich nur an?

Freiraum von Svenja Gräfen (Aline)

Erschienen bei Ullstein, 03/2019

Wie wollen wir wohnen? In einer Großstadt wie Hamburg auf Wohnungssuche zu sein, kann ich aus eigener Erfahrung berichten, ist sehr anstrengend. Zu klein, zu groß, zu laut, zu teuer und dann auch noch Massenbesichtigungen – alles habe ich bereits erlebt. Und wenn die Wohnung dann gefällt, heißt es nicht, dass man sie bekommt. Das erleben auch Vela und Maren, die Hauptfiguren in dem Roman „Freiraum“ von Svenja Gräfen. Bis sie das Angebot erhalten in die Wohngemeinschaft von Marens Schwester zu ziehen. Aufs Land, in die Natur, keine lärmende Hauptstraße mehr vor der Tür und ein schöner Ort, um das geplante gemeinsame Kind aufzuziehen. Also werden die Kisten gepackt und die beiden ziehen in die Wohngemeinschaft ein, in der sich alles um Theo dreht. Ihm gehört das Haus und er gibt den Ton in der WG an. Maren ist glücklich, aber Vela kommt nie so ganz an. Sie spürt, dass unter den Mitbewohner etwas nicht stimmt und kommt mit der Zeit auf die Spur was es ist. Was sich wie ein Krimi anhört, kommt eher als Sozialstudie daher und geht der Frage nach, wie wir in Zukunft leben wollen. Ob monogam oder mir doch egal. Ob alleine, mit mehreren Generationen, ob auf dem Land oder in der Großstadt. In der Mitte hat das Buch seine längen, insbesondere die Beschreibung der Vorgeschichte von Maren und Vela könnte kürzer ausfallen. Dennoch mochte ich den Ton und die Stimmung, in der das Buch aus der Sicht von Vela geschrieben wurde. Wie wollt ihr leben? Hier geht es zur ausführlichen Rezension von Luise.

Und noch Hörbücher…

„Neujahr“ von Juli Zeh (Luise)

Erschienen 09/2018 im Luchterhand Verlag und als Hörbuch bei Der Hörverlag

Wenn der Arbeitsweg neuerdings kurz genug ist, sodass man zum Büro laufen kann, aber wiederum lang genug, um dabei Hörbuch zu hören, dann ist es für einen Bücherwurm wie mich perfekt. Passend zum Jahreswechsel habe ich „Neujahr“ von Juli Zeh gehört und mich damit an meinen ersten Roman der beliebten Bestellerautorin gewagt. Vielleicht kennt ihr das Gefühl auch: bei mir ist es so, dass ich gerade bei Autor:innen, die besonders gehyped werden, häufig zögere – die Erwartungen und Skepzis steigen gleichermaßen. Es erinnert mich an beliebte Reiseorte wie Mallorca, Bali oder Lanzarote. Es wirkt Mainstream-mäßig, anderseits gibt es meist gute Gründe, warum so viele Tourist:innen diese Inseln besuchen. Und natürlich haben die Bestsellerautor:innen meist auch ein besonderes Schreibtalent.
Und nun wollte ich es endlich austesten mit Juli Zeh und Lanzarote: Denn da spielt der Roman „Neujahr“: Henning sitzt am Neujahrsmorgen auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er ist ein emanzipierter Ehemann und Vater von zwei gesunden Kindern und hat einen passablen Job. Aber Henning leidet unter Angstzuständen und Panikattacken. Als er erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier. Jetzt aber stürzen die Erinnerungen auf ihn ein… Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Wie erwartet hat Juli Zeh einen mitreißenden Sprachstil und eine Gabe für spannungsgeladenes Erzählen. Aber das Ende lässt mich etwas enttäuscht zurück. Es wirkte zu einfach aufgelöst, zu naheliegend. Als wäre die Welt ganz einfach. Und damit hat es sich für meinen Geschmack Juli Zeh zu einfach gemacht. Ich habe bei all den Lobesgesängen und Preisen etwas anderes von der Autorin erwartet, irgendwie mehr. Ich bin jedoch froh, dass mir einige von euch auf meine Story dazu geschrieben haben, dass es nicht Zehs bestes Buch sei. Und so gebe ich ihr auf jeden Fall noch eine Chance!

Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells (Luise)

Erschienen 02/2016 bei Diogenes als Print und Hörbuch

 Nachdem ich mich bereits mit Juli Zehs „Neujahr“ an einen Roman einer beliebten Bestellerautorin gewagt habe und doch angetaner war, als erwartet, war klar: Das wird eine neue Challenge: Bücher beliebter Bestellerautor:innen ausprobieren. Diesmal ist es auch ein Roman geworden, der einerseits bereits ein zeitloser Klassiker moderner Literatur zu sein scheint, andererseits wie eine Neuerscheinung gehyped wird, immer wieder tauchen positive Besprechungen auf.
„Vom Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells – ein Buch, zu dessen Inhalt ich sicher kaum etwas sagen muss. Ein Buch über Verlust der Eltern im Kindesalter, Trauer, Schmerz, aber auch über die Suche nach tiefer Verbundenheit, nach wahrer Freundschaft und Liebe. Ein Buch, das wie ein Sog ist, Benedict Wells hat eine besondere Beobachtunsgabe, die er detailliert aufs Papier bringen kann. Gedanken und Emotionen der Protagonist:innen sind lebhaft, authentisch. Auch wenn die Figuren für mich manchmal etwas klischeehaft beschrieben waren („sie war das hübscheste Mädchen der Schule“, „er war der Nerd“), schließt man sie schnell ins Herz. Es ist eine Liebesgeschichte, wie ich sie mal wieder brauchte, mit viel Gefühl und Herzschmerz und dabei wenig kitschig. Zudem wurde es noch von einem meiner Lieblingsschauspieler Robert Stadelober als Hörbuch gesprochen. Da kann der Weg zur Arbeit nur noch Spaß machen, oder? An welchen Bestsellerautor oder -autorin habt ihr euch nach Zögern gewagt, wurdet ihr positiv überrascht oder eher enttäuscht?

Luise hat zudem noch ein Sachbuch gelesen, von Ronja Ebeling „Jung (un)besorgt und (un)abhängig“, erschienen im September 2021 beim Eden Verlag. Eigentlich wollte sie dazu auch eine Rezension verfassen. Aber ihr fehlte bis jetzt die Muße dazu. Und irgendwie erschien es uns in den letzten Tagen zu schwer. Wir können unsere Gedanken zur Ukraine und dem Angriffskrieg von Russland kaum in Worte fassen. Deshalb haben wir uns aktuell mehr in unsere Leseecke verzogen, um mal abzuschalten nach all den Nachrichten, um es sacken zu lassen und an die Betroffenen in der Ukraine zu denken. Geht es euch ähnlich? Hier könnt ihr euch in jedem Fall über Kundgebungen in eurer Stadt informieren: Stand with Ukraine oder unter anderem spenden unter: ARD Nothilfe Ukraine

Und die Rezension zum Buch von Ronja Ebeling folgt ganz bald!….

Fazit

… genauso wie unser Geburtstag. Mit Vorfreude starten wir nämlich in den März, wenn wir fünf Jahre Aufgeblättert feiern dürfen. Seid in den kommenden Tagen und Wochen, aber auch als Schwerpunktthemen über das Jahr verteilt, gespannt auf Aktionen und Beiträge passend zu unserem Jubiläum!

Und außerdem mit Vorfreude werden wir die Sonnenstrahlen hier in Hamburg genießen, denn so langsam klopft auch der Frühling an, juchhu!

Habt ihr Buchtipps, die in der Ukraine spielen oder sich mit dem Ukraine-Russland-Konflikt beschäftigen, für uns, aber auch für unsere :Leser:innen, die sich stärker zu dem Thema informieren wollen? Wir freuen uns in jedem Fall über Hinweise!

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