Neuer Roman des Autors von „Der Vorleser“, erschienen im Diogenes Verlag Januar 2018
Bernhard Schlinks neues Buch ist ein berührender, zeitgenössischer Roman über eine starke Frau und wird untermalt von unserer jüngsten Zeitgeschichte mit Beginn zum Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. „Olga“ wird in Literaturkreisen schon jetzt als eines der Highlights des Jahres bezeichnet. Der Autor des Buches wurde vor allem international bekannt durch „Der Vorleser“, ein Buch, das seit Jahren zur Pflichtlektüre in der Schule gehört. So war es auch bei mir der Fall. Schlinks Klassiker bewegte mich und war alles andere als langweilige Schullektüre für mich. Umso gespannter war ich nun auf den neuesten Roman Bernhard Schlinks…
Inhalt
Die Handlung beginnt Ende des 19. Jahrhunderts und spielt in einem Dorf in Pommern, im heutigen Polen, als Olga noch ein Kind ist. Als ihre Eltern sterben, zieht Olga zu ihrer Oma, eine strenge, distanzierte Frau, die kaum eine innige Beziehung zum Mädchen pflegt. Olga ist ein neugieriges Kind. In der Schule ist sie von Beginn an wissbegierig von Literatur, Naturkunde bis hinzu Wissenschaft. Auf dem Dorf erscheinen ihre Interessen an Wissen ungewöhnlich. Sie wirkt anders, genauso wie Herbert und Viktoria. Es sind die Kinder des Gutsherren, mit denen sie unmittelbar Freundschaft schließt.
Die Gutbürgerlichkeit der Geschwister soll dennoch schließlich Grenzen der Freundschaft setzen. Viktoria wendet sich ab, auch die Familie betrachtet Olga aufgrund ihrer Ärmlichkeit nicht als angemessene Gesellschaft, trotz Intelligenz und einem späteren Studienplatz in der Lehrerschule. Umso kritischer betrachtet die Familie die Situation, als Olga und Herbert sich verlieben und zueinander halten.
Herbert und Olga treffen sich heimlich, sie lernt fleißig, während er von Expeditionen in Afrika und der Arktis träumt sowie nach seinen Reisen mit leuchtenden Augen davon berichtet. Als er dann eines Winters nicht wie geplant aus der Arktis zurückkehrt, starten Suchtrupps. Für Olga beginnt eine schwere Zeit, aber sie gibt nicht auf und schreibt ihm täglich Briefe.
Kritik
Das Buch überzeugt mit einer starken Persönlichkeit Olgas. Sie widerstrebt dem klassischen Frauenbild ihrer Zeit und kämpft für Bildung und Selbständigkeit. Gleichzeitig bleibt sie Herbert stetig treu. Obwohl er sich seiner Familie widersetzt und entgegen der Widerstände mit Olga zusammenbleibt, verkörpert er das klassische Bild der damaligen Gesellschaft. Herbert symbolisiert Macht und die Bedeutung einer Ständegesellschaft. Die Männer beherrschen das Land, Deutschland – ein Land, das immer nationalistischer und größenwahnsinniger wird. Olga betrachtet diese stetige Größe und das Machtverhalten in der Politik mit Sorge und mit einer sehr kritischen Haltung demgegenüber, egal in welcher Zeit wir uns gerade mit ihr befinden – so auch nach den Weltkriegen. Die Figur Olga hat etwas Erhabenes und damit Bewundernswertes,
Eine Besonderheit an dem Buch ist zudem das Spiel mit den Erzählperspektiven. Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt: Der erste Teil in narrativer Erzählform geschrieben, handelt von Olgas Aufwachsen und der Liebe zu Herbert. Im zweiten Teil wechselt die Sicht in eine Ich-Perspektive des Jungen einer Familie, bei der Olga später Schneiderin wird. (Hier möchte ich bewusst, nichts vorweg greifen). Der dritte Teil ist in Briefform gehalten, was dem Buch eine zusätzlich hohe literarische Note verleiht. Eine inhaltlich Trennung in verschiedene Teile vorzunehmen – eine Stilform Schlinks, die bereits beim Vorleser auftauchte – bewirkt, dass Handlungsstränge bis zum Ende offen bleiben, neue Perspektiven aufzeigen und einen weiterlesen lassen. Der Roman ist sehr bildhaft und lyrisch geschrieben, was mich von Beginn an beeindruckte.
Obwohl der Roman sich durch die Zeitgeschichte schlängelt, tritt letztere immer nur in begleitender Funktion auf. Schwerpunkt bildet die Persönlichkeit Olgas, wodurch man ihren Charakter sehr gut kennen lernt und der Meinung ist, ihre persönlichen Beweggründe und Gedankengänge nachvollziehen zu können, aber dennoch begrenzt. Auch die historischen Entwicklungen von außen beeinflussten Olgas Handlungen und Entscheidungen, unter anderem ihre eigene Flucht aus Pommern prägte sie. Deshalb hätten die historischen und politischen Zusammenhänge manchmal noch stärker für mich zum Tragen kommen können.
Vielleicht aber blieb die Darstellung geschichtlicher Ereignisse bewusst im Hintergrund, weil sie Olga stetig zu groß waren. Sie versuchte der Politik zu entfliehen.
Fazit
Das Buch ist literarisch wertvoll, aber auch in seiner Botschaft, als dass durch den Zeitraffer gezeigt wird, dass Zeitepochen trotz ihrer scheinbaren Einzigartigkeit in ihren politischen Motiven Ähnlichkeiten aufweisen und meist die Politik, egal wann und wo, zu groß beziehungsweise größenwahnsinnig denken kann. Jeder, der Bernhard Schlinks Vorleser und die besonderen Charaktere darin mochte, wird auch Olga als Figur und Roman sehr mögen. Dem Autor gelingt ein zeitgenössischer Roman, der meines Erachtens wirklich eines der Bücher des Jahres werden könnte, welches man in jedem Fall lesen sollte. Ob es eines DER Highlights 2018 wird? Mal schauen …
Deutschlandfunk Kultur – Bernhard Schlink im Gespräch
Mein Highlight 2018 ist es auf jeden Fall schon geworden^^
LG
Eine tolle Rezension. Ich finde das Buch klingt sehr danach auch von mir gemocht zu werden. Ganz liebe Grüße
Oh ja mach das mal, ich bin sehr auf deine Meinung gespannt und ob es dich ähnlich mitnimmt auf eine Reise in die Zeitgeschichte wie mich!