Sommer im Blick: Monatsblatt Juni 2024

Am 11. Juni wurde der Deutsche Sachbuchpreis verliehen und wir waren live vor Ort bei der Preisverleihung in Hamburg, einer unserer persönlichen Highlights diesen Monat. Unser Patenbuch „Die Königin“ von Sebastian Conrad ist es zwar leider nicht geworden, dafür hat aber Christina Morina mit „Tausend Aufbrüche. Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er-Jahren“ – sehr verdient, wie wir finden, den Deutschen Sachbuchpreis erhalten. Es ist definitiv ein wichtiges Buch in der derzeit geführten Debatte zwischen Ost und West in Deutschland. Unsere Blogger-Kollegin Sandra Falke hat das Buch ausführlich besprochen, hier geht’s zu ihrem Beitrag.


Auf die Ohren

Podcast

Bei dem von Luise mitgebrachten Roman mit dem ersten Satz „Morgenübelkeit. Das liest sich so leicht in den Babyblogs, die ich sei Wochen täglich durchforste“ denkt man vielleicht als erstes an einen klassischen Berlin-Roman. Doch hinter dem Blind Date unserer zweiten Podcastfolge verbirgt sich der feinsinnige Familienroman „Issa“ von Mirrianne Mahn über Empowerment, emotionales Erbe und deutsche Kolonialgeschichte. In der Rubrik Speeddating empfiehlt Aline „Ein schönes Ausländerkind“ von Toxische Pommes: ein spannendes Buch über Migration und Herkunft.

Am 5. Juni ist bereits die dritte Folge unseres Podcasts „Aufgeblättert – Dein Book Blinde Date“ erschienen. Welches Buch sich hinter „Hinten rechts spannt sich eine dünne lange Narbe, ich spüre sie unter den Fingerspitzen, taste mich an ihr entlang, vergesse manchmal, dass ich sie habe.“ verbirgt könnt ihr jetzt nachhören. Neben dem Blind-Date-Buch von Aline, stellt sich Luise diesmal den schnellen Fragen im Speedating, zu ihrer Buchempfehlung „Die Sache mit Rachel“ von Caroline O´Donoghue – ein brandneuer Sommerbuchtipp.

Gelesene Bücher im Juni

Kurz und Knapp

Deborah Levy erzählt in „Augustblau“ atmosphärisch, dicht und vor allem szenenreich von Elsa, einer weltberühmten Konzertpianistin, die wenige Minuten nach dem Start eines Konzert dieses abbricht. Sie färbt sich die Haare blau und wird in Griechenland nach Seeigeln tauchen. Eine Sinnsuche und Fragen der Herkunft prägen die Gedanken von Elsa, der wir gebannt lauschen.

In ihrem neuen Roman „Alles immer wegen damals“* zeichnet die Autorin Paula Irmschler eine Mutter-Tochter-Beziehung nach, die alles andere als gut ist. Denn bereits seit zwei Jahren spricht Karla nicht mehr mit ihrer Mutter. Die Leerstellen wirken eigensinnig, ebenso wie der Mutter-Tochter-Konflikt. Dennoch kann der Roman ein tragikomischer Ritt, besonders für Fans von Paula Irmschler, sein.

Mit „Zauberhafte Aussichten“ von Stella Benson haben wir eine Autorin wiederentdeckt, die lange vergessen schien. Die Wiederentdeckung von Autorinnen des 20. Jahrhunderts hat sich der Rowohlt Verlag mit seiner Reihe rororo Entdeckungen auf die Fahne geschrieben. Mehr zum Buch und Programm hier.

Zudem haben wir für den Sommer und für eure Wege unterwegs in den Urlaub ein paar Hörbuchtipps von Hörbuchsprecher:innen zusammengestellt, die uns mit ihrem Stil und ihrer Sprechart überzeugt haben: „Bären füttern verboten“ witzig erzählt von Annette Frier, „Vom Ende der Einsamkeit“ angenehm ruhig erzählt von Robert Stadlober. „Alle sind so ernst geworden“ kreativ von Caren Miosga und Linda Zervakis als Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre eingesprochen, sehr authentisch dargestellt sind wiederum „Kummer aller Art“ und „Paradise Garden“ von den Sprecherinnen Katharina Quast und Lena Urzendowsky. „Sorry, aber…“ ist sehr lebhaft von der Autorin Tara-Louise Wittwer selbst eingesprochen und „Der Pfau“ ist unglaublich unterhaltsam anzuhören, durch Christoph Maria Herbst als Sprecher.


Unser Monatshighlight

Ausführlich vorgestellt

„Wünschen“ von Chukwuebuka Ibeh

Erschienen April 2024, im S.Fischer Verlag

Mit einer zutiefst kraftvollen und bewegenden Stimme verleiht der aus Nigeria stammende Autor Chukwuebuka Ibeh seinem Protagonisten Obiefuna eine sonst vermutlich zum Schweigen verdammte Stimme. Denn als der junge Obiefuna Anfang der 2010er Jahren von seinem Vater bei einem intimen Moment mit einem anderen Jungen erwischt wird, verbannt dieser ihn in ein christliches Internat. Dort wird er, fern von seinem Elternhaus, vor allem seiner Mutter Uzoamaka und seinem jüngeren Bruder, mit strengen Hierarchien und Gewalt aufwachsen. Seine Mutter ist die einzige die zu ihm hält, doch aufgrund seines Vaters, der die Verbindung unterbindet, wird sie zunächst den Kontakt zu ihrem ältesten und innig geliebten Sohn verlieren. Trotz der Bemühungen des Vaters wird Obiefuna die Liebe und sein Verlangen zu anderen Jungen weiter ausleben, immer in der Gefahr, entdeckt und aufgrund der christlichen Prägung des Internats verstoßen oder gar ins Gefängnis gesteckt zu werden. Chukwuebuka Ibeh legt mit „Wünschen“ einen bewegenden Gegenwartsroman vor, abwechselnd aus der Sicht der Mutter und Obiefuna erzählt. Er lässt tief in das Land Nigeria blicken, welches von patriarchalen und christlichen Strukturen geprägt ist und in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen verboten sind. Aber er lässt auch tief in das Seelenleben seiner Protagonisten blicken und erzählt die Entwicklung dieser mit einer besonderen Sanftheit. Aus dem Englischen von Cornelius Reiber.


Ausblick

Im Juli und August geht wieder das #dickebüchercamp los. Aline hat sich „4321“ von Paul Auster mit 1264 Seiten vorgenommen, Luise „Solito“ von Javier Zamora. Weitere Tipps?: „Das achte Leben (für Brilka)“ von Nino Haratischwili, 1279 Seiten, „Das Ministerium des äußersten Glücks“ von Arundhati Roy, 704 Seiten, „Klytämnestra“ von Costanza Casati, 560 Seiten* oder „Babysitter“ von Joyce Carol Oates, 624 Seiten*. Ziel des Camps ist es, Bücher in den Fokus zu stellen, die aufgrund der Seitenzahl (ab 500 Seiten) gerne erschlagend wirken und oftmals eher liegen gelassen werden. Damit genug Zeit ist, all die vielen Seiten zu lesen, verabschieden wir uns demnächst in eine kurze Sommerpause, zuvor wird aber Luise noch das neue Buch von Mareike Fallwickel „Und alle so still“ auf dem Blog vorstellen. Ob sie den Hype um den Bestseller nachempfinden kann? Das erfahrt ihr ganz bald. Seid gespannt!

*Rezensionsexemplar

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