#Herbstgeflüster – unsere Bücher im Oktober 2021

Nachdem wir uns in den Wochen vor der Wahl intensiv mit politischen Sachbüchern beschäftigt haben und diese in einem Zweiteiler vorgestellt haben (zum Nachlesen: #politikgeblaetter Teil 1 und Teil 2) tat es richtig gut, auch mal wieder vermehrt Romane und nicht politische Sachbücher in die Hand nehmen zu können. Wie schön, dass nun auch nach und nach die Neuerscheinungen aus den Herbst-/Winterprogrammen bei uns eintrudeln und wir bereits ein paar vorstellen können. Aber auch weitere herbstliche Buchtipps, die ihr auch vielleicht auch schon auf Instagram entdeckt habt, listen wir euch noch einmal auf, mit Hilfe unserer Herbstchallenge:

Der Herbst – Eine Zeit für Märchen und fantasievollen Geschichten. Welches Buch passt gut dazu?

„Junge mit schwarzem Hahn“ von Stefanie vor Schulte

erschienen bei Diogenes, 08/2021 (von Aline)

Das tolle Buchcover von „Junge mit schwarzem Hahn“ von Stefanie vor Schulte

Wie passend, dass mich auf einem Wochenendtrip nach Marburg im August der Roman der dort lebenden Autorin Stefanie vor Schulte „Junge mit schwarzem Hahn“ begleitete. Während der Zugfahrt konnte ich den Roman keine Minute aus der Hand legen, so verzaubert hat mich die träumerische Geschichte der Autorin rund um den elfjährigen Martin, der auf sich allein gestellt in einem Dorf in einer längst vergangenen Zeit lebt. Seine Familie hat er früh verloren, einzig ein schwarzer Hahn ist ihm geblieben, welcher ihn treu begleitet. Die Dorfbewohner unterstützen ihn kaum und halten sich eher fern von Martin. Eines Tages kommt ein Maler in das Dorf und Martin bittet ihn darum, ihn auf seiner Wanderschaft begleiten zu dürfen. Der Maler ist begeistert von Martin, insbesondere von seiner Intelligenz und Liebe, die er jedem Menschen entgegenbringt. Obwohl Martin selbst ohne Liebe aufgewachsen ist, ist sein Herz sehr rein und voller Fürsorge. Fortan begleitet Martin gemeinsam mit dem schwarzen Hahn den Maler also auf seiner Reise durch eine dunkle, von der Macht der Königin verdorbene Welt, die von Gewalt, Neid und Gier gezeichnet ist. Nachdem Martin mit Anblicken muss, wie ein schwarzer Reiter, der zum Gefolge der Königin gehört, ein Kind entführt, beschließt er, der Legende auf die Spur zu gehen und herauszufinden, wohin die Kinder verschwinden, die von den schwarzen Reitern entführt werden. Geleitet wird er dabei stets von seinem reinen Herzen und dem schwarzen Hahn, der ihm beschützend zur Seite steht. Die literarische und besondere, fast schon elegante Sprache des Romans hat es mir sehr angetan. Den Märchen von Gut und Böse wird in „Junge mit schwarzem Hahn“ von Stefanie vor Schulte ein neues, beziehungsweise moderneres Leben eingehaucht. Dabei erscheint das Buch wie ein Plädoyer für eine friedvollere Welt, in der alle mehr aufeinander achtgeben sollten.
Vielen Dank an den Verlag für die Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.

Die kalten Tage sind perfekt für Sofa- und Barabende mit Freund:innen. Ein Buchtipp dazu?

„Alte Freudinnen“ von Tessa Korber

erschienen bei Dumont, 07/2021 (von Aline)

Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, eine Alters-WG mit den besten Freund:innen zu gründen? Meine Freundinnen und ich in jedem Fall und gedanklich haben wir uns schon öfters auf einem Vier-Seiten-Hof zur Ruhe gesetzt. Und während ich noch davon träume, hat Tessa Korber mit „Alte Freundinnen“ meinen Träumen einen Roman gegeben. In dem Beschließen die fast 70-jährigen Freundinnen Annabell, Luise, Nora und Franziska den alten Gasthof von Franziskas Familie in einen Alterssitz zu verwandeln. Bereits seit Studienjahren kennen die vier sich und haben auf endlosen Prosecco-Abenden von der ländlichen Idylle und einer gemeinsamen Bibliothek geträumt. Bis es tatsächlich dazu kommt, dass die vier zusammenziehen leben sie sehr unterschiedlichen Leben. Luise gründet eine Familie, Franziska lässt sich scheiden, Annabelle bleibt lieber allein und Nora macht in einer Männderdominierenden Welt Karriere. Den Kontakt verlieren sie über die Jahrzehnte nie, und als der Ehemann von Luise plötzlich verstirbt, sind die anderen drei sofort zur Stelle und unterstützen die Freundin. Dies ist dann auch der Auslöser dafür, den ewigen Traum der ländlichen Idylle in die Tat umzusetzen. Kurze Zeit später beginnen die Bauarbeiten an dem alten Gasthof, der alters- und rollstuhlgerecht ausgebaut und modernisiert wird. Luise übernimmt die Federführung in der Gartengestaltung. Nora bringt die Expertise aus der Baubranche und Annabell ein kleines Vermögen mit. Tessa Korber hat die unterschiedlichen Charakterzüge der Protagonistinnen sehr fein herausgearbeitet und ihnen ein Gesicht gegeben. Zwar frage ich mich, wie die vier überhaupt befreundet sein können, so unterschiedlich erscheinen sie mir, so gut harmonieren sie auf der anderen Seite miteinander. Dennoch werden mir von den Protagonistinnen zu viele Klischees bedient, als zum Beispiel der Eid geschworen wird, auf dem Alterssitz keine Männer zu dulden. Darüber hinaus ist die Geschichte insgesamt leider etwas zu vorhersehbar, aber dennoch ein schönes Herbsbuch.
Vielen Dank an den Verlag für die Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.

