Bianca Nawrath: „Iss das jetzt, wenn du mich liebst“ aus dem Ecco Verlag – von, für und über Frauen

Als ich letztes Jahr das erste Mal vom Ecco Verlag hörte, war ich ganz begeistert von der Idee, die dahintersteckt. Denn dieser Verlag scheint etwas Besonderes, indem er allein von Frauen geführt und getragen wird. Ein Verlag, der ausschließlich Bücher von Autorinnen verlegt. Ein Verlag, der sich Büchern annimmt, bei denen die Mitarbeiterinnen der Meinung sind, dass sie noch im Bücherregal fehlen. Das können Themen sein wie Emanzipation und Unabhängigkeit von Frauen oder auch Geschichten über alltägliche Held*innen und starke Persönlichkeiten sowie gesellschaftlich relevante Themen wie das Aufeinandertreffen diverser Kulturen und Generationen. Das erste Programm des Verlags ist diese Woche erschienen. Heute möchte ich einen ersten Roman daraus vorstellen. Im nächsten Couchgeflüster wird noch ein weiterer folgen. Seid gespannt!

Von, für und über Frauen: Der Ecco Verlag mit zwei seiner Titel aus dem ersten Programm ab März 2021

„Iss das jetzt, wenn du mich liebst“ ist im März 2021 im Ecco Verlag erschienen.

Inhalt

Kinga ist eine junge moderne Berlinerin. Und sie lebt die Multikulturalität, für die Berlin so bekannt ist, in vollen Zügen aus. Immerhin lebt sie seit einigen Jahren mit ihrem Freund Mahmut zusammen, welcher türkische Wurzeln hat. Ihre Familie kommt wiederum ursprünglich aus Polen. Nun beschließen die beiden zu heiraten. Jedoch beginnt damit das Kulturchaos, dem sie sich vorher haben versucht zu entziehen. Von ihrer Schwester abgesehen, weiß Kingas Familie noch gar nichts von ihrem Freund. Immerhin kommt sie aus einem überzeugten katholischen Hause, dass traditioneller ist, als es behauptet. Als sie ihren Eltern bei einem Familienessen „gesteht“, dass sie eine Beziehung mit einem Deutsch-Türken führt, wird ihr bewusst, dass sie ihre Eltern unterschätzt hat. Sie wollen ihn zwar kennenlernen, aber ausgerechnet in der Heimat Polen bei einer Familienhochzeit. Mahmut glaubt, dass das etwas Gutes bedeute, da sie ihn direkt in die Kultur integrieren wollen. Nur Kinga weiß, dass es das Gegenteil heißt: Natürlich ist ihre Familie skeptisch und will ihren Freund auf die Probe stellen. Und in Polen nimmt das Chaos seinen Lauf: Kingas Oma bringt Mahmut dazu, das traditionelle Gericht Flaki (Polnische Rinderpansen-Suppe)zu essen. Aber das ist nicht das einzige, was Magenschmerzen bereitet. Der Familienbesuch soll die Verlobten auf eine harte Probe stellen und zeigt, wie Kulturen und Traditionen aufeinander treffen und zu einem Clash führen können.

Kritik

Der Autorin gelingt ein unterhaltsamer Familienroman, der vermeintliche Klischees und kulturelle, skurrile Eigenheiten auf die Schippe nimmt, was vor allem polnische, aber auch türkische und deutsche Gepflogenheiten betrifft . So musste ich schmunzeln, als ich von der Tradition las, dass sich in Polen beim Polterabend verkleidet wird und dabei immer ein junges Pärchen sich als Brautpaar verkleidet, aber in vertauschten Rollen – also die Frau, in dem Fall Kinga, als Bräutigam und der Mann, Mahmut, als Braut. Neben der Großfamilie spielen in Polen und der Türkei Essen eine wichtige Rolle, weshalb ich den Titel „Iss das jetzt, wenn du mich liebst“ griffig finde. Wenn man sich liebt, muss man Kompromisse eingehen und offen für Neues sein, z.B. in Bezug auf traditionelle Gerichte:

„Rund zweihundert Gäste waren für sie eine völlige Reizüberflutung. Muriel hatte davor nur Hochzeiten in Deutschland erlebt. Mahmut als Türke hingegen fragt mich verdutzt, ob es das schon gewesen sei. ‚Polnische Hochzeiten gelten doch als groß, dachte ich.‘ Er ist siebenhundert bis achthundert Gäste gewöhnt. […] Die absolute Menge des Essens überschneidet sich allerdings: In Polen ist das Essen die wichtigste Grundlage für literweise Wodka.“ (Kinga, S. 141)

