*Presseexemplar*
Unser „Über den Tellerrand“-Projekt steht diesen Monat unter dem Motto: „Lass dich vom Titel und/oder Cover eines Buchs inspirieren.“ Der griffige Titel „Idol in Flammen“ sprach mich unmittelbar an. Als ich das Buch dann im Briefkasten liegen hatte und es auspackte, war ich zudem direkt vom Buchcover eingenommen: Es ist minimalistisch gestaltet und gleichzeitig auffällig und eindrucksstark. So verhält es sich auch mit dem Buch selbst, ist es immerhin sehr schmal mit nur 125 Seiten und weist dabei eine unglaubliche Tiefe auf, in Japan ist es bereits ein preisgekrönter Bestseller von einer jungen Newcomer-Autorin, Rin Usami.
Idol in Flammen von Rin Usami
Erschienen im Kiwi-Verlag, Juni 2023 (Übersetzt von Luise Steggewentz)
Inhalt
Die Schülerin Akari steht kurz vor ihrem Abschluss, aber wie es weitergehen wird, ist ungewiss. Auch was sie insgesamt vom Leben erwartet, weiß sie nicht, hat sie doch eigentlich „nur“ ein Hobby, um das sich ihr Leben dreht: Masaki, ein Mitglied einer beliebten Pop-Gruppe. Er ist ihr Leben. Sie hat einen beliebten Fan-Blog, der ihm gewidmet ist. Sie verbringt Stunden im Internet und studiert jedes Detail über ihn. Ihr Geld aus dem Nebenjob investiert sie ausschließlich in Fanartikel. Sie kauft CDs und DVDs mehrmals und geht immer wieder zu den Konzerten der Band.
Als eines Tages das Gerücht, dass ihr Idol einen weiblichen Fan angegriffen haben soll, viral geht, dreht sich Amaris Leben nur noch um ihren Idol. Anstatt sich langsam zu lösen und ihren eigenen Weg zu gehen, wird Akari in ihrem Fankult noch fanatischer.
Akari: „Nachdem ich ein hellblaues Stofftuch mit Rüschen und eine Brille mit indigoblauem Rand in meine Tasche gestopft habe [Blau ist die Signature-Farbe des Idols], werfe ich einen Blick auf das Horoskop für den Tag. Masaki ist Löwe (…), und verlasse das Haus, ohne mir mein eigenes Horoskop anzusehen. Es interessiert mich nicht.“ (S. 46)
Kritik
Dieser Roman gibt einen spannenden Blick in die japanische Fankultur, wo es sogenannte Idolgruppen gibt. Diese werden durch Recruiting-Agenturen initiiert. Fans können hier unter anderem – so wird es im Roman dargestellt – an Abstimmungen über die Band teilnehmen. Die besonders treuen Anhänger:innen bekommen Fan-Artikel geschenkt oder dürfen an Live-Schaltungen teilnehmen. So wird der Kult um die jeweiligen Bands verstärkt, die Marketingstrategien befördern den Fanatismus. Diese Maschinerie führt gleichzeitig auch zu mehr psychischen Druck für die Idole selbst:
„Die meisten Idol-Gruppen konzentrieren sich darauf, ein junges, niedliches und unschuldiges Image zu produzieren. (…) Deshalb müssen sich Mitglieder:innen an strenge Regeln halten: So ist es ihnen nicht erlaubt, sich öffentlich in einer Liebesbeziehung zu zeigen oder irgendein von der Agentur für unangemessen befundenes Verhalten an den Tag zu legen.“ (Quelle Japandigest.de)
Genauso ergeht es dem Sänger Masaki, den die Ich-Erzählerin anhimmelt. Er droht an dem Fankult zu zerbrechen. Gleichzeitig zerbrechen aber auch die Fans wie Akari daran, sobald dieser Kult dramatische Züge annimmt. Insgesamt gelingt es der Autorin, die Sensibilität der Psyche junger Menschen zu beleuchten, die in Zeiten der sozialen Medien noch einmal mehr strapaziert werden kann. Idole scheinen nahbarer, aber auch der Drang sich nach den eigenen Idolen auszurichten wirkt ausgeprägter.
„»Idol in Flammen« wirft ein grelles Licht auf die Geldmacherei der Popindustrie, die verführerische Macht der sozialen Medien und die gewaltige emotionale Leere, die sich auftut, wenn sich ein Idol als normaler Mensch mit Fehlern und Schwächen entpuppt.“ Ein Ausschnitt aus dem Klappentext, der es treffend zusammenfasst. Außerdem gibt das Zitat einen Hinweis darauf, wie es zu der Covergestaltung gekommen sein könnte. Durch die Neonfarben wird vermutlich das grelle Licht aufgegriffen, in welchem sich Idole im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit wiederfinden sowie das grelle Licht der Sozialen Medien, die die Lebensrealität verzerren.
Zudem verwendet die Autorin eine sehr eindrücklich dichte Sprache, die einen unmittelbar in die fanatische Fankultur hineinziehen lässt. Als Leser:in kann man sehr wohl nachvollziehen, dass die Fangemeinde und das Idol als Lebensmittelpunkt der Protagonistin Sicherheit gibt, in einer für sie deprimierenden Lebenswirklichkeit. Gleichzeitig bleibt durch den Fanatismus auch eine gewisse Distanz bestehen und gerne hätte ich die Protagonistin davor bewahrt, so wie ihre Familie sie versucht zu schützen.
Fazit
Der Roman bewirkt eine Selbstreflexion. Immerhin sind die meisten von uns heutzutage handysüchtig, unser Leben hat auch eine zusätzliche Online-Ebene angenommen. Gerade als Bloggerin verbringe ich viel Zeit auf Instagram, durch das Posten von Beiträgen, dabei ertappe ich mich dann gerne auch beim sinnlosen Scrollen durch mein Instagram-Feed. Wir kommunizieren, informieren uns und koordinieren unseren Alltag über Apps. Genauso gibt uns das Internet auch die Chance, unseren Idolen so nah zu sein wie noch nie. Der Roman zeigt auf der anderen Seite auch auf, welche Tücken dieser digitale Fortschritt haben kann, wenn Menschen nur noch in der Onlinewelt leben und diese Realität wird und wie dadurch noch fanatischer der Idol-Kult werden kann.
„Idol in Flammen“ – ein sinnbildlicher Titel, der buchstäblich bei mir viele Emotionen entfacht hat. Das Buch ist eines meiner Highlights dieses Lese-Halbjahrs und eine empfehlenswerte Sommerlektüre: kurzweilig und dabei sehr intensiv.
Wie gefallen euch Buchtitel- und Cover? Lasst es mich gerne wissen, entweder hier als Kommentar oder bei Instagram unter dem Beitrag.
Kurzer Exkurs:
Diesen Idolgruppen-Kult gibt es im Übrigen auch in anderen asiatischen Ländern wie in Südkorea, der hier bereits nach Europa geschwappt ist und auch eingefleischte Fans anzieht, zum Beispiel bei der beliebten K-Pop-Gruppe Blackpink. (Mehr dazu hier, Deutschlandfunk-Kultur 2019).
Danke für den Verlag für den Versand des Rezensionsexemplars.