Feiertage sind Lesetage – Monatsblatt Mai 2025

Die Saison der Feiertage beginnt – sei es der 1. Mai, oder Himmelfahrt (29. Mai) und später Pfingsten (8.-9. Juni) sowie in manchen Regionen Fronleichnam (19. Juni), etwa in Nordrhein-Westfahlen. Und damit sei doch die perfekte Zeit der langen Wochenenden mit viel Lesezeit eingeläutet!

Passend dazu, hier ein paar Buchtipps von Luise, die wunderbar an einem Wochenende verschlungen werden können – bei einer Seitenzahl bis um die 200 Seiten.

📖„Die Perfektionen“ von Vincenzo Latronico (125 S., Ü Verena von Koskull)
📖 „Klarkommen von Ilona Hartmann (188 S.)
📖 „Zitronen von Valerie Fritzsch (186 S.)
📖 „Ich komme nicht zurück von Rasha Kayat (167 S.)
📖 „Kim Jiyoung, Geboren 1982 von Cho Nam-Joo (207 S., Ü Ki-Hiyang Li)


Ein Gedenktag: 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges

Vor genau 80 Jahren, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai, wurde die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnet, der Zweite Weltkrieg war damit offiziell zu Ende. Dieser wichtige Gedenktag, gerade in Zeiten des Erstarkens populistischer Kräfte, ist dieses Jahr in Berlin ein offizieller Feiertag gewesen. Im Bundestag gab es eine Gedenkstunde, in Hamburg wurden Festwochen rund um den 8. Mai mit Lesungen und Demonstrationen geplant, in Köln gab es am Tag der Befreiung eine Kundgebung.

Wir haben den Gedenktag mit Buchtipps begangen, die sich thematisch mit dem Zweiten Weltkrieg und Krieg im Allgemeinen beschäftigen.

Aline hat daher eine Auswahl zusammengestellt:
🕊 „Isidor“ von Shelly Kupferberg*
📚 „Wie Kriege enden“ von Benjamin Fredrich*
🕊 „Warum Krieg? Ein Briefwechsel“ von Albert Einstein, Sigmund Freud
📚 „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers
🕊 „Liebe in Zeiten des Hasses“ von Florian Illies

Mehr über die Bücher erfahrt ihr in diesem Themenbeitrag.

Auf die Ohren – Podcast

Habt ihr schon in unsere Podcastfolge vom Mai reingehört? Dort erwartet euch nicht nur Vogelgezwitscher, sondern folgende Bücher, die wir nun lüften:

Im Speeddating bringt Aline dieses Mal ein Buch aus der Reihe „Bücher meines Lebens“ mit, welche durch Volker Weidemann herausgegeben wird. Mithu Sanyal schreibt über Emily Brontë und darüber, wie sehr sie „Sturmhöhe“ geprägt hat.

Im Blind Date stellt Luise diesmal einen Roman aus einem unabhängigen Verlag vor, mit folgendem ersten Satz: „Als Elise, die Große, aus dem Fenster sah, wurde in Sandburg eine neue Zeit eingeläutet“: eine erschauernde Dystopie, die eine frauenfeindliche Welt zeichnet, „12 Grad unter Null“ von Anna Herzig. Ein Cover- und Titelkauf, mit einer Plot-Idee, die Luise sehr gecatched hat. Doch ließ sie die Geschichte etwas verwirrt zurück…

Hier geht’s zur Folge auf Spotify. Unseren Podcast findet ihr auf den gängigen Podcast-Plattformen. Nächste Woche erscheint auch schon die nächste Folge. Seid gespannt!


Schwerpunkt Backlistlesen

„Liebewesen“ von Caroline Schmitt, ein Hörbuchtipp (erstmals Januar 2023 erschienen)

Die Geschichte hat Luise tief berührt – aber leise, unaufgeregt. Lio fühlt sich fremd im eigenen Körper, nach all dem, was sie mit sich herumträgt. Sie kann Max nichts sagen, weder von der Vergangenheit, noch von dem, was gerade in ihrem Bauch wächst und dem sie sich nicht gewachsen fühlt. Alles prasselt auf sie ein, die schmerzlichen Erinnerungen, warum Sex für sie schwierig ist. Innerlich tobt ein Sturm, aber nach außen bleibt Lio still, macht alles mit sich allein aus. Etwa was die Frage in ihrem Kopf betrifft: Ob sie sich selbst als Mutter denken will, nachdem ihre eigene so kalt und unnahbar ist?
Das Cover – Ein Mädchen mit Waffe darauf – hat sie zwar anfangs gecatched, aber es passt nicht zur stillen Kraft des Romans. Die Wut ist da, ja. Aber sie bleibt im Innern.
Was es für Luise wiederum intensiv macht: Die Geschichte als Hörbuch zu erleben.
Die Sprecherin liest ruhig und gleichzeitig emotional. Sie war mittendrin! Ein Hörbuch, das berührt: Leise und dennoch intensiv. 

