Die Stimme der Frauen: „Klytämnestra“ von Costanza Casati

„Doch dabei hast du nicht gelernt, Niederlagen hinzunehmen. Und dass du, um deine Ziele zu erreichen, Männern das Gefühl geben musst, dass sie die Macht haben, hast du auch nicht gelernt. „Wenn Frauen das tun müssen, will ich keine sein“, entgegnet Klytämnestra.“ (Seite 314)

Inhalt

Klytämnestra ist eine Tochter des Königs von Sparta. Gemeinsam mit ihren Geschwistern – allen voran der als schön geltenden Helena – wächst sie frei und ungebunden auf. Sie trainiert gemeinsam mit den Männern, lernt jagen und kämpfen. Von ihrem Vater, König Tyndareos, wird sie zusätzlich in die Macht- und Intrigenspiele eingewiesen, die eine Herrschaft über ein Königreich so mit sich bringt. Sparta gilt weithin als unbezwingbar, die Frauen als stark und unabhängig, entgegen der Stellung von Frauen in anderen Königreichen Griechenlands. So kommt es auch, das Klytämnestra selbst Tantalos von Mäonien zum Ehemann auswählt. Mit ihm geht sie eine liebevolle und respektvolle Beziehung ein, bald wird sie schwanger und bringt ihren ersten Sohn zur Welt. Doch das Glück währt nicht von langer Dauer, denn Agamemnon hat ein Auge auf Klytämnestra geworfen und so wird sie zum Opfer der Machtpläne ihres eigenen Vaters. Agamemnon ermordet ihren Ehemann und Sohn und nimmt sie selbst zur Frau. In Mykene, ihrer neuen Heimat, ist sie ihrem brutalen und tyrannischen Ehemann ausgesetzt und wird dennoch, durch die Geburt ihrer vier Kinder, so etwas wie Glück verspüren. Bis zu dem Zeitpunkt, als Agamemnon auf seinem Feldzug gegen Troja Wind fehlt, um über das Meer zu segeln. Um die Götter zu besänftigen, opfert er seine eigene Tochter Iphigenie vor den Augen der Mutter, die daraufhin Rache schwört. Während der Zeit des Krieges ist Klytämnestra anstelle des Königs die Herrscherin über Mykene und wird sich so von ihrem Mann und ihrer Vergangenheit emanzipieren und all das Unheil, das ihr widerfuhr, bei seiner Rückkehr rächen.

Rezension

Namen wie Helena, Paris, Agamemnon und Odysseus haben nicht zuletzt durch Filme wie „Troja“ die Geschichte überlebt und sind aus der griechischen Mythologie auferstanden. Die Figur Klytämnestra ist dabei, nach meinem Eindruck, bisher eher wenig vorgekommen – was sich nun durch den Roman von Costanza Casati nicht zuletzt bei mir geändert hat. Man könnte Klytämnestra als vergessene Frau bezeichnen. Die Autorin haucht ihr, neues Leben ein und zieht sie in den Mittelpunkt dieses wahnsinnig spannend und temporeich erzählten Romans. Wut, Trauer, Verzweiflung und Glück liegen dort ganz nahe beieinander, so auch in der Gefühlswelt von Klytämnestra und all diese Emotionen werden durch eine klare Schreibweise betont, ohne als zu viel zu oder übertrieben zu erscheinen. Im Gegenteil, Klytämnestra wird als starke und unabhängige Frau erzogen und diesen Stolz trägt sie in sich, auch in Zeiten, in denen sie viel Leid erfahren muss. Eine Botschaft, die ich als sehr wertvoll erachte und die durch die Autorin geschickt in alle ihre weiblichen Figuren des Romans einfließen lässt. Denn oft werden gerade Frauen in historischen Romanen als schwach dargestellt, sei es, weil in den doch noch stärker ausgeprägten patriarchalen Strukturen kein Raum für weibliche Emanzipation war, oder weil es eine männliche Geschichtsschreibung ist. Dass es durchaus weibliche Figuren in der Geschichte gab, die das Gegenteil beweisen, stellt dieser Roman unter Beweis. Auch wenn die Emanzipation der Protagonistin erst einsetzt, als sie frei von ihrem herrischen Mann ist und sich ihre von Kindheit an gelernten Stärken entfalten können. Neben dieser Sichtweise auf den Roman, gibt er ebenfalls Einblicke in das alltägliche Leben in Sparta und den griechischen Königreichen zu dieser Zeit, welches, neben patriarchalen Strukturen, jeweils geprägt von Sklaven- und Überlebenskämpfen war. Die Erzählung ist dabei stark getrieben von der Handlung bzw. dem Plot und lässt weniger Raum für die Entwicklung der Charaktere zu, als dass insbesondere die Protagonistin ihre schon vorhanden innerliche Stärke wiederentdeckt.

Fazit

Costanza Casati studierte Altgriechisch und antike griechische Literatur, wem sonst als ihr, würde ich mehr zutrauen, die weiblichen Figuren der griechischen Mythologie neu, feministischer zu erzählen? Irgendwann werden dann vielleicht nicht mehr nur die Heldensagen des Odysseus erzählt, sondern auch die der Klytämnestra, die es schaffte sich gegen ihren eigenen, tyrannischen Ehemann zu währen und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wann, wenn nicht jetzt, ist genau die richtige Zeit dafür?!

Wer nicht genug von griechischer Mythologie bekommen kann, sollte auch auch einmal in die Rezension von Luise reinlesen „Die Stimme der Frauen: „Penelope“ von Margaret Atwood“.

„Klytämnestra“ von Costanza Casati erschien im November 2023 im GoldmannVerlag. Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

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