„Das Gegenteil von Einsamkeit. Stories und Essays“ von Marina Keegan, 2015 – Rezenion
Was ist eigentlich das Gegenteil von Einsamkeit? Ich habe, bevor ich das Buch gelesen habe, nie so wirklich darüber nachgedacht. Befragt man den Duden, wird als Antonym Beisammensein genannt. Ich finde das allerdings nicht treffend genug. Denn Einsamkeit ist mehr als nur keine Leute um sich herum zu haben oder allein zu sein. Es ist vielmehr ein Gefühl als nur ein Zustand. Das Buch von Marina Keegan hat mich zum Nachdenken bewegt und das nicht nur über ein Wort.
Inhalt
Die gesammelten Kurzgeschichten im Buch sind Stories und Essays, die Marina während ihres Studiums geschrieben hatte. Sie galt bei ihren Dozenten als ein neues junges Ausnahmetalent. Marina Keegan verstarb mit 22 Jahren durch einen Autounfall wenige Tage nach ihrem Studienabschluss 2012 in Journalismus an der Universität in Yale. Nach dem Gegenteil von Einsamkeit fragte sie in ihrer Abschlussrede, welche das Buch einleitet. Die Kurzgeschichten könnten unterschiedlicher nicht sein und fangen ernsthafte Momente, traurige Familiengeschichten und Schicksale, aber auch lebhafte und fröhliche Ereignisse ein. Doch Marina beschreibt vor allem Ängste und Emotionen, die junge Menschen haben: Was passiert in der Zukunft mit mir, werde ich beruflich erfolgreich sein und schaffe ich es, mich selbst zu verwirklichen oder finde ich die oder den Richtige/n?
Kritik
Marina Keegan überzeugt mit einer unglaublich emotionalen Art und Weise, die Geschichten und Essays mit Leben zu füllen. Auch wenn sie sowohl schöne Momente der Liebe und Freundschaft beschreiben, so sind es genauso traurige Schicksale, die dargestellt werden. Man fühlt mit, während ein Soldat im Irak seiner Liebe in der Heimat E-Mails schreibt oder eine Frau ein Kind allein erziehend adoptiert, nachdem sie vor Jahren selbst ein Kind zur Adoption freigab und sich von ihrem Freund trennte. Bewegend sind vor allem auch die Geschichten, in denen jemand stirbt, bei denen man unweigerlich an Marina Keegan selbst zu denken beginnt.
Dennoch werden alle Stories so lebhaft beschrieben, dass sie zu sagen scheinen: Das Leben ist schön, egal wie schicksalhaft es einen manchmal treffen kann. Die Begebenheiten, die Marina beschreibt, sind aus dem Leben gegriffen. Deshalb berühren sie und man hat das Gefühl den besonderen Charakter Marina Keegans in den Kurzgeschichten wieder zu erkennen. Mir gefielen vor allem die Texte, in denen die Autorin über sich schreibt, da Marina ganz normale Gedanken und Ängste unserer jungen Generation aufgreift. Ich war von der ersten Zeile an verliebt.
Fazit
Marina wirkte alles andere als einsam. Ihre Texte spiegeln das Gegenteil wider. In dem letzten Essay: „Song for a Special“ spricht sie darüber, dass sie neidisch auf berühmte Autoren, Schauspieler und Musiker sei und Angst davor habe, unscheinbar und unbedeutend zu bleiben. Es ist die Furcht, nicht einzigartig zu sein. Liebe Marina, diese Angst kann ich dir nehmen – obwohl du nicht viel Zeit hattest in deinem Leben, hast du ein wertvolles Stück von dir der Welt gegeben mit deinen Gedanken und Geschichten.
Das Buch besticht durch einen gefühlvollen, differenzierten und intelligenten Schreibstil. Ich habe schon lange nicht mehr solch berührende Geschichten gelesen und empfehle es daher aus vollem Herzen. Nur ein Wort für Einsamkeit fehlt mir immer noch. Ist dieses Gefühl überhaupt in einem einzigen Wort beschreibbar? Hättet ihr eins?
Marina Keegan ( *25. 10. 1989; + 26.05. 2012)
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Ein Gedanke zu “Einsam? Im Gegenteil – Marina Keegans Essays, eine Widmung”