Es sind die Vorfahren, ohne deren Leben unseres nicht möglich wäre. Sie prägen uns durch ihre Lebensweisheiten und erzählen uns Geschichten, die uns durch das Leben tragen, auch wenn die Ahnen längst von uns gegangen sind. Eine Abfolge von Generationen vor ihr hat auch die Autorin Ayanna Lloyd Banwo begleitet, die auf Trinidad geboren wurde. Und so waren möglicherweise auch die Geschichten ihrer Vorfahren Grundlage für ihren Debütroman „Als wir Vögel waren“, der zwei Motive, die auf den ersten Blick miteinander kombiniert wenig Schönes mit sich bringen, vereint: Die Liebe und den Tod.
Inhalt
Schließt kurz die Augen und stellt euch eine Insel in der Karibik als Schauplatz des Romans vor. In den sonnen gefluteten Gassen von Port Angeles in Trinidad mischt sich das Geschrei der Händler mit Vogelgezwitscher und Verkehrslärm. Mangobäume und Palmen säumen die Straßen und spenden den wenigen Fußgängern zur Mittagszeit Schatten. Einer von ihnen ist Emmanuel, der junge Rastafari ist arbeitslos und hat durch eine Vermittlung einen der wenigen begehrten Jobs auf der Insel ergattert. Fortan wird er als Totengräber auf einem jahrhundertealten Friedhof, Fidelis, arbeiten. Sehr zum Entsetzten seiner Mutter, die seitdem keinen Kontakt mehr mit ihm haben will. Wenige Tage nach seinem ersten Arbeitstag gerät er zwischen die Fronten mieser Machenschaften seiner Kollegen, die sich an den Grabbeigaben bereichern und dies auch bei der Bestattung von Yejides Mutter vorhaben. Als Yejide das erste Mal zum Friedhof kommt, um über die Bestattung ihrer Mutter zu sprechen, trifft sie dort auch auf Emmanuel. Dieser möchte die Toten und Yejide schützen, zu der er sich durch diese kurze Begegnung wie durch ein unscheinbares Band hingezogen fühlt. In all der für Yejide aufwühlenden Zeit nimmt das Schicksal seinen Lauf und zwischen Emmanuel und ihr beginnt eine Liebesgeschichte. Es wird eine magische und mystische Liebesgeschichte sein, denn die Schicksale der beiden sind bereits im Voraus durch Unerklärliches miteinander verwoben. Die Mutter von Yejide verfügte über die Gabe, Toten zu hören und zu sehen. Nach ihrem Tod ging diese Gabe auf Yejide über, die sich nun in die Rolle der neuen Anführerin der Familie und mit ihrer Gabe zurechtfinden muss. Zu Emmanuel fühlt sie sich nicht nur hingezogen, sondern möchte ihn beschützen. In diesem Zwiespalt nähern sich die beiden immer weiter an und lernen die Besonderheiten des jeweils anderen kennen.
Rezension
Die Autorin Ayanna Lloyd Banwo nimmt mich als Leserin nicht nur tief in die Geschichte und Mystik der Bewohner von Trinidad hinein, nein, sie versteht es auch, für die westliche Kultur möglicherweise befremdlich erscheinende Traditionen nahbar zu schildern. Möglicherweise sind mir solche Geschichten aber auch näher, da ich mich grundsätzlich als eher offen allem Mystischen und Spirituellen gegenüber bezeichnen würde. Ein:e rein rational, eher wissenschaftlich orientierte:r Leser:in, hätte möglicherweise weniger Vergnügen an dem Buch. Löst man sich jedoch von allem Rationalen und Wissenschaftlichen, erwartet die Leser:innen zwischen den Buchdeckeln von „Als wir Vögel waren“ eine Liebesgeschichte, die in einer fremden Kultur spielt, diese jedoch durch die Erzählung erlebbar macht. Durch den geschickten Perspektivwechsel der Kapitel, ist es möglich sowohl in die Rolle des Emmanuel als auch in die der Yejide zu schlüpfen und ihre Geschichten vollumfänglich zu erlesen. Dadurch gelingt es der Autorin zudem, mir zum Beispiel die Bewegung der Rastafari näherzubringen, mit der ich mich zuvor wenig bis gar nicht beschäftigt habe. Bei der Online-Buchvorstellung mit Lesung durch die Autorin, die der Verlag organisiert hatte, war ich direkt begeistert von der Geschichte, die durch die schöne, fast singende Sprache der Autorin virtuell zu mir getragen wurde. Diesen Sing-Sang habe ich beim Lesen etwas vermisst, was sicher weniger durch den Inhalt als durch meine eigene Stimme verursacht wurde. Ich denke, der Roman in seiner Originalsprache dem trinidad-kreolischen Englisch, würde viel mehr noch die Stimmung transportieren können, als es die Übersetzung könnte.
Fazit
Ayanna Lloyd Banwo ist ein Roman gelungen, der die Liebe und den Tod auf eine Art und Weise vereint, was die Tragik der beiden Phänomene in ihrer gemeinsamen Intensität verlieren lässt. Gleichzeitig spült er karibischen Flair in das Wohnzimmer und hinterlässt einen ebenso farbenfrohes wie stimmungsvolles Gesamtbild. Ich bin gespannt, welche Geschichten Banwo durch ihren feinen Sing-Sang noch zu uns tragen wird.
*Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.