Über den Tellerrand: Romance – Eine Rezension zu „Love, theoretically“ von Ali Hazelwood

Zu unserem Schwerpunktthema „Über den Tellerrand“ haben wir uns im Oktober der Liebe gewidmet – was kann es Schöneres geben! Der klassische Liebesroman gehört gefühlt ebenso wie der Krimi zu einem der beliebteren Genres der Deutschen. Die Storys in Romance-Büchern ähneln sich: zwei Personen, ein Konflikt und am Ende gibt es ein Happy End. Früher habe ich Nicholas Sparks und Nora Roberts wortwörtlich verschlungen. Die beiden gehören sicherlich immer noch zu den Klassikern am Liebesroman-Himmel, aber neue Autorinnen und Autoren sowie Sub-Genres rücken nach.

Insbesondere im Jugendbuchbereich hat sich eine ganz eigene Blase entwickelt, Young Adult und New Adult, aber auch weitere Genre wie Dark Romance und Fantasy Romance. Hier nutzen die Stars der Szene vor allem TikTok, um ihre Bücher zu vermarkten, ein ganz eigener Kosmos, in den ich kaum einzudringen vermag. Als ich mich angefangen habe, mit dem Thema zu beschäftigen, schwirrte mir bald der Kopf, welches Buch von welcher Autorin ich lesen soll, schlussendlich fiel meine Wahl auf:

Love, theoretically von Ali Hazelwood
„Love, theoretically“ von Ali Hazelwood

„Love, theoretically“ von Ali Hazelwood

Rezensionsexemplar, Juni 2023 im Aufbau Verlag

Die Autorin Ali Hazelwood ist Wissenschaftlerin, promovierte auf dem Gebiet der kognitiven Neurowissenschaften und ist Professorin. Um Stress während ihrer Graduiertenzeit abzubauen, begann sie zu schreiben. Ihr Debütroman erschien im September 2021 und all ihre Romane haben eine Gemeinsamkeit: Weibliche Protagonistinnen, die Naturwissenschaftlerinnen sind und in ihrem Arbeitsalltag romantische Verstrickungen erleben. So auch in ihrem neuen, dritten Roman „Love, theoretically“.

Inhalt

Die promovierte Wissenschaftlerin Elsie ist theoretische Physikerin und unterrichtet Studierende, wird dafür jedoch sehr schlecht bezahlt. Um über die Runden zu kommen, arbeitet sie nebenbei als Fake-Date-Begleitung. So begleitet sie zum Beispiel Greg zu der Geburtstagsfeier seiner Großmutter, wo sie auch auf Jack, seinen Bruder treffen wird. Als sie wenig später an einem Auswahlverfahren für ihren Traumjob am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) teilnimmt, begegnet sie Jack wieder, der von ihrem eigentlichen Hauptjob als Physikerin nichts ahnte. Jack wirkt kaltherzig und führt als Experimentalphysiker eine persönliche Fehde gegen die Theoretische Physik. Nun muss sie sich im Auswahlverfahren nicht nur als Frau in der Wissenschaft, sondern auch gegen Jack durchsetzen. Doch neben ihrer Abneigung gegenüber Jack wächst ihm gegenüber noch ein anderes Gefühl, denn in seiner Gegenwart kann sie zum ersten Mal seit langem nur sie selbst sein.

Rezension

Die Idee von der Naturwissenschaftlerin Elsie als Hautprotagonistin hat mich begeistert. Eine Frauen in der Wissenschaft ist selten, immer noch müssen sie sich härter gegenüber ihren männlichen Kollegen durchsetzen und unterliegen häufiger Klischees. Gerade in der ersten Hälfte taucht man in die aktuelle Lebensrealität von Elsie ein, ihre Selbstzweifel, ihre Hoffnung und ihre Träume. Sie ist eine junge unabhängige Frau, die den Mut aufbringt, sich auf eine Stelle zu bewerben, die vielleicht außerhalb ihrer Liga erscheinen könnte. Dabei erscheint sie keineswegs als knallharte, karriereorientierte Wissenschaftlerin, sondern wirkt nahbar und mit ihren Eigenheiten liebenswert. Unterhaltsam sind die Mails, welche sie von ihren Studierenden erhält, die ab und an in den Text eingeflochten werden. Jack begegnet sie zu einem Zeitpunkt, als sie vulnerabel erscheint, da die Bewerbung am MIT verbunden mit Existenzsorgen ist. Denn auch das scheint eine Lebensrealität zu sein, bis zu einem gewissen Level sind die Verdienstmöglichkeiten in der Wissenschaft zumindest in den USA eher einseitig gut verteilt. Leider konnte sich meine Vorstellung von Elsie, die ich bis hierin aufgebaut haben, nicht weiter erfüllen. Schlussendlich bewegen wir uns dann doch in einem Liebesroman, in dem der Plot weiter vorgezeichnet ist und die Anziehungskraft zwischen Elise und Jack die Oberhand gewinnt. Auf den nächsten rund 250 Seiten (von 500 insgesamt) haben die beiden viel Sex, eigentlich fast nur. Verloren habe ich meine liebgewonnene toughe Elise, nur kurzzeitig flackert sie noch mal hervor, als sie ihren alten Tutor in die Schranken weist. Davor und danach gibt es sehr viele explizite Szenen zu lesen, die mit dem beruflichen Leben als theoretische Physikern weniger zu tun hat. Flüssig und schnell fliegt man durch die Seiten, die am Ende natürlich noch ein Drama bereit halten, doch das Happy End lässt nicht lange auf sich warten.

Fazit

Eine junge Frau in der Naturwissenschaft war für mich das Hauptargument, mich für diesen Roman zu entscheiden. Es erschien mir zumindest im Vergleich zu anderen Liebesromanen wenigstens etwas mit Substanz. Gerade deswegen finde ich den Roman, trotz der benannten Kritik, immer noch gut. Er kann gerade jüngeren Leserinnen das Bild vermitteln, dass Frauen in der Wissenschaft sehr wohl erfolgreich sein können. Hey, und das gewürzt mit ein bisschen spice, warum auch nicht? Beim nächsten Mal gerne aber auch ein bisschen weniger Drama und dafür mehr Physik.

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