Schaurig schön. Welches Buch empfiehlst du in der Halloween-Zeit?

„Nach dem Tod komm ich“ von Thomas Kundt, Tarkan Bagci

erschienen bei dtv, 09/2021 (von Luise)

True-Crime-Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit, häufig geht es um spektakuläre Kriminalfälle. Worüber allerdings selten gesprochen wird? Wer wischt danach das Blut auf? Der Tatortreiniger Thomas Kundt berichtet in seinem Buch „Nach dem Tod komm ich“ von seiner Arbeit, die nach dem Sterben so richtig losgeht. Dabei geht es oft um Menschen, die in Einsamkeit sterben, ohne dass es jemand bemerkt. In Sachsen, wo Thomas Kundt herkommt, sind es häufig auch Schicksale mit bewegten DDR-Vergangenheiten, von denen er berichtet. Genauso erzählt er von seiner persönlichen Vergangenheit. Der Tatortreiniger bringt einem sein düsteres Expertenwissen unterhaltsam näher. Wie riecht Leichengeruch? Woran erkennt man, wie lange ein toter Mensch schon gelegen hat? Und wie wird man Tatortreiniger? Mit Mitte Dreißig legt Thomas Kundt so Schlips und Kragen als Finanzberater für einen Ganzkörper-Schutzanzug ab und findet sich zwischen Blut und Leichenresten wieder. Sobald er jetzt bei einer Party von seinem neuen Beruf erzählt, drehen sich die Gesprächspartner nicht wie früher gelangweilt weg, sondern immer mehr neugierig zu ihm um. Kundt erzählt spannend und unterhaltsam von Tatorten, an denen er noch vergessene Zehen findet, aber auch persönliche Dinge der Verstorbenen oder Angehörige, die mehr über die Schicksale dahinter erzählen. Für mich ein Muss für alle True-Crime- und Krimi-Liebhaber*innen!

… und vielleicht noch ein Krimi?

„Die Kobra von Kreuzberg“ von Michel Decar

Dieser Roman vereint zweierlei: Er ist meines Erachtens etwas für Literaturbegeisterte, aber auch etwas für Krimiliebhaber:innen. Die Geschichte ist vielleicht kein klassischer Krimi, aber eine unglaublich unterhaltsame und actionreiche Ganstergeschichte, die zwar mit Klischees spielt, aber gleichzeitig alles andere als politisch korrekt daherkommt: Beverly Kaczmarek ist die jüngste ihres osteuropäischen Familienclans, der berühmt und berüchtigt in der Diebstahlszene ist. Nun möchte Beverly es endlich allen zeigen und den ganz großen Coup landen, in Berlin, ihrer neuen Wahlheimat, weit weg von ihren Brüdern, Vater oder ihrem Großvater, Diebstahllegende Silvester Kacmarek. Aber so recht wollen die Einbrüche wie in Museen nicht gelingen. Kaum eine:r spricht darüber, keiner spricht über Beverly. Was wäre aber, wenn sie die Figuren auf dem Brandenburger Tor klauen würde – würde man dann endlich über sie sprechen? Die Protagonistin ist erfrischend rotzig, frech. So schnell lässt sie sich nichts von ihren männlichen Kollegen oder Familienmitgliedern sagen, im Gegenteil sie verhält sich selbstbewusst in der toxisch männlichen Gangsterwelt. Dieses Buch darf man vor allem nicht so ernst nehmen, sondern sollte sich von den vielen gewitzten Wortspielen sowie kreativen und unterhaltsamen Beschreibungen mitreißen lassen. „Es soll ja Leute geben, die werden als echte Sonnenscheinchen bezeichnet, als liebe Optimisten, Förderer der Wassermalfarbe, als Bürger erster Klasse, reiselustig, sozial, menschenfreundlich. Beverly nicht.“ So verzeiht man der Geschichte auch, dass zwischen durch gar nicht so viel passiert und es ein paar Längen, gerade was die Beschreibungen betrifft, mit sich bringt und der Höhepunkt zum Schluss scheinbar beiläufig daherkommt. Insgesamt ein empfehlenswertes Buch für entspannte Herbsttage auf der Couch, um mal abzuschalten!