„Iss das jetzt, wenn du mich liebst“ von Bianca Nawrath

Und dennoch prallen bei unterschiedlichen Kulturen oft gefühlt Welten aufeinander, was Bianca Nawrath treffend beschreibt und mit vielen Anekdoten spickt. Aber die Autorin zeigt auch, welche Herausforderungen die Integration der jeweiligen Kulturen in Deutschland mit sich bringen kann: Polnische Migranten assimilieren sich ihrer Meinung nach gerne – sie versuchen nicht aufzufallen, sondern sogar oft die vermeintlich „besseren Deutschen“ werden zu wollen. Türkische Migranten wiederum können sich aufgrund von Haut- und Haarfarbe gar nicht verstecken und definieren sich vielleicht deshalb als Abgrenzung häufig bewusst über ihre Kultur. Diese im Roman formulierten Thesen finde ich interessant, auch wenn sie sicher noch Diskussionsbedarf haben: Dazu kann ich das Populärsachbuch Eure Heimat ist unser Albtraum empfehlen mit Essays verschiedener Migrant*innen. Von dem Phänomen der „polnischen Strebermigranten“ berichtet darin auch die Autorin und Journalistin Margarete Stokowski.

An der einen oder anderen Stelle weist der Roman laut der Beschreibung über Nawarath autobiographische Züge auf, da auch die Autorin, Journalistin und Schauspielerin polnische Wurzeln hat. Zumindest merkt man, dass ihr die polnische Gesellschaft und deren Traditionen sehr vertraut ist. Deshalb wirken die Beschreibungen und Darstellungen auch sehr authentisch.

Dennoch, um auch einen kritischen Aspekt zu nennen, hatte ich vor dem Lesen andere Erwartungen. Die Geschichte erschien mir am Anfang zu wenig Tiefe zu haben und den Schreibstil hatte ich aufgrund der anspruchsvollen Thematik literarischer erwartet. Doch was soll ich sagen?: ich haben den Roman unterschätzt! Mit der Zeit bin ich voll in die Geschichte eingetaucht, war angetan von der unterhaltsamen Schreibweise der Autorin und habe den Roman an nahezu einem Wochenende weggelesen.

Fazit

„Iss das jetzt, wenn du mich liest“ liest sich locker, leicht und ist mit viel Augenzwinkern und Humor versehen. Zudem gewinnt der Roman mit der Zeit immer mehr an Tiefsinnigkeit. Die Autorin erörtert verschiedene Kulturen und stellt sie gegenüber. Es werden Unterschiede deutlich, aber vor allem auch mehr Ähnlichkeiten, als die Kulturkreise jeweils zugeben möchten: zumindest was das Festhalten an Traditionen und Bräuchen oder das Abgrenzen in Bezug auf „das Andere“ betrifft: „Wie sollen unsere Eltern verstehen, dass es rassistisch ist, was sie denken und sagen, wenn sie gar nicht gelernt haben, was Rassismus ist?“ (Mahmut, S.239).

Biance Nawrath ist eine junge, moderne Autorin und mit Kinga zeichnet sie eine starke Alltagsheldin, weshalb das Buch für mich sehr gut zum Konzept von Ecco passt und damit ein wunderbarer Einstieg in das Verlagsprogramm des neuen Imprints von HarperCollinsGermany ist. Es handelt sich zwar streng genommen um keinen unabhängigen Verlag, wir wollten ihn aber dennoch gerne im Rahmen unserer Schwerpunkt-Reihe 2021 vorstellen. Wir unterstützen die Idee und das Konzept und als neues, eigenständiges Imprint muss es auch erst einmal Fuß fassen und sich etablieren. Wir hoffen, dass es große, weibliche Fußstapfen werden!

Der Ecco Verlag überzeugt mit einem einheitlichen, modernen und – wie ich finde – frühlingshaften Gestaltungskonzept!

Infos zum Ecco Verlag

„Unbeschreiblich weiblich“ – so wird der neue Verlag im Interview mit dem Börsenblatt beschrieben.

Im Frühjahr 2021, genauer am 23.03.21, erscheint das erste Programm des in Hamburg neu gegründeten Ecco Verlags. Unter dem Motto »Was wir lesen wollen« verlegt das Verlagsteam ausschließlich Bücher von Frauen, deutschsprachige Stimmen ebenso wie internationale; Debüts und etablierte Autorinnen. Neben der konzeptuellen Klammer – Literatur von Frauen – unterstreicht auch das einheitliche, moderne und hochwertige Gestaltungskonzept die klare Programmlinie.

Dabei steht der deutsche Ecco Verlag in einer langen Tradition: 1971 gründete Daniel Halpern gemeinsam mit Drue Heinz die amerikanische Ecco Press. Seit 1999 firmiert der Verlag unter dem Dach von HarperCollins und gilt bis heute als einer der renommiertesten Literaturverlage überhaupt. Zum fünfzigjährigen Jubiläum der Ecco Press erscheinen die ersten Bücher des deutschen Ecco Verlags.

Website zum neuen Verlag: eccoverlag.de

Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, welches meine Beurteilung in dieser Rezension nicht beeinflusst hat.

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