Auf der Regenbogencouch: Romane und Erzählungen aus der LGBTQIA* – Community

Am 17. Mai fand der Internationale Tag gegen Homophobie statt, der sich um mehr Gleichheit und Vielfalt bemüht. Dieser Jahrestag beruht auf einen auf den 17. Mai 1990 zurückgehenden Beschluss der WHO, dass Homosexualität nicht mehr als psychische Krankheit einzustufen ist.

Nach wie vor werden Homosexuelle in vielen Teilen der Welt verfolgt, inhaftiert, sogar hingerichtet. Diskriminierung, Ausgrenzung, Gewalt: Trotz Streichung des §175 im Jahre 1994, Einführung der „Homo-Ehe“ und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist eine breite gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Homosexuellen auch in Deutschland keineswegs selbstverständlich. In anderen Ländern verhallt der Ruf nach Toleranz gänzlich ungehört. (Quelle)

In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 fand in der Homosexuellen-Bar „Stonewall Inn“ der erste bekanntgewordene Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten statt. Der Christopher Street Day erinnert an diesen Widerstand gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street im Stadtviertel Greenwich Village. Rund um diesen Feiertag werden in vielen Großstädten Deutschlands der Christopher-Street-Day in Form von bunten Paraden begangen.  (Quelle)

Passend dazu wollen wir unser Couchgeflüster im Juni dazu nutzen und Romane und Erzählungen aus der LGBTQIA* Community eine Plattform geben – für mehr Gleichheit und Vielfalt in unser schönen und bunten Welt.

„Im Wasser sind wir schwerelos“ von Thomasz Jedrowski

Im Hoffmann und Campe Verlag im März 2021 erschienen (von Aline)

„Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski

Ludwik und Janusz verbringen nach einem Ernteeinsatz ein paar Tage an einem verstecktem, im Wald liegenden See. Die beiden sind ineinander verliebt und beginnen in diesen Tagen am See ihre Liebe zueinander und ihr Homosexualität zu entdecken, die sie am See ausleben können. Das ist in Polen der 80er Jahre sonst eine Unmöglichkeit. Und so ist es der Alltag, zurück in der Stadt, der die junge Liebe zwischen den beiden auf eine harte Probe stellt. Janusz möchte sich nicht zu Ludwik bekennen, da er Angst um seine gute Stellung im Ministerium hat und insgesamt dem System sehr treu gegenüber eingestellt scheint. Ludwik ist beruflich noch etwas orientierungslos und statt dessen, immer mehr den Ungerechtigkeiten, die das System mit sich bringt, ausgesetzt.

Schlussendlich träumt er von einer Flucht in den Westen und entfernt sich so immer mehr von seiner großen Liebe Janusz. Auf vielerlei Ebene ist es ein sehr bewegendes Buch. Auf einer historischen Ebene hat es mir Einblicke in das Polen der 80er Jahre geboten, ein Land in dem vieles im Umbruch war, Arbeiter auf die Straße gingen und von einer Befreiung aus der Sowjetischen Besatzung nur geträumt werden konnte. Dazu kommt, dass das Leben als Homosexuelle in dieser Zeit – was gesetzlich zwar nicht verboten war aber man trotzdem deshalb verfolgt werden konnte – zahlreiche Repressionen nach sich ziehen konnte. Und dann ist da noch die Gefühlsebene von Ludwik, die beschrieben wird. In dieser erlebt der Leser, wie er seine Sexualität entdeckt und sich langsam eingesteht, dass er sich zu Männer hingezogen fühlt und in diesem Gefühlen immer stärker wird. Dieses in seinen Gefühlen stärker werden und zu sich selbst finden, hat mir besonders imponiert. Der Autor Tomasz Jedrowski findet in jeglicher Situation und Gefühl die passende Beschreibung, ist dabei elegant und wie im Wasser schwerelos. Der Guardian schrieb: „Das überwältigende Debüt eines jungen polnischen Autors, der so unglaublich gut schreibt wie kaum ein anderer.“ – dem ist nichts hinzuzufügen.

„Es ist Sarah“ von Pauline Delabroy-Allard

In der Frankfurter Verlagsanstalt 2019 erschienen (von Aline)