Eine Zugfahrt in der dunklen Jahreszeit. Welches Buch ist ein guter Begleiter?

„Der Brand“ von Daniela Krien

Erschienen bei Diogenes, 07/2021

Im Mittelpunkt von Daniela Krien’s neuem Roman „Der Brand“ steht die Beziehung von Rahel und Peter, einem Akademikerpaar aus Dresden, die seit mehr als 30 Jahren verheiratet sind und zwei Kinder großgezogen haben. Aus der Liebesbeziehung ist mehr ein nebeneinanderher Leben geworden, Sex hatten die beiden schon seit Langem nicht mehr miteinander und insbesondere Rahel vermisst die frühere körperliche Nähe. Im Sommerurlaub soll auf ihre Initiative hin die nun Liebe neu entfacht werden. Als die beiden in der Uckermark ankommen, beziehen sie dann wie in ihrem zu Hause in Dresden erst einmal ihre eigenen Zimmer. Peter, Professor der Germanistik, lebt eher still und zurückgezogen und vertieft sich liebenden gern in Gedichtbänder. Rahel ist her aktiver und eine resolute Psychotherapeutin mit einem schwierigen Mutter-Tochter-Verhältnis. Aus ihrer Sicht ist auch der Roman von Daniela Krien geschrieben und zeichnet ein feines Bild von zwei sich liebenden, die nicht mehr ganz wissen, wie es geht, aber wieder zueinanderfinden wollen nach. In einem Nebenstrang wird die schwierige Mutter-Tocher-Beziehung welche sich über mehrere Generationen erstreckt, abgehandelt. Besonders den direkten Vergleich vom unterschiedlichen Umgang der zwei Beziehungskonflikten fand ich spannend. Der Roman erzählt in seinem Alltag von einem respektvollen und achtsamen Umgang zwischen Rahel und Peter, was stets aufrechterhalten wird, auch wenn die beiden nicht immer einer Meinung sind. Dahingegen werden die Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter etwas lauter, fast schon kratzbürstiger. Insgesamt ist der Roman eine schöne Momentaufnahme mitten in einer turbulenten Welt.

…oder vielleicht doch lieber ein Liebesroman?

„Tal der Herrlichkeiten“ von Anne Weber

Erschienen bei Matthes & Seitz, Neuauflage in 2021

Nachdem mich die Kraft und Leichtigkeit der Erzählung von Anne Weber in „Annette, ein Heldinnenepos“ begeisterte, war ich neugierig, wie es um die Kraft und Ausdrucksform der Autorin abseits von Epos und Heldinnen bestellt ist. „Tal der Herrlichkeiten“ sollte mein Versuchsstück sein, das Anne Weber in einer Neuauflage in diesem Jahr bei Matthes & Seitz herausbrachte. Ein Liebesroman der in Paris und einer kleinen Hafenstadt am Nordatlantik spielt. Dort trifft Sperber ein unvermittelter Kuss einer Frau, die später Luchs genannt wird. Dieser Kuss reist Sperber aus seinem Alltag, der gezeichnet von Einsamkeit und Tristesse ist. Nach einigem Zögern begibt er sich dann aber doch auf die Suche nach der Unbekannten und folgt ihr bis nach Paris, wo in der Stadt der Liebe auch die beiden Liebenden zueinanderfinden werden. Der eigentliche Twist und für mich herausragende Part des Romans passiert etwas später, als Sperber plötzlich wieder alleine zurückgelassen wird und den plötzlichen Verlust von Luchs verarbeiten muss. Knallhart wird der Leser:in vor Augen geführt, dass es egal ist, wie kurz oder lang man liebt, sondern dass es wichtig ist, wie man geliebt hat. Und somit ist „Tal der Herrlichkeiten“ ein Liebesroman, der seinen Namen meiner Meinung nach zurecht verdient. So viel Liebe und Trauer, kraftvoll und leicht erzählt in einem Roman, ganz ohne Kitsch – wieder mal bin ich begeistert von Anne Weber! (Aline)


Vielen Dank an den Verlag für die Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplars.

Weitere Buchtipps mit ausführlicheren Rezensionen

Bären füttern verboten“ von Rachel Elliott

Hat Luise ausführlich besprochen, den Link findet ihr hier.

„Betreff: Falls ich sterbe“ von Carolina Setterwall

Hat Aline ausführlich besprochen, den Link findet ihr hier.

Welche Bücher fallen euch zu den verschiedenen herbstlichen Themen ein? Erzählt es un gerne, hier oder auf Instagram!

Ein Gedanke zu “#Herbstgeflüster – unsere Bücher im Oktober 2021”

Kommentar verfassen