Eine Lesehighlight von Aline: „Das Haus der Türen“ von Tan Twan Eng

Erschienen bei Dumont im April 2025

„Das Haus der Türen“ ist feinfühlig, sensibel und zieht uns mitten hinein in die von Luftfeuchtigkeit durchdrungene, warme Luft Malaysias im frühen 20. Jahrhundert. In seinem knapp 350 Seiten starken Roman, der 2023 für den Booker Prize nominiert war, verbindet Tan Twan Eng historische Ereignisse, wie den chinesischen Freiheitskampf unter Sun Yat-sen, der als Gründer des modernen Chinas gilt, mit einer Erzählung über (queere) Liebe, Loyalität und gesellschaftliche Moralvorstellungen.

Der Schriftsteller Willie Somerset Maugham steckt in einer schweren Schaffenskrise und ist derzeit auf Reisen durch Asien. Begleitet von seinem Sekretär und Liebhaber macht er einen Zwischenstopp in Malaysia bei Lesley und Robert, einem alten Freund Maughams. Lesley begegnet Maugham zunächst ablehnend, doch mit der Zeit wächst ihre Vertrautheit, und sie beginnt, sich ihm zu öffnen und ihm ihre Geheimnisse anzuvertrauen.

In wechselnden Perspektiven erfahren wir, wie Lesley chinesische Aktivisten unterstützte, die die Monarchie aus dem Exil stürzen wollen, wie sehr Maugham unter seiner zerrütteten Ehe leidet und Angst hat, die gemeinsame Tochter zu verlieren. Dabei offenbart sich nicht nur, wie sehr das Schicksal einer engen Freundin Lesleys sie geprägt hat, sondern auch, wie beide Protagonisten unter gesellschaftlichen Konventionen leiden und wie stark diese ihr scheinbar perfektes Leben und ihre Beziehungen beeinflussen.

Mit großer Freude habe ich mich von Tan Twan Engs unaufgeregter und dennoch fesselnder Erzählweise in diese Zeit ziehen lassen, habe über politische Freiheitskämpfe und das Streben von Frauen nach Gleichberechtigung gelesen und dabei auch den Schriftsteller Willie Somerset Maugham kennengelernt, der als englischer Dramatiker und Lyriker von 1874 bis 1965 lebte, zu den meistgelesenen englischsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts zählte und nun in Tan Twan Engs „Das Haus der Türen“ eine tragende Rolle spielt. Aus dem Englischen von Michael Grabinger.


Ein Lesehighlight von Luise: „Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken“ von Sarah Lorenz

Erschienen im Rowohlt Verlag im März 2025

Kinder reicher Leute
Sie wissen nichts von Schmutz und Wohnungsnot.
Von Stempelngehn und Armeleuteküchen.
Sie ahnen nichts von Hinterhausgerüchen, von Hungerlöhnen und von Trockenbrot.(…)

Sie kommen meist mit Abitur zur Welt
– zumindest aber schon mit Referenzen –
und ziehn daraus die letzten Konsequenzen:
Wir sind die Herren, denn unser ist das Geld. (…)
(Mascha Kaléko)

Was für eine schöne Idee: Jedes Kapitel in diesem Roman mit einem Gedicht von Mascha Kaléko zu beginnen! Ich kannte sie, aber kaum ihre Lyrik. Nun begleiten mich die Gedichte, brennen sich ein. Sarah Lorenz verwebt Maschas Worte kunstvoll mit dem Innenleben der Ich-Erzählerin Elisa, deren Lebensgeschichte nicht minder bewegt ist. Elisa fühlt sich durch Mascha und ihre Gedichte verstanden, spricht zu ihr, fühlt sich ihr nahe wie einer guten Freundin.

Maschas Gedichte – verboten, wiederentdeckt, sie als Jüdin aus dem Exil nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland zurückgekehrt. Elisa lebt im Heute, ihr Aufwachsen als Systemsprengerin ist auch geprägt von Ausgrenzung; genauso von Drogen, Ärmlichkeit. Vor allem aber von dem Auf und Ab der Liebe. Schmerz, Sehnsucht, Trost und Wut: dieser Roman fühlt sich an, als würde man das Leben von vorne neu durchleben. Das Buch ist keine leichte Kost und gleichzeitig leichtfüßig erzählt. „Poesie trifft Punk“, ein Blurb von Margarete Stokowski, der es sowas von trifft. „Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken“ – was für ein Debüt! Übrigens könnt ihr Sarah Lorenz sowohl am 6. Juni 25 bei einer Lesung in Köln im King Georg erleben, als auch in Hamburg am 1. Juli im Schanzenzelt.

Weitere Bücher Kurz zusammengefasst

Ziegel. Hamburger Jahrbuch für Literatur Hrsg. im mairisch Verlag: Es vereint Geschichten Hamburger Autorinnen und Autoren. Der eine oder andere Name ist Aline schon bekannt, der eine oder andere Name eine Neuentdeckung. Was alle eint, neben der Liebe zur Literatur, ist, dass sie in Hamburg leben – Alines Wahlheimat. Jeden Abend liest sie sich selbst eine Gute-Nacht-Geschichte aus dem „Ziegel“, dem 19. Hamburger Jahrbuch für Literatur, vor.

„Wovon wir Träumen“ ist der Debütroman von Lin Hierse, nun auch als Taschenbuch erhältlich, und erzählt eine feine Mutter- Tochterbeziehung, zwischen Deutschland und China. Der Roman wirkt, als hätte Lin Hierse uns eingeladen, all ihren Gedanken zu lauschen, die uns umarmen, ohne etwas zurückzufordern. Wir müssen nur zuhören.

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