„Es ist Sarah“ von Pauline Delabroy-Allard

Die uns unbekannte Ich-Erzählerin berichtet in „Es ist Sarah“ von ihrer Liebe zu Sarah. Diese fällt wie ein Sturm über sie her, nachdem die beiden sich in einer Silvesternacht kennengelernt haben. Die Erzählerin ist zu dem Zeitpunkt von dem Vater ihrer Tochter getrennt, hat einen neuen Lebensgefährten, der die zunächst aufkeimende Freundschaft belächelt. Als diese Freundschaft intensiver wird und die Ich-Erzählerin bemerkt, dass sie sich zu Sarah hingezogen fühlt, verschwindet auch ihr Lebenspartner aus der Erzählung. Die beiden beginnen kurze Zeit darauf eine Liebesbeziehung die wie ein Rausch erscheint. Sarah ist Violinistin und woraufhin sich die Erzählerin für Klassische Musik, insbesondere Streichquartetts wie die, in den Sarah spielt, zu interessieren beginnt. Sarah isst gerne Japanisch und so gehen die beiden oft Japanisch essen. Sarah ist auf Tournee in Europa und die Ich-Erzählerin packt kurzfristig ihren Rucksack, um ihr hinter herzureisen. Eigentlich ist Sarah zu stark geschminkt, hat eine Hakennase, spricht laut und lacht viel, ohne dabei lustig zu sein. Sie verbringen viel Zeit im Bett, im Kino oder in der Küche rauchend. Wie ein Wirbelsturm erscheint Sarah omnipräsent in dem Leben der Erzählerin zu sein, der es mit dem Fortschreiten der Geschichte zu viel wird. Sarah und ihre Art wird ihr zu viel und Sarah beginnt sie zu verausgaben. Nach rund einem Jahr Liebesrausch verschwindet Sarah aus dem Leben der Erzählerin ähnlich schnell, wie sie gekommen ist, behaftet mit der Information das Sarah an Brustkrebs erkrankt ist. Damit endet dieser erste Teil des Amour fou und auch seitenweise Abhandlung über die schönen Eigenschaften von Sarah.

Im zweiten Teil wird die Verbindung der beiden scheinbar toxischer. Jedoch verschwindet Sarah aus dem Umfeld der Erzählerin, zieht sich zurück, womit die Erzählerin nicht umgehen kann, obwohl es genau das ist, was sie sich im ersten Teil gewünscht hat. „Hör bitte auf zu lachen. Hör auf, in meinem Kopf zu lachen, hör auf, so nah neben mir zu lachen.“ fordert sie Sarah in ihren Gedanken auf, die fortan in ihrem Kopf herumspukt und sie auch in ihren Träumen nicht mehr loslassen will. Ständig und überall sieht sie Dinge, die sie an Sarah erinnern. Um dieser Konfrontation zu entfliehen, geht sie nach Mailand und Trieste, wo sie schlussendlich vor lauter Liebe und Vermissen verrückt wird. Meine Meinung zu diesem zweiten Teil ist wohl ähnlich ambivalent wie die Liebe der Erzählerin zu Sarah. Zum einen erscheint er mir ein passendes Gegenmittel zu dem sehr verliebten ersten Teil. Zum anderen zerfließt er vor Trauer und toxischen Gefühlen für Sarah die irgendwann sehr ermüden. Am liebsten möchte ich sie schütteln und rütteln und sie an ihr (vor Sarah) eher ruhiges Leben mit ihrer kleinen Tochter in Paris erinnern, zu dem sie nun doch bitte zurückkehren kann. Der Roman ist die ganze Zeit ganz leicht drüber und ein toller Ausflug in eine sehr stürmische Liebe mit einem etwas unbefriedigenden Ende.

Unsere LGBTQIA* Buchtipps

Sicherlich gibt es eine Unzahl an Romanen und Erzählungen aus der Community und die Vielfalt ist unbegrenzt. Kurz und Knapp hier noch ein paar weitere Buchtipps von Luise, zu denen Rezensionen bei uns erschienen sind:

Ich bin Linus von Linus Giese – Der Autor nimmt uns mit in seine Welt, nach dem Wendepunkt, als er bemerkt und sich dazu bekennt, dass er sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren kann, das man ihm zu seiner Geburt zugeschrieben hat. Er zeigt die mühsamen, aber auch für ihn essentiellen Schritte zu einer Transistion und welche Herausforderungen es mitbringen kann, für sein Leben als trans Mensch in der Öffentlichkeit einzustehen.

Romeo und Julius von Julius Kraft – Julius sucht seinen Romeo und damit seinen Mann fürs Leben oder zumindest für länger, aber eben nicht nur für One Night Stands. Das scheint wiederum häufig auf den Dating-Plattformen für homosexuelle Männer gängiger zu sein. Er nimmt uns mit auf 25 unterhaltsame und emotionale Dates.

Freiraum von Svenja Gräfen – Was passiert, wenn ein homosexuelles Pärchen Kinder bekommen möchte? Welche Gedankengänge entstehen und welche Schritte werden notwendig? Dieses Thema greift Svenja Gräfen unter anderem in ihrem zweiten Roman auf.

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause von Carol Rifka Brunt spielt in den 80er Jahren in Amerika, als Aids noch ein Tabuthema ist und vor allem als „Schwulenseuche“ abgestempelt wird. June musste ihren Onkel an Aids verlieren und trauert lange und tiefgreifend. Aber sie lernt, dass der Verlust eines Menschen auch bedeuten kann, dass man jemand Neues dazu gewinnt.

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