Was, wenn es nicht nur dieses eine Leben gibt? Eine Rezension zu „Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig

Ich teste gerade eine Hörbuch-App. Für mich ist das schon etwas Neues, denn bisher gehörte ich nicht zu den großen Hörbuch-Fans und habe lieber ein Buch in der Hand . Unsere Instagram-Community sieht das ähnlich und neigt eher zum haptischen Buch (84%), als Hörbuch (16%). Beim Radfahren kreuz und quer durch die Stadt habe ich aber schon immer gerne Podcast gehört und bin nun also auch am Ausprobieren, ob eine bezahlte Hörbuch-App was für mich sein könnte. Ich will hier nicht lange über die Vor- oder auch Nachteile von Hörbüchern sprechen, sondern heute ein Hörbuch vorstellen, bei dem das gedruckte Buch in der Originalfassung, unter anderem als Sunday Times Bestseller ausgezeichnet und insgesamt von den Kritikern hochgelobt wurde. Auch die deutsche Community bespricht, nach meinem Eindruck „Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig überwiegend positiv.

„Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig erschienen im Februar 2021 bei Droemer Knaur und als Hörbuch bei Argon gelesen von Annette Frier.

Die Mitternachtsbibliothek von Matt Haig, gelesen von Annette Frier

Inhalt

Der Inhalt der Mitternachtsbibliothek ist schnell erzählt. Nora Seed scheint unglücklich mit ihrem Leben, ihren Ex-Freund hat sie vor dem Traualtar stehen lassen, mit ihrem Bruder hat sie sich zerstritten und der Rest ihrer Familie lebt auch nicht mehr. Eines Tages verliert sie ihren Aushilfsjob in einem Musikgeschäft, den Lehrauftrag über Musikstunden und dann stirbt auch noch ihre Katze. Alles zu viel für Nora die daraufhin beschließt ihr Leben beenden zu wollen. Nach einer Überdosis mit Tabletten erwacht sie in der Mitternachtsbibliothek, wo sie von der freundlichen Bibliothekarin Mrs. Elm in Empfang genommen wird. Die Mitternachtsbibliothek ist eine Zwischeneben, zwischen der Welt der Lebenden und Toten. Nach einem kurzem Schock erklärt ihr Mrs. Elm, dass sie nun die Möglichkeit hat, die vielen anderen ihrer möglichen Lebensversionen besuchen zu können um herauszufinden, welches besser zu ihr passen könnte. Fortan besucht Nora die Leben, in denen sie eine berühmte Musikerin, Olympiasiegerin, Klimaforscherin, Besitzerin einer Kneipe und vieles anderes ist. Keines der Leben ist schlussendlich so, wie sie es sich immer vorgestellt hat, bis sie eines Tages in das Leben der Nora Seed schlüpft, die als Doktorantin in Harvard ein Buch schreibt, verheiratet ist und eine Tochter hat

Kritik

Die Idee, dass es mehr als ein Leben zu leben gibt und zu sehen, was passiert wäre, wenn man an einer bestimmten Abzweigung eine andere Entscheidung getroffen hätte, ist sehr verlockend. Wer will das nicht? Doch „Es ist schwer vorherzusehen, welche Dinge uns glücklich machen“ und so fällt es auch Nora schwer, sich für ein Leben zu entscheiden, in dem sie fortan leben will. Denn auch Nora Seed ist ständig auf der Suche nach dem ultimativen Glück, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich glücklich macht. Und erst wenn sie in ein vermeidlich erfülltes Leben eintaucht, stellt sie fest, dass es doch gar nicht das ist, was sie wirklich glücklich macht. Das Eintauchen in die jeweiligen Leben der Nora Seed hat dennoch sehr viel Spaß bereitet und ist ein tolles Gedankenexperiment. Insgesamt erscheint mir die Geschichte aber zu vorhersehbar. Recht schnell wird klar, welches Leben das passende für Nora Seed sein könnte und so verliert die Geschichte etwas an Spannung. Die Vorleserin Annette Frier hat, vermutlich aufgrund ihrer Erfahrung als Schauspielerin, dass Hörbuch aber ganz wunderbar vertont. Dadurch wurde es sehr lebendig und anschaulich. Sie gab den Figuren Kraft, wenn sie diese ausstrahlten und Ruhe, wenn sie diese benötigten. Das man die Stimme von Annette Frier zum Beispiel auch aus TV-Sendungen und Filmen kennt, hat mich in dem Zusammenhang nicht gestört. Könnte aber vielleicht für den ein oder anderen eine Ablenkung sein, insofern er das Bild der Schauspielerin im Kopf hat.

Die Mitternachtsbibliothek von Matt Haig als Hardcover

Fazit

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mir die Story insgesamt sehr gut als Film vorstellen könnte. Annette Frier hat es geschafft, sehr viele Bilder in meinem Kopf zu erzeugen die förmlich wie ein Film an mir vorbeigezogen sind. Insgesamt empfinde ich das Buch beziehungsweise Hörbuch von der Story her aber etwas zu vorhersehbar und einzig und alleine hat es die Sprecherin geschafft mich bei Laune zu halten. Als Buch hätte ich es vermutlich bis zum Schluss gelesen, wäre aber (noch) weniger von der Story begeistert. Schlussendlich steckt viel „Café am Rande der Welt“-Euphorie in dem Buch, da es natürlich wie immer im Leben auch in „Der Mitternachtsbibliothek“ um die Frage nach dem Sinn des Lebens geht. Das muss schlussendlich nichts schlechtes sein, ist mir aber in diesem typischen Amerikanischen-Kitsch manchmal etwas zu viel.

Weitere Hörbuchempfehlungen aus unserer Instagram-Community und ergänzt von uns:

  • „Zukunft? China!“ von Frank Sieren
  • „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ von Sebastian Stuertz
  • „Der große Sommer“ von Ewald Arenz (Link zur Rezension)
  • „Eines Menschen Flügel“ von Andreas Eschbach
  • „Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar (Link zur Rezension)
  • „Wer wir waren“ von Roger Willemsen
  • „Daisy Jones & the Six“ von Taylor Jenkins Reid (Link zur Rezension)
  • „Kreativität“ von Melanie Raabe (Link zur Rezension)
  • „Fleisch ist mein Gemüse“ von Heinz Strunk
  • „Vom Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells
  • „Alle sind so ernst geworden“ von Benjamin von Stuckrad-Barre & Martin Suter (eingesprochen von Linda Zervakis und Carmen Miosga)

und zwei englischsprachige Tipps:

  • „Born a crime“ von Trevor Noah
  • „Neverwhere“ von Neil Gaiman

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