Auf der Couch mit „Drei Kameradinnen“ und Shida Bazyar – Teil 1

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Ein Buch, welches sowohl Luise als auch mich sehr interessiert hat, als wir es in dem Frühjahrsprogramm des Kiwi-Verlags entdeckten, war „Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar. Und so haben wir beschlossen, es gemeinsam zu lesen und es uns im Anschluss wieder auf der Couch gemütlich gemacht und uns ausgetauscht. Dabei ist ein etwas anders Couchgeflüster entstanden, als wir es bisher veröffentlicht haben. Zunächst wollen wir euch in diesem ersten Teil die Autorin und das Buch „Drei Kameradinnen“ inhaltlich vorstellen. Abgerundet wird der heutige Artikel durch eine kurze Meinung von mir, Aline, zu dem Buch. Im zweiten Teil, der wenige Tage später erscheint, wird Luise neben ihrer Meinung zu dem Buch auch einen Vergleich zu dem Debütroman der Autorin „Nachts ist es leise in Teheran“ versuchen zu ziehen.

„Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar, erschienen im April 2021 bei Kiepenheuer & Witsch, Link zu Buchseite.

„Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar

Autorinnenportrait – Shida Bazyar

Shida Bazyar, geboren 1988 in Hermeskeil bei Trier, studierte Literarisches Schreiben in Hildesheim und war, neben dem Schreiben, viele Jahre in der Jugendbildungsarbeit tätig. Ihr Debütroman „Nachts ist es leise in Teheran“ erschien 2016 und wurde u.a. mit dem Bloggerpreis für Literatur, dem Ulla-Hahn-Autorenpreis und dem Uwe-Johnson-Förderpreis ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. (Quelle Verlag). In ihrer Laudatio für den Uwe-Johnson-Förderpreis sagt Mithu Melanie Sanyal „Denn der Roman („Nachts ist es leise in Teheran“) erzählt nicht nur von Flucht und dem Verlust von Heimat, sondern auch von Wurzellosigkeit in beiden Kulturen – und davon, dass dieses schwierige Verhältnis zu Wurzeln ebenfalls eine Heimat sein kann.“ (Quelle) Herkunft und Identität scheinen Shida Bazyar in ihren Romanen zu begleiten, denn auf dem ersten Blick greift sie dies auch in ihrem neuen Roman „Drei Kameradinnen“ wieder auf.

Der zweite Roman von Shida Bazyar erschien im April 2021

„Drei Kameradinnen“ – Inhalt

Da es bei diesem Buch schwierig ist, tiefergehender über den Inhalt zu sprechen, ohne zu viel zu verraten, hier einmal die kurze, prägnante Inhaltsbeschreibung vom Verlag: „Seit ihrer gemeinsamen Jugend in der Siedlung verbindet Hani, Kasih und Saya eine tiefe Freundschaft. Nach Jahren treffen die drei sich wieder, um ein paar Tage lang an die alten Zeiten anzuknüpfen. Doch egal ob über den Dächern der Stadt, auf der Bank vor dem Späti oder bei einer Hausbesetzerparty, immer wird deutlich, dass sie nicht abschütteln können, was jetzt so oft ihren Alltag bestimmt: die Blicke, die Sprüche, Hass und rechter Terror. Ihre Freundschaft aber gibt ihnen Halt. Bis eine dramatische Nacht alles ins Wanken bringt.“ (Quelle).

Der Fokus liegt auf Alltagsrassismus und welche Vorurteile er mit sich bringen kann, aber das Buch handelt auch von der Suche nach der eigenen Identität und Herkunft. Die Geschehnisse des Buches ereignen sich zu einer Zeit, als ein wichtiger (fiktiver) Gerichtsprozess stattfinden wird, der stark an den NSU-Prozess erinnert und einen vermeintlichen Brandanschlag, der Erinnerungen an den Lübecker Brandanschlag von 1996 weckt. Dabei durchbricht die Autorin die vierte Wand und nimmt regelmäßig Kontakt zu den Lesern auf.

Shida Bazyars „Drei Kameradinnen“, Alines Rezension

„Drei Kameradinnen“ – Alines Meinung

Ich stehe auf und gehe in die Küche, übergieße den Tee mit sprudelndem, nicht mehr kochendem Wasser, setzte mich mit der Tasse in der Hand zurück in meinen Lesesessel und lese zwei Seiten weiter. Dann nehme ich mein Handy zur Hand, checke die Termine für die kommende Woche und scrolle sinnlos durch die Seiten von Instagram. Meine Gedanken schweifen ständig ab, weg von den Seiten des Buches, welches ich gerade in meiner Hand halte. Möglicherweise weil sich mein Gehirn nicht mit den Vorwürfen, den Ungerechtigkeiten und negativen Ereignissen, denen die Protagonistinnen ausgesetzt sind, beschäftigen will. Ich Anfang dreißig, Weiß und ohne nennenswerten Migrationshintergrund werde mit Vorwürfen konfrontiert, die mein Gehirn so nicht ganz begreifen will. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich begreife, dass es nicht darum geht, welche Hautfarbe ich trage, sondern um Herkunft und Identität im Allgemeinen. Währenddessen werde ich von der Autorin munter weiter beschimpft, indem sie mich als Leserin direkt anspricht und damit konfrontiert, dass ich am Ende eh meine eigene Geschichte daraus machen werde. Ich beginne mich ohnmächtig zu fühlen, ungerecht behandelt. Auch ich wurde bereits ausgegrenzt (ostdeutsche Herkunft) und belästigt (weibliches Geschlecht) und dabei sind mein Name und Hautfarbe eher mit Erika Mustermann vergleichbar. Und dann beginnt mein Gehirn zu verstehen, dass es genau darum geht. Ich schlüpfe als Leserin in eine Rolle, die mit Alltagsrassismus das erste Mal persönlich und unmittelbar konfrontiert wird. Diesen für mich spürbar und erlebbar macht und weniger abstrakt, als wenn ich sonst davon höre. Und so verknüpfe ich eigene Erlebnisse und meine Gefühle aus diesen Situationen mit den Ereignissen, mit welchen die drei Kameradinnen ausgesetzt sind. Ob es das ist, was Shida Bazyar bewirken wollte, weiß ich nicht – aber ich bin froh, dass ich mich habe von ihr anschreien lassen.

Vielen Dank an den Verlag, die uns ein Exemplar zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt haben. Dies hat meine Beurteilung zu dem Buch nicht beeinflusst.

Die Fortsetzung mit Luises Meinung folgt am Sonntag. Seid gespannt auf unser gemeinsames Fazit!

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